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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

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Herz machen sollten. Mich haben viele Leute, auf deren Aussage ich mich verlassen kann, versichert, daß sie sich oft gezwungen sähen, bey den Klagen andrer das Gesicht von ihnen wegzuwenden; oder sich geschwind einen Schmerz auf der Zunge zu verursachen, um nicht in ein lautes Lachen auszubrechen; -- oder auch sich sogleich eines Ausdrucks, einer Wendung ihrer Gedanken zu bedienen, die in dem Augenblick, ohne den Elenden auf einen Verdacht von Gefühllosigkeit zu bringen, mit einer lachenden Miene gesagt werden konnte; ein Lachen wodurch sie nach ihrem Geständnisse, das durch den Leidenden unwillkürlich verursachte, gleichsam bemänteln wollten.

Woher nun diese unwillkürliche Erscheinung an den Menschen, und zwar grade alsdann, wenn wir uns selbst ihre Leiden vorstellen, und sie sogar vor uns leiden sehen? -- Mich dünkt, man könne die Sache ohngefähr so erklären.

Wir mögen entweder von einem körperlichen Schmerz, oder von irgend einem Kummer unsrer Seele angegriffen werden, so ändern sich auch sogleich an den meisten Menschen hundert Dinge, die nun wegen ihrer veränderten Gestalt einen ganz andern Eindruk auf uns, als sonst machen müssen.

Die Sprache, Geberden, der Gang, oft die ganze Denkungsart des Menschen wird gemeiniglich anders wenn er leidet, und diese schnelle Veränderung des Menschen, die oft den angesehnsten


Herz machen sollten. Mich haben viele Leute, auf deren Aussage ich mich verlassen kann, versichert, daß sie sich oft gezwungen saͤhen, bey den Klagen andrer das Gesicht von ihnen wegzuwenden; oder sich geschwind einen Schmerz auf der Zunge zu verursachen, um nicht in ein lautes Lachen auszubrechen; — oder auch sich sogleich eines Ausdrucks, einer Wendung ihrer Gedanken zu bedienen, die in dem Augenblick, ohne den Elenden auf einen Verdacht von Gefuͤhllosigkeit zu bringen, mit einer lachenden Miene gesagt werden konnte; ein Lachen wodurch sie nach ihrem Gestaͤndnisse, das durch den Leidenden unwillkuͤrlich verursachte, gleichsam bemaͤnteln wollten.

Woher nun diese unwillkuͤrliche Erscheinung an den Menschen, und zwar grade alsdann, wenn wir uns selbst ihre Leiden vorstellen, und sie sogar vor uns leiden sehen? — Mich duͤnkt, man koͤnne die Sache ohngefaͤhr so erklaͤren.

Wir moͤgen entweder von einem koͤrperlichen Schmerz, oder von irgend einem Kummer unsrer Seele angegriffen werden, so aͤndern sich auch sogleich an den meisten Menschen hundert Dinge, die nun wegen ihrer veraͤnderten Gestalt einen ganz andern Eindruk auf uns, als sonst machen muͤssen.

Die Sprache, Geberden, der Gang, oft die ganze Denkungsart des Menschen wird gemeiniglich anders wenn er leidet, und diese schnelle Veraͤnderung des Menschen, die oft den angesehnsten

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[99/0101] Herz machen sollten. Mich haben viele Leute, auf deren Aussage ich mich verlassen kann, versichert, daß sie sich oft gezwungen saͤhen, bey den Klagen andrer das Gesicht von ihnen wegzuwenden; oder sich geschwind einen Schmerz auf der Zunge zu verursachen, um nicht in ein lautes Lachen auszubrechen; — oder auch sich sogleich eines Ausdrucks, einer Wendung ihrer Gedanken zu bedienen, die in dem Augenblick, ohne den Elenden auf einen Verdacht von Gefuͤhllosigkeit zu bringen, mit einer lachenden Miene gesagt werden konnte; ein Lachen wodurch sie nach ihrem Gestaͤndnisse, das durch den Leidenden unwillkuͤrlich verursachte, gleichsam bemaͤnteln wollten. Woher nun diese unwillkuͤrliche Erscheinung an den Menschen, und zwar grade alsdann, wenn wir uns selbst ihre Leiden vorstellen, und sie sogar vor uns leiden sehen? — Mich duͤnkt, man koͤnne die Sache ohngefaͤhr so erklaͤren. Wir moͤgen entweder von einem koͤrperlichen Schmerz, oder von irgend einem Kummer unsrer Seele angegriffen werden, so aͤndern sich auch sogleich an den meisten Menschen hundert Dinge, die nun wegen ihrer veraͤnderten Gestalt einen ganz andern Eindruk auf uns, als sonst machen muͤssen. Die Sprache, Geberden, der Gang, oft die ganze Denkungsart des Menschen wird gemeiniglich anders wenn er leidet, und diese schnelle Veraͤnderung des Menschen, die oft den angesehnsten

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/101>, abgerufen am 27.11.2024.