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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.

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aufzusagen, weil er keinen Nutzen davon hatte. Allein mein Vater mußte sich auch nun mit ihm abfinden, und er that es auf eine solche Art, daß er sich gerade ganz erschöpfte -- denn jetzt fühlte er die Folgen des Krieges erst deutlich.

Er gab also seinen Weinhandel auf, rafte den Rest seines Vermögens zusammen und kaufte sich in der Vorstadt ein Gartenhaus, in Willens daselbst einige Wirthschaft zu treiben. Er hatte auch die Freiheit Wein zu schenken, so daß er hoffen konnte, sich ohne großes Geräusch, und hoffentlich ohne Furcht vor großem Verlust, gut zu nähren. Jch und mein Bruder waren bisher in eine Winkelschule gegangen, deren Lehrer aber um eben die Zeit verstarb, als diese Veränderung vorging. Das 1765ste Jahr aber war für mich ein unglückliches Jahr, und mit diesem wurde der Grundstein zu meiner künftigen unglücklichen Lage gelegt. Da uns unsre Eltern sehr liebten, so verstatteten sie uns alles, was uns unsre jugendliche Munterkeit eingab. Sie ließen es uns an nichts mangeln, und eben daher schreibt sich in der Folge meine wenige Kraft her: mir einen Wunsch zu versagen -- doch ich schweife aus. Man sagt: ich sei in der Jugend ein sehr schönes Kind gewesen, und meine Munterkeit hätte mir viel Freunde erworben. Diese hätte mich mit Näschereien überhäuft, mich oft mit dem stärksten Weine überladen, und da-


aufzusagen, weil er keinen Nutzen davon hatte. Allein mein Vater mußte sich auch nun mit ihm abfinden, und er that es auf eine solche Art, daß er sich gerade ganz erschoͤpfte ― denn jetzt fuͤhlte er die Folgen des Krieges erst deutlich.

Er gab also seinen Weinhandel auf, rafte den Rest seines Vermoͤgens zusammen und kaufte sich in der Vorstadt ein Gartenhaus, in Willens daselbst einige Wirthschaft zu treiben. Er hatte auch die Freiheit Wein zu schenken, so daß er hoffen konnte, sich ohne großes Geraͤusch, und hoffentlich ohne Furcht vor großem Verlust, gut zu naͤhren. Jch und mein Bruder waren bisher in eine Winkelschule gegangen, deren Lehrer aber um eben die Zeit verstarb, als diese Veraͤnderung vorging. Das 1765ste Jahr aber war fuͤr mich ein ungluͤckliches Jahr, und mit diesem wurde der Grundstein zu meiner kuͤnftigen ungluͤcklichen Lage gelegt. Da uns unsre Eltern sehr liebten, so verstatteten sie uns alles, was uns unsre jugendliche Munterkeit eingab. Sie ließen es uns an nichts mangeln, und eben daher schreibt sich in der Folge meine wenige Kraft her: mir einen Wunsch zu versagen ― doch ich schweife aus. Man sagt: ich sei in der Jugend ein sehr schoͤnes Kind gewesen, und meine Munterkeit haͤtte mir viel Freunde erworben. Diese haͤtte mich mit Naͤschereien uͤberhaͤuft, mich oft mit dem staͤrksten Weine uͤberladen, und da-

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[40/0040] aufzusagen, weil er keinen Nutzen davon hatte. Allein mein Vater mußte sich auch nun mit ihm abfinden, und er that es auf eine solche Art, daß er sich gerade ganz erschoͤpfte ― denn jetzt fuͤhlte er die Folgen des Krieges erst deutlich. Er gab also seinen Weinhandel auf, rafte den Rest seines Vermoͤgens zusammen und kaufte sich in der Vorstadt ein Gartenhaus, in Willens daselbst einige Wirthschaft zu treiben. Er hatte auch die Freiheit Wein zu schenken, so daß er hoffen konnte, sich ohne großes Geraͤusch, und hoffentlich ohne Furcht vor großem Verlust, gut zu naͤhren. Jch und mein Bruder waren bisher in eine Winkelschule gegangen, deren Lehrer aber um eben die Zeit verstarb, als diese Veraͤnderung vorging. Das 1765ste Jahr aber war fuͤr mich ein ungluͤckliches Jahr, und mit diesem wurde der Grundstein zu meiner kuͤnftigen ungluͤcklichen Lage gelegt. Da uns unsre Eltern sehr liebten, so verstatteten sie uns alles, was uns unsre jugendliche Munterkeit eingab. Sie ließen es uns an nichts mangeln, und eben daher schreibt sich in der Folge meine wenige Kraft her: mir einen Wunsch zu versagen ― doch ich schweife aus. Man sagt: ich sei in der Jugend ein sehr schoͤnes Kind gewesen, und meine Munterkeit haͤtte mir viel Freunde erworben. Diese haͤtte mich mit Naͤschereien uͤberhaͤuft, mich oft mit dem staͤrksten Weine uͤberladen, und da-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/40>, abgerufen am 24.11.2024.