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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.

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Jhr Mann kam ihr zu gleichgültig vor; den mehresten, die sie umgaben, war sie lästig, denn sie hatten weder Geschicklichkeit noch Aufmunterung genug, sich in eine Eigensinnige zu schicken.

Jhre Erziehung mochte auch wohl vieles zu ihrem unglücklichen Zustande beigetragen haben, denn ihre alte Doktorin hatte sie von Kindheit an angesteckt, so daß sie schon im gesunden Zustande an Geistersehen, Mond- und Wörterkuren und dergleichen glaubte, und selbst mit großer Zuversicht verrichtete.

Seine Spöttereien machten sie schwermüthig, und seine kalte und gleichgültige Behandlung krank. Jch denke, das ist der Gang ihres Unglücks.

Mich dünkt doch, sie wäre zu heilen gewesen, wenn sie früh wäre besser behandelt worden; doch mußten die Arzneien das wenigste thun. Aus ihrer Verbindung herausgerissen mußte sie Umgang mit vernünftigen und aufgeklärten Leuten haben.

Aber wo ist die Welt, wo ein Arzt so etwas anordnen könnte -- und so lange der Arzt und der Menschenkenner nicht zusammen kurirt, so lange bleibt die Arzneikunst die elendeste Pfuscherei.



Jhr Mann kam ihr zu gleichguͤltig vor; den mehresten, die sie umgaben, war sie laͤstig, denn sie hatten weder Geschicklichkeit noch Aufmunterung genug, sich in eine Eigensinnige zu schicken.

Jhre Erziehung mochte auch wohl vieles zu ihrem ungluͤcklichen Zustande beigetragen haben, denn ihre alte Doktorin hatte sie von Kindheit an angesteckt, so daß sie schon im gesunden Zustande an Geistersehen, Mond- und Woͤrterkuren und dergleichen glaubte, und selbst mit großer Zuversicht verrichtete.

Seine Spoͤttereien machten sie schwermuͤthig, und seine kalte und gleichguͤltige Behandlung krank. Jch denke, das ist der Gang ihres Ungluͤcks.

Mich duͤnkt doch, sie waͤre zu heilen gewesen, wenn sie fruͤh waͤre besser behandelt worden; doch mußten die Arzneien das wenigste thun. Aus ihrer Verbindung herausgerissen mußte sie Umgang mit vernuͤnftigen und aufgeklaͤrten Leuten haben.

Aber wo ist die Welt, wo ein Arzt so etwas anordnen koͤnnte ― und so lange der Arzt und der Menschenkenner nicht zusammen kurirt, so lange bleibt die Arzneikunst die elendeste Pfuscherei.


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[35/0035] Jhr Mann kam ihr zu gleichguͤltig vor; den mehresten, die sie umgaben, war sie laͤstig, denn sie hatten weder Geschicklichkeit noch Aufmunterung genug, sich in eine Eigensinnige zu schicken. Jhre Erziehung mochte auch wohl vieles zu ihrem ungluͤcklichen Zustande beigetragen haben, denn ihre alte Doktorin hatte sie von Kindheit an angesteckt, so daß sie schon im gesunden Zustande an Geistersehen, Mond- und Woͤrterkuren und dergleichen glaubte, und selbst mit großer Zuversicht verrichtete. Seine Spoͤttereien machten sie schwermuͤthig, und seine kalte und gleichguͤltige Behandlung krank. Jch denke, das ist der Gang ihres Ungluͤcks. Mich duͤnkt doch, sie waͤre zu heilen gewesen, wenn sie fruͤh waͤre besser behandelt worden; doch mußten die Arzneien das wenigste thun. Aus ihrer Verbindung herausgerissen mußte sie Umgang mit vernuͤnftigen und aufgeklaͤrten Leuten haben. Aber wo ist die Welt, wo ein Arzt so etwas anordnen koͤnnte ― und so lange der Arzt und der Menschenkenner nicht zusammen kurirt, so lange bleibt die Arzneikunst die elendeste Pfuscherei.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/35>, abgerufen am 24.11.2024.