Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.
Nun standen sie vor dem Hause. Es hatte eine schwärzliche Außenseite, und eine große schwarze Thür, die mit vielen eingeschlagnen Nägeln versehen war. Oben hing ein Schild mit einem Hute heraus, woran der Nahme L.. zu lesen war. Ein altes Mütterchen, die Ausgeberin vom Hause, eröfnete ihnen die Thür, und führte sie zur rechten Hand in eine große Stube, die mit dunkelbraun angestrichnen Brettern getäfelt war, worauf man noch mit genauer Noth eine halb verwischte Schilderung von den fünf Sinnen entdecken konnte. Hier empfing sie denn der Herr des Hauses. Ein Mann von mittleren Jahren, mehr klein als groß, mit einem noch ziemlich jugendlichen aber dabei blassen und melancholischem Gesichte, das sich selten in ein andres, als eine Art von bittersüßen Lächeln verzog, dabei schwarzes Haar, und ein ziemlich schwärmerisches Auge, etwas feines und delikates in seinen Reden, Bewegungen, und Manieren, das man sonst bei Handwerksleuten nicht findet, und eine reine aber äußerst langsame, träge, und schleppende Sprache, die die Worte, wer weiß wie lang zog, besonders wenn das Gespräch auf andächtige Materien fiel. Auch hatte er einen unerträglich intoleranten Blick, wenn sich seine schwarzen Augenbraunen
Nun standen sie vor dem Hause. Es hatte eine schwaͤrzliche Außenseite, und eine große schwarze Thuͤr, die mit vielen eingeschlagnen Naͤgeln versehen war. Oben hing ein Schild mit einem Hute heraus, woran der Nahme L.. zu lesen war. Ein altes Muͤtterchen, die Ausgeberin vom Hause, eroͤfnete ihnen die Thuͤr, und fuͤhrte sie zur rechten Hand in eine große Stube, die mit dunkelbraun angestrichnen Brettern getaͤfelt war, worauf man noch mit genauer Noth eine halb verwischte Schilderung von den fuͤnf Sinnen entdecken konnte. Hier empfing sie denn der Herr des Hauses. Ein Mann von mittleren Jahren, mehr klein als groß, mit einem noch ziemlich jugendlichen aber dabei blassen und melancholischem Gesichte, das sich selten in ein andres, als eine Art von bittersuͤßen Laͤcheln verzog, dabei schwarzes Haar, und ein ziemlich schwaͤrmerisches Auge, etwas feines und delikates in seinen Reden, Bewegungen, und Manieren, das man sonst bei Handwerksleuten nicht findet, und eine reine aber aͤußerst langsame, traͤge, und schleppende Sprache, die die Worte, wer weiß wie lang zog, besonders wenn das Gespraͤch auf andaͤchtige Materien fiel. Auch hatte er einen unertraͤglich intoleranten Blick, wenn sich seine schwarzen Augenbraunen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0035" n="35"/><lb/> Hutmacher L.. einem langen oͤffentlichen Gebaͤude gegenuͤber wohnte.</p> <p>Nun standen sie vor dem Hause. Es hatte eine schwaͤrzliche Außenseite, und eine große schwarze Thuͤr, die mit vielen eingeschlagnen Naͤgeln versehen war. Oben hing ein Schild mit einem Hute heraus, woran der Nahme L.. zu lesen war.</p> <p>Ein altes Muͤtterchen, die Ausgeberin vom Hause, eroͤfnete ihnen die Thuͤr, und fuͤhrte sie zur rechten Hand in eine große Stube, die mit dunkelbraun angestrichnen Brettern getaͤfelt war, worauf man noch mit genauer Noth eine halb verwischte Schilderung von den fuͤnf Sinnen entdecken konnte.</p> <p>Hier empfing sie denn der Herr des Hauses. Ein Mann von mittleren Jahren, mehr klein als groß, mit einem noch ziemlich jugendlichen aber dabei blassen und melancholischem Gesichte, das sich selten in ein andres, als eine Art von bittersuͤßen Laͤcheln verzog, dabei schwarzes Haar, und ein ziemlich schwaͤrmerisches Auge, etwas feines und delikates in seinen Reden, Bewegungen, und Manieren, das man sonst bei Handwerksleuten nicht findet, und eine reine aber aͤußerst langsame, traͤge, und schleppende Sprache, die die Worte, wer weiß wie lang zog, besonders wenn das Gespraͤch auf andaͤchtige Materien fiel.</p> <p>Auch hatte er einen unertraͤglich intoleranten Blick, wenn sich seine schwarzen Augenbraunen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0035]
Hutmacher L.. einem langen oͤffentlichen Gebaͤude gegenuͤber wohnte.
Nun standen sie vor dem Hause. Es hatte eine schwaͤrzliche Außenseite, und eine große schwarze Thuͤr, die mit vielen eingeschlagnen Naͤgeln versehen war. Oben hing ein Schild mit einem Hute heraus, woran der Nahme L.. zu lesen war.
Ein altes Muͤtterchen, die Ausgeberin vom Hause, eroͤfnete ihnen die Thuͤr, und fuͤhrte sie zur rechten Hand in eine große Stube, die mit dunkelbraun angestrichnen Brettern getaͤfelt war, worauf man noch mit genauer Noth eine halb verwischte Schilderung von den fuͤnf Sinnen entdecken konnte.
Hier empfing sie denn der Herr des Hauses. Ein Mann von mittleren Jahren, mehr klein als groß, mit einem noch ziemlich jugendlichen aber dabei blassen und melancholischem Gesichte, das sich selten in ein andres, als eine Art von bittersuͤßen Laͤcheln verzog, dabei schwarzes Haar, und ein ziemlich schwaͤrmerisches Auge, etwas feines und delikates in seinen Reden, Bewegungen, und Manieren, das man sonst bei Handwerksleuten nicht findet, und eine reine aber aͤußerst langsame, traͤge, und schleppende Sprache, die die Worte, wer weiß wie lang zog, besonders wenn das Gespraͤch auf andaͤchtige Materien fiel.
Auch hatte er einen unertraͤglich intoleranten Blick, wenn sich seine schwarzen Augenbraunen
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/35>, abgerufen am 05.07.2024. |