Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.
Aus ihm entsteht das große wichtige Bedürfniß einer Sprache und die bereitwilligste Aufnahme derselben schon in der frühesten Jugend, noch vor der völligen Ausbildung unserer Sprachorgane. Das Kind sucht sich nach und nach von einem Mischmasch seiner Jdeen zu befreien und einige Deutlichkeit hineinzubringen, die seiner angebornen Kraft, Aehnlichkeiten zu bemerken, angemessen ist. Es lernt aus einem innern Seelendrange reden, ein Geschäfte, das ihn anfangs herzlich viel Mühe kostete, daß es aber aller Schwierigkeiten ohngeachtet, die sich ihm hiebei in Weg legen, arbeitsam fortsetzte. Durch das Reden lernt es bald deutlich denken und so entsteht ursprünglich seine Seelenthätigkeit, die sich in der Folge in die tiefsinnigsten Untersuchungen einlassen kann, aus einer anfänglichen Confusion seiner ersten Jdeen. Da wir durch die Sprache nach und nach Ordnung in unsre Gedanken bringen, und sich folglich das erste Chaos unsrer Begriffe nun mehr verliert; so müßte daraus folgen, daß wir uns von da an unserer Jugenderfahrungen zu erinnern anfangen müssen, wo wir uns deutlich auszudrücken anfingen. --
Aus ihm entsteht das große wichtige Beduͤrfniß einer Sprache und die bereitwilligste Aufnahme derselben schon in der fruͤhesten Jugend, noch vor der voͤlligen Ausbildung unserer Sprachorgane. Das Kind sucht sich nach und nach von einem Mischmasch seiner Jdeen zu befreien und einige Deutlichkeit hineinzubringen, die seiner angebornen Kraft, Aehnlichkeiten zu bemerken, angemessen ist. Es lernt aus einem innern Seelendrange reden, ein Geschaͤfte, das ihn anfangs herzlich viel Muͤhe kostete, daß es aber aller Schwierigkeiten ohngeachtet, die sich ihm hiebei in Weg legen, arbeitsam fortsetzte. Durch das Reden lernt es bald deutlich denken und so entsteht urspruͤnglich seine Seelenthaͤtigkeit, die sich in der Folge in die tiefsinnigsten Untersuchungen einlassen kann, aus einer anfaͤnglichen Confusion seiner ersten Jdeen. Da wir durch die Sprache nach und nach Ordnung in unsre Gedanken bringen, und sich folglich das erste Chaos unsrer Begriffe nun mehr verliert; so muͤßte daraus folgen, daß wir uns von da an unserer Jugenderfahrungen zu erinnern anfangen muͤssen, wo wir uns deutlich auszudruͤcken anfingen. ― <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0021" n="21"/><lb/> gen verliert, gewiß eine sehr <hi rendition="#b">weise Absicht</hi> bei dem ersten <hi rendition="#b">Wirrwarr</hi> unsrer Begriffe gehabt.</p> <p>Aus ihm entsteht das <hi rendition="#b">große wichtige Beduͤrfniß einer Sprache</hi> und die bereitwilligste Aufnahme derselben schon in der fruͤhesten Jugend, noch vor der <hi rendition="#b">voͤlligen Ausbildung</hi> unserer Sprachorgane.</p> <p>Das Kind sucht sich nach und nach von einem Mischmasch seiner Jdeen zu befreien und einige Deutlichkeit hineinzubringen, die seiner angebornen <hi rendition="#b">Kraft, Aehnlichkeiten</hi> zu bemerken, angemessen ist.</p> <p>Es lernt aus einem innern <hi rendition="#b">Seelendrange</hi> reden, ein Geschaͤfte, das ihn anfangs herzlich viel Muͤhe kostete, daß es aber aller Schwierigkeiten ohngeachtet, die sich ihm hiebei in Weg legen, arbeitsam fortsetzte.</p> <p>Durch das Reden lernt es bald deutlich denken und so entsteht urspruͤnglich seine Seelenthaͤtigkeit, die sich in der Folge in die tiefsinnigsten Untersuchungen einlassen kann, aus einer anfaͤnglichen <hi rendition="#b">Confusion</hi> seiner ersten Jdeen.</p> <p>Da wir durch die Sprache nach und nach Ordnung in unsre Gedanken bringen, und sich folglich das erste Chaos unsrer Begriffe nun mehr verliert; so muͤßte daraus folgen, daß wir uns von da an unserer Jugenderfahrungen zu erinnern anfangen muͤssen, wo wir uns deutlich auszudruͤcken anfingen. ―</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0021]
gen verliert, gewiß eine sehr weise Absicht bei dem ersten Wirrwarr unsrer Begriffe gehabt.
Aus ihm entsteht das große wichtige Beduͤrfniß einer Sprache und die bereitwilligste Aufnahme derselben schon in der fruͤhesten Jugend, noch vor der voͤlligen Ausbildung unserer Sprachorgane.
Das Kind sucht sich nach und nach von einem Mischmasch seiner Jdeen zu befreien und einige Deutlichkeit hineinzubringen, die seiner angebornen Kraft, Aehnlichkeiten zu bemerken, angemessen ist.
Es lernt aus einem innern Seelendrange reden, ein Geschaͤfte, das ihn anfangs herzlich viel Muͤhe kostete, daß es aber aller Schwierigkeiten ohngeachtet, die sich ihm hiebei in Weg legen, arbeitsam fortsetzte.
Durch das Reden lernt es bald deutlich denken und so entsteht urspruͤnglich seine Seelenthaͤtigkeit, die sich in der Folge in die tiefsinnigsten Untersuchungen einlassen kann, aus einer anfaͤnglichen Confusion seiner ersten Jdeen.
Da wir durch die Sprache nach und nach Ordnung in unsre Gedanken bringen, und sich folglich das erste Chaos unsrer Begriffe nun mehr verliert; so muͤßte daraus folgen, daß wir uns von da an unserer Jugenderfahrungen zu erinnern anfangen muͤssen, wo wir uns deutlich auszudruͤcken anfingen. ―
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/21 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/21>, abgerufen am 05.07.2024. |