Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.
Das einzige, was ihm bei seiner Erzählung weich machen und Thränen ablocken konnte, waren, lange Zeit, nur seine Frau und Kinder, und das oben gedachte vierjährige Schmidtsche Kind; für die ersten bat er viel; soll ihnen auch, was von Personen, so ihn in seinem Arrest besuchten, ihm etwa geschenkt worden, alles geschickt und kaum davon wenige Pfennige, zu einen Maaß Bier oder Trunk Brandtwein, für sich behalten haben; das letzte, das Schmidtsche Kind, nannte er unschuldig, wollte aber, wie man merken konnte, damals noch damit sagen, daß seine Rache an dessen Eltern nicht so ungerecht gewesen sey. Es brach aber seine Reue nicht in heftige Ausbrüche des innern Schmerzes, in Wehklagen und in Winseln aus, sondern zeigte sich in einer etwas tiefsinnigern Niedergeschlagenheit, in einer stillen Wehmuth, und mit unter durch das Herabfallen einiger Thränen. Sein Vater, ein zwei und achtzigjähriger Greis, wurde vermocht, den Sohn noch einmal zu besuchen, der von ihm Vergebung alles dessen, worinn er etwa seine kindliche Pflicht aus den Augen gesetzt haben möchte, auch der letzten Kränkung durch sein Verbrechen, wehmüthig suchte, und sie unter guten Ermahnungen und Wünschen vollkommen erhielt, auch dagegen den kummervollen Greis rüh-
Das einzige, was ihm bei seiner Erzaͤhlung weich machen und Thraͤnen ablocken konnte, waren, lange Zeit, nur seine Frau und Kinder, und das oben gedachte vierjaͤhrige Schmidtsche Kind; fuͤr die ersten bat er viel; soll ihnen auch, was von Personen, so ihn in seinem Arrest besuchten, ihm etwa geschenkt worden, alles geschickt und kaum davon wenige Pfennige, zu einen Maaß Bier oder Trunk Brandtwein, fuͤr sich behalten haben; das letzte, das Schmidtsche Kind, nannte er unschuldig, wollte aber, wie man merken konnte, damals noch damit sagen, daß seine Rache an dessen Eltern nicht so ungerecht gewesen sey. Es brach aber seine Reue nicht in heftige Ausbruͤche des innern Schmerzes, in Wehklagen und in Winseln aus, sondern zeigte sich in einer etwas tiefsinnigern Niedergeschlagenheit, in einer stillen Wehmuth, und mit unter durch das Herabfallen einiger Thraͤnen. Sein Vater, ein zwei und achtzigjaͤhriger Greis, wurde vermocht, den Sohn noch einmal zu besuchen, der von ihm Vergebung alles dessen, worinn er etwa seine kindliche Pflicht aus den Augen gesetzt haben moͤchte, auch der letzten Kraͤnkung durch sein Verbrechen, wehmuͤthig suchte, und sie unter guten Ermahnungen und Wuͤnschen vollkommen erhielt, auch dagegen den kummervollen Greis ruͤh- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0105" n="105"/><lb/> sich wohl mit der Hofnung taͤuschen, das Leben zu erhalten.</p> <p>Das einzige, was ihm bei seiner Erzaͤhlung weich machen und Thraͤnen ablocken konnte, waren, lange Zeit, nur seine Frau und Kinder, und das oben gedachte vierjaͤhrige Schmidtsche Kind; fuͤr die ersten bat er viel; soll ihnen auch, was von Personen, so ihn in seinem Arrest besuchten, ihm etwa geschenkt worden, alles geschickt und kaum davon wenige Pfennige, zu einen Maaß Bier oder Trunk Brandtwein, fuͤr sich behalten haben; das letzte, das Schmidtsche Kind, nannte er unschuldig, wollte aber, wie man merken konnte, damals noch damit sagen, daß seine Rache an dessen Eltern nicht so ungerecht gewesen sey.</p> <p>Es brach aber seine Reue nicht in heftige Ausbruͤche des innern Schmerzes, in Wehklagen und in Winseln aus, sondern zeigte sich in einer etwas tiefsinnigern Niedergeschlagenheit, in einer stillen Wehmuth, und mit unter durch das Herabfallen einiger Thraͤnen.</p> <p>Sein Vater, ein zwei und achtzigjaͤhriger Greis, wurde vermocht, den Sohn noch einmal zu besuchen, der von ihm Vergebung alles dessen, worinn er etwa seine kindliche Pflicht aus den Augen gesetzt haben moͤchte, auch der letzten Kraͤnkung durch sein Verbrechen, wehmuͤthig suchte, und sie unter guten Ermahnungen und Wuͤnschen vollkommen erhielt, auch dagegen den kummervollen Greis ruͤh-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0105]
sich wohl mit der Hofnung taͤuschen, das Leben zu erhalten.
Das einzige, was ihm bei seiner Erzaͤhlung weich machen und Thraͤnen ablocken konnte, waren, lange Zeit, nur seine Frau und Kinder, und das oben gedachte vierjaͤhrige Schmidtsche Kind; fuͤr die ersten bat er viel; soll ihnen auch, was von Personen, so ihn in seinem Arrest besuchten, ihm etwa geschenkt worden, alles geschickt und kaum davon wenige Pfennige, zu einen Maaß Bier oder Trunk Brandtwein, fuͤr sich behalten haben; das letzte, das Schmidtsche Kind, nannte er unschuldig, wollte aber, wie man merken konnte, damals noch damit sagen, daß seine Rache an dessen Eltern nicht so ungerecht gewesen sey.
Es brach aber seine Reue nicht in heftige Ausbruͤche des innern Schmerzes, in Wehklagen und in Winseln aus, sondern zeigte sich in einer etwas tiefsinnigern Niedergeschlagenheit, in einer stillen Wehmuth, und mit unter durch das Herabfallen einiger Thraͤnen.
Sein Vater, ein zwei und achtzigjaͤhriger Greis, wurde vermocht, den Sohn noch einmal zu besuchen, der von ihm Vergebung alles dessen, worinn er etwa seine kindliche Pflicht aus den Augen gesetzt haben moͤchte, auch der letzten Kraͤnkung durch sein Verbrechen, wehmuͤthig suchte, und sie unter guten Ermahnungen und Wuͤnschen vollkommen erhielt, auch dagegen den kummervollen Greis ruͤh-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/105>, abgerufen am 05.07.2024. |