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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.

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Eine von Antons seeligsten Erinnerungen aus den frühesten Jahren seiner Kindheit ist, als seine Mutter ihn in ihren Mantel eingehüllt, durch Sturm und Regen trug. Auf dem kleinen Dorfe war die Welt ihm schön, aber hinter dem blauen Berge, nach welchem er immer sehnsuchtsvoll blickte, warteten schon die Leiden auf ihn, die die Jahre seiner Kindheit vergällen sollten.

Da ich einmal in meiner Geschichte zurückgegangen bin, um Antons erste Empfindungen und Vorstellungen von der Welt nachzuhohlen, so muß ich hier noch zwei seiner frühesten Erinnerungen anführen, die seine Empfindung des Unrechts betreffen.

Er ist sich deutlich bewußt, wie er im zweiten Jahre, da seine Mutter noch nicht mit ihm auf dem Dorfe wohnte, von seinem Hause nach dem gegenüberstehenden, über die Straße hin und wieder lief, und einem wohlgekleideten Manne in den Weg rannte, gegen den er heftig mit den Händen ausschlug, weil er sich selbst und andre zu überreden suchte, daß ihm Unrecht geschehen sey, ob er gleich innerlich fühlte, daß er der beleidigende Theil war.

Diese Erinnerung ist wegen ihrer Seltenheit und Deutlichkeit merkwürdig; auch ist sie ächt, weil der Umstand an sich zu geringfügig war, als daß ihm nachher jemand davon hätte erzählen sollen.

Die zweite Erinnerung ist aus dem vierten Jahre, wo seine Mutter ihn wegen einer wirklichen


Eine von Antons seeligsten Erinnerungen aus den fruͤhesten Jahren seiner Kindheit ist, als seine Mutter ihn in ihren Mantel eingehuͤllt, durch Sturm und Regen trug. Auf dem kleinen Dorfe war die Welt ihm schoͤn, aber hinter dem blauen Berge, nach welchem er immer sehnsuchtsvoll blickte, warteten schon die Leiden auf ihn, die die Jahre seiner Kindheit vergaͤllen sollten.

Da ich einmal in meiner Geschichte zuruͤckgegangen bin, um Antons erste Empfindungen und Vorstellungen von der Welt nachzuhohlen, so muß ich hier noch zwei seiner fruͤhesten Erinnerungen anfuͤhren, die seine Empfindung des Unrechts betreffen.

Er ist sich deutlich bewußt, wie er im zweiten Jahre, da seine Mutter noch nicht mit ihm auf dem Dorfe wohnte, von seinem Hause nach dem gegenuͤberstehenden, uͤber die Straße hin und wieder lief, und einem wohlgekleideten Manne in den Weg rannte, gegen den er heftig mit den Haͤnden ausschlug, weil er sich selbst und andre zu uͤberreden suchte, daß ihm Unrecht geschehen sey, ob er gleich innerlich fuͤhlte, daß er der beleidigende Theil war.

Diese Erinnerung ist wegen ihrer Seltenheit und Deutlichkeit merkwuͤrdig; auch ist sie aͤcht, weil der Umstand an sich zu geringfuͤgig war, als daß ihm nachher jemand davon haͤtte erzaͤhlen sollen.

Die zweite Erinnerung ist aus dem vierten Jahre, wo seine Mutter ihn wegen einer wirklichen

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[82/0084] Eine von Antons seeligsten Erinnerungen aus den fruͤhesten Jahren seiner Kindheit ist, als seine Mutter ihn in ihren Mantel eingehuͤllt, durch Sturm und Regen trug. Auf dem kleinen Dorfe war die Welt ihm schoͤn, aber hinter dem blauen Berge, nach welchem er immer sehnsuchtsvoll blickte, warteten schon die Leiden auf ihn, die die Jahre seiner Kindheit vergaͤllen sollten. Da ich einmal in meiner Geschichte zuruͤckgegangen bin, um Antons erste Empfindungen und Vorstellungen von der Welt nachzuhohlen, so muß ich hier noch zwei seiner fruͤhesten Erinnerungen anfuͤhren, die seine Empfindung des Unrechts betreffen. Er ist sich deutlich bewußt, wie er im zweiten Jahre, da seine Mutter noch nicht mit ihm auf dem Dorfe wohnte, von seinem Hause nach dem gegenuͤberstehenden, uͤber die Straße hin und wieder lief, und einem wohlgekleideten Manne in den Weg rannte, gegen den er heftig mit den Haͤnden ausschlug, weil er sich selbst und andre zu uͤberreden suchte, daß ihm Unrecht geschehen sey, ob er gleich innerlich fuͤhlte, daß er der beleidigende Theil war. Diese Erinnerung ist wegen ihrer Seltenheit und Deutlichkeit merkwuͤrdig; auch ist sie aͤcht, weil der Umstand an sich zu geringfuͤgig war, als daß ihm nachher jemand davon haͤtte erzaͤhlen sollen. Die zweite Erinnerung ist aus dem vierten Jahre, wo seine Mutter ihn wegen einer wirklichen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/84>, abgerufen am 25.11.2024.