Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie setzte sich mit ihrer weiblichen Arbeit neben mich; und es konnte völlig so aussehen, als wollten wir einander zur Arbeit anhalten.

Nur selten hatten wir einige Gesellschaft, die, ihrer Absicht nach, uns trennen sollte. Jch konnte mit meinen Arbeiten nie fertig werden; und sie hatte eben so wenig in so vielen Stunden des ganzen Jahres, jemalen viele übrig, die blos zum Zeitvertreibe hätten dienen sollen. Jch habe mich durch diese stete Gesellschaft so gewöhnet, daß mich auch ein ziemlich lautes Geräusch von mehrern, die mit einander über ganz andre Sachen sprechen; und ein freies Spielen der Kinder, nicht im geringsten hindert, ich mag zu schreiben oder zu lesen haben, was es immer sey.

Seine tägliche Bewegung, (als ein Beitrag zur Seelendiätätik.)

So viel ich auch täglich zu thun hatte, und keine Lücke in meiner Zeit machen durfte: so habe ich doch eine Stunde, meist nach Tische, von eins bis zwey zur Motion angewendet, um wenigstens den Unterleib vor nachtheiliger Unordnung zu bewahren. Lange Zeit machte ich mir in dem Graben, zwischen dem Stein- und Neumärkischen Thore die ordentliche Bewegung dadurch, daß ich bei dem einen Wirth oder Einwohner mir zwei oder drei Kegelkugeln bereit hielt, die ich entweder in einer gewissen Weite hin, und wieder zurück schoß; oder auf den Ueberbleibseln des Walles mir oben ein Ziel von Steinen


Sie setzte sich mit ihrer weiblichen Arbeit neben mich; und es konnte voͤllig so aussehen, als wollten wir einander zur Arbeit anhalten.

Nur selten hatten wir einige Gesellschaft, die, ihrer Absicht nach, uns trennen sollte. Jch konnte mit meinen Arbeiten nie fertig werden; und sie hatte eben so wenig in so vielen Stunden des ganzen Jahres, jemalen viele uͤbrig, die blos zum Zeitvertreibe haͤtten dienen sollen. Jch habe mich durch diese stete Gesellschaft so gewoͤhnet, daß mich auch ein ziemlich lautes Geraͤusch von mehrern, die mit einander uͤber ganz andre Sachen sprechen; und ein freies Spielen der Kinder, nicht im geringsten hindert, ich mag zu schreiben oder zu lesen haben, was es immer sey.

Seine taͤgliche Bewegung, (als ein Beitrag zur Seelendiaͤtaͤtik.)

So viel ich auch taͤglich zu thun hatte, und keine Luͤcke in meiner Zeit machen durfte: so habe ich doch eine Stunde, meist nach Tische, von eins bis zwey zur Motion angewendet, um wenigstens den Unterleib vor nachtheiliger Unordnung zu bewahren. Lange Zeit machte ich mir in dem Graben, zwischen dem Stein- und Neumaͤrkischen Thore die ordentliche Bewegung dadurch, daß ich bei dem einen Wirth oder Einwohner mir zwei oder drei Kegelkugeln bereit hielt, die ich entweder in einer gewissen Weite hin, und wieder zuruͤck schoß; oder auf den Ueberbleibseln des Walles mir oben ein Ziel von Steinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0111" n="109"/><lb/>
            <p>Sie setzte sich mit ihrer weiblichen Arbeit neben mich; und es konnte vo&#x0364;llig  so aussehen, als wollten wir einander zur Arbeit anhalten. </p>
            <p>Nur selten hatten wir einige Gesellschaft, die, ihrer Absicht nach, uns  trennen sollte. Jch konnte mit meinen Arbeiten nie fertig werden; und sie  hatte eben so wenig in so vielen Stunden des ganzen Jahres, jemalen viele  u&#x0364;brig, die blos zum Zeitvertreibe ha&#x0364;tten dienen sollen. Jch habe mich durch  diese stete Gesellschaft so gewo&#x0364;hnet, daß mich auch ein ziemlich lautes  Gera&#x0364;usch von mehrern, die mit einander u&#x0364;ber ganz andre Sachen sprechen; und  ein freies Spielen der Kinder, nicht im geringsten hindert, ich mag zu  schreiben oder zu lesen haben, was es immer sey. </p>
            <floatingText xml:id="f02" prev="#f01" next="#f03">
              <body>
                <div n="1">
                  <head>Seine ta&#x0364;gliche Bewegung, (als ein Beitrag zur Seelendia&#x0364;ta&#x0364;tik.) </head><lb/>
                  <p>So viel ich auch ta&#x0364;glich zu thun hatte, und keine Lu&#x0364;cke in  meiner Zeit machen durfte: so habe ich doch eine Stunde, meist nach Tische,  von eins bis zwey zur <hi rendition="#b">Motion</hi> angewendet, um  wenigstens den Unterleib vor nachtheiliger Unordnung zu bewahren. Lange Zeit  machte ich mir in dem Graben, zwischen dem <hi rendition="#b">Stein-</hi> und <hi rendition="#b">Neuma&#x0364;rkischen</hi> Thore die ordentliche Bewegung  dadurch, daß ich bei dem einen Wirth oder Einwohner mir zwei oder drei  Kegelkugeln bereit hielt, die ich entweder in einer gewissen Weite hin, und  wieder zuru&#x0364;ck schoß; oder auf den Ueberbleibseln des Walles mir oben ein  Ziel von Steinen<lb/></p>
                </div>
              </body>
            </floatingText>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0111] Sie setzte sich mit ihrer weiblichen Arbeit neben mich; und es konnte voͤllig so aussehen, als wollten wir einander zur Arbeit anhalten. Nur selten hatten wir einige Gesellschaft, die, ihrer Absicht nach, uns trennen sollte. Jch konnte mit meinen Arbeiten nie fertig werden; und sie hatte eben so wenig in so vielen Stunden des ganzen Jahres, jemalen viele uͤbrig, die blos zum Zeitvertreibe haͤtten dienen sollen. Jch habe mich durch diese stete Gesellschaft so gewoͤhnet, daß mich auch ein ziemlich lautes Geraͤusch von mehrern, die mit einander uͤber ganz andre Sachen sprechen; und ein freies Spielen der Kinder, nicht im geringsten hindert, ich mag zu schreiben oder zu lesen haben, was es immer sey. Seine taͤgliche Bewegung, (als ein Beitrag zur Seelendiaͤtaͤtik.) So viel ich auch taͤglich zu thun hatte, und keine Luͤcke in meiner Zeit machen durfte: so habe ich doch eine Stunde, meist nach Tische, von eins bis zwey zur Motion angewendet, um wenigstens den Unterleib vor nachtheiliger Unordnung zu bewahren. Lange Zeit machte ich mir in dem Graben, zwischen dem Stein- und Neumaͤrkischen Thore die ordentliche Bewegung dadurch, daß ich bei dem einen Wirth oder Einwohner mir zwei oder drei Kegelkugeln bereit hielt, die ich entweder in einer gewissen Weite hin, und wieder zuruͤck schoß; oder auf den Ueberbleibseln des Walles mir oben ein Ziel von Steinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/111
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/111>, abgerufen am 17.05.2024.