Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.
So ist zwanzig Jahre lang eine grosse Gleichförmigkeit unsers Lebens unterhalten worden, wir und unsre Kinder wusten und fühleten es, daß wir die allernächste engste Gesellschaft auf der ganzen Welt seyn, und also beobachteten wir die daraus entstehenden Pflichten, ohne Geräusch, und ohne Ausnahme. Es war freilich damalen lange so viel nicht von Erziehung geschrieben worden; aber wir schöpften aus der reinen Quelle der Religion; und es fehlete nichts, wenn wir auch vielen Schimmer entbehreten. Was unsere tägliche Lebensordnung betrift: so habe ich recht, nach dem Wunsch und Verlangen meiner lieben Frau, sie stets um mich gehabt, ob ich gleich eine so genannte Studierstube hatte, welche also nur für meine Bücher bestimmt war. So lebten wir in Altdorf, und so setzten wir es in Halle fort; und ich fand nur selten eine wichtige Ursache, einige halbe Tage wirklich allein zu seyn. Wir haben uns dadurch ein vertrauliches Vergnügen geschaft, das täglich zunahm; und so setzte ich wirklich diese Stubengesellschaft fort, da sie Kinder hatte.
So ist zwanzig Jahre lang eine grosse Gleichfoͤrmigkeit unsers Lebens unterhalten worden, wir und unsre Kinder wusten und fuͤhleten es, daß wir die allernaͤchste engste Gesellschaft auf der ganzen Welt seyn, und also beobachteten wir die daraus entstehenden Pflichten, ohne Geraͤusch, und ohne Ausnahme. Es war freilich damalen lange so viel nicht von Erziehung geschrieben worden; aber wir schoͤpften aus der reinen Quelle der Religion; und es fehlete nichts, wenn wir auch vielen Schimmer entbehreten. Was unsere taͤgliche Lebensordnung betrift: so habe ich recht, nach dem Wunsch und Verlangen meiner lieben Frau, sie stets um mich gehabt, ob ich gleich eine so genannte Studierstube hatte, welche also nur fuͤr meine Buͤcher bestimmt war. So lebten wir in Altdorf, und so setzten wir es in Halle fort; und ich fand nur selten eine wichtige Ursache, einige halbe Tage wirklich allein zu seyn. Wir haben uns dadurch ein vertrauliches Vergnuͤgen geschaft, das taͤglich zunahm; und so setzte ich wirklich diese Stubengesellschaft fort, da sie Kinder hatte. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <floatingText xml:id="f01" next="#f02"> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0110" n="108"/><lb/> ich gerne ab von der Einrichtung und der Erkenntniß einer so treuen Hausmutter. </p> <p>So ist zwanzig Jahre lang eine grosse Gleichfoͤrmigkeit unsers Lebens unterhalten worden, wir und unsre Kinder wusten und fuͤhleten es, daß wir die allernaͤchste engste Gesellschaft auf der ganzen Welt seyn, und also beobachteten wir die daraus entstehenden Pflichten, ohne Geraͤusch, und ohne Ausnahme. </p> <p>Es war freilich damalen lange so viel nicht von Erziehung geschrieben worden; aber wir schoͤpften aus der reinen Quelle der Religion; und es fehlete nichts, wenn wir auch vielen Schimmer entbehreten. </p> </div> </body> </floatingText> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Was <hi rendition="#b">unsere taͤgliche Lebensordnung</hi> betrift: so habe ich recht, nach dem Wunsch und Verlangen meiner lieben Frau, sie stets um mich gehabt, ob ich gleich eine so genannte <hi rendition="#b">Studierstube</hi> hatte, welche also nur fuͤr meine Buͤcher bestimmt war. </p> <p>So lebten wir in <hi rendition="#b">Altdorf</hi>, und so setzten wir es in <hi rendition="#b">Halle</hi> fort; und ich fand nur selten eine wichtige Ursache, einige halbe Tage wirklich allein zu seyn. </p> <p>Wir haben uns dadurch ein vertrauliches Vergnuͤgen geschaft, das taͤglich zunahm; und so setzte ich wirklich diese Stubengesellschaft fort, da sie Kinder hatte. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0110]
ich gerne ab von der Einrichtung und der Erkenntniß einer so treuen Hausmutter.
So ist zwanzig Jahre lang eine grosse Gleichfoͤrmigkeit unsers Lebens unterhalten worden, wir und unsre Kinder wusten und fuͤhleten es, daß wir die allernaͤchste engste Gesellschaft auf der ganzen Welt seyn, und also beobachteten wir die daraus entstehenden Pflichten, ohne Geraͤusch, und ohne Ausnahme.
Es war freilich damalen lange so viel nicht von Erziehung geschrieben worden; aber wir schoͤpften aus der reinen Quelle der Religion; und es fehlete nichts, wenn wir auch vielen Schimmer entbehreten.
Was unsere taͤgliche Lebensordnung betrift: so habe ich recht, nach dem Wunsch und Verlangen meiner lieben Frau, sie stets um mich gehabt, ob ich gleich eine so genannte Studierstube hatte, welche also nur fuͤr meine Buͤcher bestimmt war.
So lebten wir in Altdorf, und so setzten wir es in Halle fort; und ich fand nur selten eine wichtige Ursache, einige halbe Tage wirklich allein zu seyn.
Wir haben uns dadurch ein vertrauliches Vergnuͤgen geschaft, das taͤglich zunahm; und so setzte ich wirklich diese Stubengesellschaft fort, da sie Kinder hatte.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/110 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/110>, abgerufen am 16.02.2025. |