Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite


wurde. Dieses ließ uns hoffen, ihr auf solche Weise die Buchstaben beizubringen, und kenntlich zu machen, welches auch durch die Gnade Gottes so glücklich von statten ging, daß sie in vierzehn Tagen die Buchstaben alle richtig anzeigen konnte, wenn ich ihr dieselben sowohl in als außer der Reihe zurief. Sobald sie die Buchstaben gefasset hatte, schrieb ich ihr das currente Alphabet auf, und wir gingen sodann die gedruckten und geschriebenen Buchstaben mit einander durch, so daß sie zum innigsten Vergnügen in kurzer Zeit alle diese Buchstaben auf das deutlichste kennete. Den Unterschied zwischen einem harten P und weichen B, und harten T und weichen D ihr begreiflich zu machen, fassete ich sie bei der Hand, und drückte bei dem harten Buchstaben ihre Hand feste, und bei dem weichen sanfte. Da nun dieses Zurufen durch den Stock seine gute Wirkung hatte, so machten wir weiter den Versuch, ob sie auch alles durch denselben verstehen könnte; allein vergebens. Sobald es Wörter waren, die aus mehreren, als einer Silbe bestunden, konnte sie solche nicht verstehen, ja sogar wenn das Wort aus mehr als drei bis vier Buchstaben bestand, so konnte sie es nicht unterscheiden, außer solche Wörter, als Jch, Du, er, Sie, u.d.gl. die konnte ich ihr verständlich zurufen. Nun mußten wir uns blos ans Schreiben, und an Zeichen, und Bilder halten. Nichts war nöthiger, als sie durch ein beständiges liebreiches Betragen so einzu-


wurde. Dieses ließ uns hoffen, ihr auf solche Weise die Buchstaben beizubringen, und kenntlich zu machen, welches auch durch die Gnade Gottes so gluͤcklich von statten ging, daß sie in vierzehn Tagen die Buchstaben alle richtig anzeigen konnte, wenn ich ihr dieselben sowohl in als außer der Reihe zurief. Sobald sie die Buchstaben gefasset hatte, schrieb ich ihr das currente Alphabet auf, und wir gingen sodann die gedruckten und geschriebenen Buchstaben mit einander durch, so daß sie zum innigsten Vergnuͤgen in kurzer Zeit alle diese Buchstaben auf das deutlichste kennete. Den Unterschied zwischen einem harten P und weichen B, und harten T und weichen D ihr begreiflich zu machen, fassete ich sie bei der Hand, und druͤckte bei dem harten Buchstaben ihre Hand feste, und bei dem weichen sanfte. Da nun dieses Zurufen durch den Stock seine gute Wirkung hatte, so machten wir weiter den Versuch, ob sie auch alles durch denselben verstehen koͤnnte; allein vergebens. Sobald es Woͤrter waren, die aus mehreren, als einer Silbe bestunden, konnte sie solche nicht verstehen, ja sogar wenn das Wort aus mehr als drei bis vier Buchstaben bestand, so konnte sie es nicht unterscheiden, außer solche Woͤrter, als Jch, Du, er, Sie, u.d.gl. die konnte ich ihr verstaͤndlich zurufen. Nun mußten wir uns blos ans Schreiben, und an Zeichen, und Bilder halten. Nichts war noͤthiger, als sie durch ein bestaͤndiges liebreiches Betragen so einzu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <div>
            <p><pb facs="#f0093" n="89"/><lb/>
wurde. Dieses ließ uns hoffen, ihr auf                         solche Weise die Buchstaben beizubringen, und kenntlich zu machen, welches                         auch durch die Gnade Gottes so glu&#x0364;cklich von statten ging, daß sie in                         vierzehn Tagen die Buchstaben alle richtig anzeigen konnte, wenn ich ihr                         dieselben sowohl in als außer der Reihe zurief. Sobald sie die Buchstaben                         gefasset hatte, schrieb ich ihr das currente Alphabet auf, und wir gingen                         sodann die gedruckten und geschriebenen Buchstaben mit einander durch, so                         daß sie zum innigsten Vergnu&#x0364;gen in kurzer Zeit alle diese Buchstaben auf das                         deutlichste kennete. Den Unterschied zwischen einem harten P und weichen B,                         und harten T und weichen D ihr begreiflich zu machen, fassete ich sie bei                         der Hand, und dru&#x0364;ckte bei dem harten Buchstaben ihre Hand feste, und bei dem                         weichen sanfte. Da nun dieses Zurufen durch den Stock seine gute Wirkung                         hatte, so machten wir weiter den Versuch, ob sie auch alles durch denselben                         verstehen ko&#x0364;nnte; allein vergebens. Sobald es Wo&#x0364;rter waren, die aus                         mehreren, als einer Silbe bestunden, konnte sie solche nicht verstehen, ja                         sogar wenn das Wort aus mehr als drei bis vier Buchstaben bestand, so konnte                         sie es nicht unterscheiden, außer solche Wo&#x0364;rter, als Jch, Du, er, Sie,                         u.d.gl. die konnte ich ihr versta&#x0364;ndlich zurufen. Nun mußten wir uns blos ans                         Schreiben, und an Zeichen, und Bilder halten. Nichts war no&#x0364;thiger, als sie                         durch ein besta&#x0364;ndiges liebreiches Betragen so einzu-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0093] wurde. Dieses ließ uns hoffen, ihr auf solche Weise die Buchstaben beizubringen, und kenntlich zu machen, welches auch durch die Gnade Gottes so gluͤcklich von statten ging, daß sie in vierzehn Tagen die Buchstaben alle richtig anzeigen konnte, wenn ich ihr dieselben sowohl in als außer der Reihe zurief. Sobald sie die Buchstaben gefasset hatte, schrieb ich ihr das currente Alphabet auf, und wir gingen sodann die gedruckten und geschriebenen Buchstaben mit einander durch, so daß sie zum innigsten Vergnuͤgen in kurzer Zeit alle diese Buchstaben auf das deutlichste kennete. Den Unterschied zwischen einem harten P und weichen B, und harten T und weichen D ihr begreiflich zu machen, fassete ich sie bei der Hand, und druͤckte bei dem harten Buchstaben ihre Hand feste, und bei dem weichen sanfte. Da nun dieses Zurufen durch den Stock seine gute Wirkung hatte, so machten wir weiter den Versuch, ob sie auch alles durch denselben verstehen koͤnnte; allein vergebens. Sobald es Woͤrter waren, die aus mehreren, als einer Silbe bestunden, konnte sie solche nicht verstehen, ja sogar wenn das Wort aus mehr als drei bis vier Buchstaben bestand, so konnte sie es nicht unterscheiden, außer solche Woͤrter, als Jch, Du, er, Sie, u.d.gl. die konnte ich ihr verstaͤndlich zurufen. Nun mußten wir uns blos ans Schreiben, und an Zeichen, und Bilder halten. Nichts war noͤthiger, als sie durch ein bestaͤndiges liebreiches Betragen so einzu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/93
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/93>, abgerufen am 02.05.2024.