Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.Einmal hatte er sich oder jemand anders ihm in den Kopf gesetzt, daß mir der König jährlich 30 Rthlr. für ihn bezahlte; bis ich ihm diese Vorstellung aus dem Kopfe brachte, glaubte er beständig Unrecht zu leiden. Seine Kleidung, Essen, nichts war ihm gut genug, und er hatte mich bei jeder Gelegenheit im Verdacht, daß ich das Königliche Geld unterschlüge, und er darüber leiden müsse. Gegen den König bezeigt er sehr viel Respekt. Wenn man ihm allerlei Fragen thut, was er werden will, und ihn unter andern, durch einen großen Stern, den man auf die Brust zeichnet, frägt, ob er etwa König werden wolle, so macht er dabei eine Miene, wie bei einer delikaten und gefährlichen Sache, und bezeichnet, daß ihm alsdann der Kopf werde vor die Füße gelegt werden. Als das erste Stück dieses Magazins herausgekommen war, so ich ihm seinen Nahmen in demselben, den er wegen der Aehnlichkeit der gedruckten mit den geschriebnen Buchstaben sogleich erkannte, und dieß that eine ganz außerordentliche Wirkung auf ihn. Allen, die er kannte, zeigte er mit Verwundrung und Freude seinen Nahmen in einem gedruckten Buche. Jch bezeichnete ihm nun, daß einige Seiten bloß von ihm handelten, und er fand auch hier die Buchstaben b, d, f, u.s.w., die er zuerst hatte aussprechen lernen, besonders gedruckt, dieß vermehrte noch seine Verwunderung. Als ich ihm aber am Ende des Aufsatzes die Wör- Einmal hatte er sich oder jemand anders ihm in den Kopf gesetzt, daß mir der Koͤnig jaͤhrlich 30 Rthlr. fuͤr ihn bezahlte; bis ich ihm diese Vorstellung aus dem Kopfe brachte, glaubte er bestaͤndig Unrecht zu leiden. Seine Kleidung, Essen, nichts war ihm gut genug, und er hatte mich bei jeder Gelegenheit im Verdacht, daß ich das Koͤnigliche Geld unterschluͤge, und er daruͤber leiden muͤsse. Gegen den Koͤnig bezeigt er sehr viel Respekt. Wenn man ihm allerlei Fragen thut, was er werden will, und ihn unter andern, durch einen großen Stern, den man auf die Brust zeichnet, fraͤgt, ob er etwa Koͤnig werden wolle, so macht er dabei eine Miene, wie bei einer delikaten und gefaͤhrlichen Sache, und bezeichnet, daß ihm alsdann der Kopf werde vor die Fuͤße gelegt werden. Als das erste Stuͤck dieses Magazins herausgekommen war, so ich ihm seinen Nahmen in demselben, den er wegen der Aehnlichkeit der gedruckten mit den geschriebnen Buchstaben sogleich erkannte, und dieß that eine ganz außerordentliche Wirkung auf ihn. Allen, die er kannte, zeigte er mit Verwundrung und Freude seinen Nahmen in einem gedruckten Buche. Jch bezeichnete ihm nun, daß einige Seiten bloß von ihm handelten, und er fand auch hier die Buchstaben b, d, f, u.s.w., die er zuerst hatte aussprechen lernen, besonders gedruckt, dieß vermehrte noch seine Verwunderung. Als ich ihm aber am Ende des Aufsatzes die Woͤr- <TEI> <text> <body> <div> <div> <pb facs="#f0085" n="81"/><lb/> <p>Einmal hatte er sich oder jemand anders ihm in den Kopf gesetzt, daß mir der Koͤnig jaͤhrlich 30 Rthlr. fuͤr ihn bezahlte; bis ich ihm diese Vorstellung aus dem Kopfe brachte, glaubte er bestaͤndig Unrecht zu leiden. Seine Kleidung, Essen, nichts war ihm gut genug, und er hatte mich bei jeder Gelegenheit im Verdacht, daß ich das Koͤnigliche Geld unterschluͤge, und er daruͤber leiden muͤsse. </p> <p>Gegen den Koͤnig bezeigt er sehr viel Respekt. Wenn man ihm allerlei Fragen thut, was er werden will, und ihn unter andern, durch einen großen Stern, den man auf die Brust zeichnet, fraͤgt, ob er etwa Koͤnig werden wolle, so macht er dabei eine Miene, wie bei einer delikaten und gefaͤhrlichen Sache, und bezeichnet, daß ihm alsdann der Kopf werde vor die Fuͤße gelegt werden. </p> <p>Als das erste Stuͤck dieses Magazins herausgekommen war, so ich ihm seinen Nahmen in demselben, den er wegen der Aehnlichkeit der gedruckten mit den geschriebnen Buchstaben sogleich erkannte, und dieß that eine ganz außerordentliche Wirkung auf ihn. Allen, die er kannte, zeigte er mit Verwundrung und Freude seinen Nahmen in einem gedruckten Buche. Jch bezeichnete ihm nun, daß einige Seiten bloß von ihm handelten, und er fand auch hier die Buchstaben b, d, f, u.s.w., die er zuerst hatte aussprechen lernen, besonders gedruckt, dieß vermehrte noch seine Verwunderung. Als ich ihm aber am Ende des Aufsatzes die Woͤr-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [81/0085]
Einmal hatte er sich oder jemand anders ihm in den Kopf gesetzt, daß mir der Koͤnig jaͤhrlich 30 Rthlr. fuͤr ihn bezahlte; bis ich ihm diese Vorstellung aus dem Kopfe brachte, glaubte er bestaͤndig Unrecht zu leiden. Seine Kleidung, Essen, nichts war ihm gut genug, und er hatte mich bei jeder Gelegenheit im Verdacht, daß ich das Koͤnigliche Geld unterschluͤge, und er daruͤber leiden muͤsse.
Gegen den Koͤnig bezeigt er sehr viel Respekt. Wenn man ihm allerlei Fragen thut, was er werden will, und ihn unter andern, durch einen großen Stern, den man auf die Brust zeichnet, fraͤgt, ob er etwa Koͤnig werden wolle, so macht er dabei eine Miene, wie bei einer delikaten und gefaͤhrlichen Sache, und bezeichnet, daß ihm alsdann der Kopf werde vor die Fuͤße gelegt werden.
Als das erste Stuͤck dieses Magazins herausgekommen war, so ich ihm seinen Nahmen in demselben, den er wegen der Aehnlichkeit der gedruckten mit den geschriebnen Buchstaben sogleich erkannte, und dieß that eine ganz außerordentliche Wirkung auf ihn. Allen, die er kannte, zeigte er mit Verwundrung und Freude seinen Nahmen in einem gedruckten Buche. Jch bezeichnete ihm nun, daß einige Seiten bloß von ihm handelten, und er fand auch hier die Buchstaben b, d, f, u.s.w., die er zuerst hatte aussprechen lernen, besonders gedruckt, dieß vermehrte noch seine Verwunderung. Als ich ihm aber am Ende des Aufsatzes die Woͤr-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/85>, abgerufen am 16.07.2024. |