Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.
Das beste Mittel wider dieses Uebel ist, meiner Erfahrung nach, folgendes: Man gewöhne sich frühzeitig niemals anders, als laut und langsam zu lesen, und vornehmlich nicht mit den Augen zuvoreilen, und das Folgende zu schnell vorausnehmen zu wollen. Man belege sich vielmehr das Folgende mit der Hand, und lasse Silbe nach Silbe, so wie sie ausgesprochen werden soll, erst in die Augen fallen. Hierdurch werden nicht nur fremde Vorstellungen entfernt, sondern hauptsächlich das Zuvoreilen späterer Begriffe verhindert, welches in den mehresten Fällen die Ursache des Stotterns zu seyn pflegt. Anfangs wird diese Uebung am besten mit solchen Sachen vorzunehmen seyn, die noch unbekannt sind, davon man also das Folgende nicht aus dem Gedächtnisse vorausnehmen kann. Nach und nach versuche man es mit bekanntern Sachen. Man wiederhole die Bemühung öfters in Gegenwart andrer und vornehmlich solcher Personen, denen man Ehrerbietung schuldig ist, und zu gefallen Ursache hat. Dadurch wird die Seele in der Fertigkeit gestärkt, ihre Jdeenreihe in Ordnung zu halten, und alle fremden und unzweckmäßigen Vorstellungen zu entfernen. Jn den übrigen Gliedmaßen der freiwilligen Bewegung kann sich etwas ähnliches zutragen, als
Das beste Mittel wider dieses Uebel ist, meiner Erfahrung nach, folgendes: Man gewoͤhne sich fruͤhzeitig niemals anders, als laut und langsam zu lesen, und vornehmlich nicht mit den Augen zuvoreilen, und das Folgende zu schnell vorausnehmen zu wollen. Man belege sich vielmehr das Folgende mit der Hand, und lasse Silbe nach Silbe, so wie sie ausgesprochen werden soll, erst in die Augen fallen. Hierdurch werden nicht nur fremde Vorstellungen entfernt, sondern hauptsaͤchlich das Zuvoreilen spaͤterer Begriffe verhindert, welches in den mehresten Faͤllen die Ursache des Stotterns zu seyn pflegt. Anfangs wird diese Uebung am besten mit solchen Sachen vorzunehmen seyn, die noch unbekannt sind, davon man also das Folgende nicht aus dem Gedaͤchtnisse vorausnehmen kann. Nach und nach versuche man es mit bekanntern Sachen. Man wiederhole die Bemuͤhung oͤfters in Gegenwart andrer und vornehmlich solcher Personen, denen man Ehrerbietung schuldig ist, und zu gefallen Ursache hat. Dadurch wird die Seele in der Fertigkeit gestaͤrkt, ihre Jdeenreihe in Ordnung zu halten, und alle fremden und unzweckmaͤßigen Vorstellungen zu entfernen. Jn den uͤbrigen Gliedmaßen der freiwilligen Bewegung kann sich etwas aͤhnliches zutragen, als <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0065" n="61"/><lb/> Bewegung ein Hinderniß, das im Wege liegt, leichter zu uͤberkommen ist, wenn wir ausholen, und mit der moͤglichsten Geschwindigkeit darauf zueilen. </p> <p>Das beste Mittel wider dieses Uebel ist, meiner Erfahrung nach, folgendes: Man gewoͤhne sich fruͤhzeitig niemals anders, als laut und langsam zu lesen, und vornehmlich nicht mit den Augen zuvoreilen, und das Folgende zu schnell vorausnehmen zu wollen. Man belege sich vielmehr das Folgende mit der Hand, und lasse Silbe nach Silbe, so wie sie ausgesprochen werden soll, erst in die Augen fallen. Hierdurch werden nicht nur fremde Vorstellungen entfernt, sondern hauptsaͤchlich das Zuvoreilen spaͤterer Begriffe verhindert, welches in den mehresten Faͤllen die Ursache des Stotterns zu seyn pflegt. Anfangs wird diese Uebung am besten mit solchen Sachen vorzunehmen seyn, die noch unbekannt sind, davon man also das Folgende nicht aus dem Gedaͤchtnisse vorausnehmen kann. Nach und nach versuche man es mit bekanntern Sachen. Man wiederhole die Bemuͤhung oͤfters in Gegenwart andrer und vornehmlich solcher Personen, denen man Ehrerbietung schuldig ist, und zu gefallen Ursache hat. Dadurch wird die Seele in der Fertigkeit gestaͤrkt, ihre Jdeenreihe in Ordnung zu halten, und alle fremden und unzweckmaͤßigen Vorstellungen zu entfernen. </p> <p>Jn den uͤbrigen Gliedmaßen der freiwilligen Bewegung kann sich etwas aͤhnliches zutragen, als<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0065]
Bewegung ein Hinderniß, das im Wege liegt, leichter zu uͤberkommen ist, wenn wir ausholen, und mit der moͤglichsten Geschwindigkeit darauf zueilen.
Das beste Mittel wider dieses Uebel ist, meiner Erfahrung nach, folgendes: Man gewoͤhne sich fruͤhzeitig niemals anders, als laut und langsam zu lesen, und vornehmlich nicht mit den Augen zuvoreilen, und das Folgende zu schnell vorausnehmen zu wollen. Man belege sich vielmehr das Folgende mit der Hand, und lasse Silbe nach Silbe, so wie sie ausgesprochen werden soll, erst in die Augen fallen. Hierdurch werden nicht nur fremde Vorstellungen entfernt, sondern hauptsaͤchlich das Zuvoreilen spaͤterer Begriffe verhindert, welches in den mehresten Faͤllen die Ursache des Stotterns zu seyn pflegt. Anfangs wird diese Uebung am besten mit solchen Sachen vorzunehmen seyn, die noch unbekannt sind, davon man also das Folgende nicht aus dem Gedaͤchtnisse vorausnehmen kann. Nach und nach versuche man es mit bekanntern Sachen. Man wiederhole die Bemuͤhung oͤfters in Gegenwart andrer und vornehmlich solcher Personen, denen man Ehrerbietung schuldig ist, und zu gefallen Ursache hat. Dadurch wird die Seele in der Fertigkeit gestaͤrkt, ihre Jdeenreihe in Ordnung zu halten, und alle fremden und unzweckmaͤßigen Vorstellungen zu entfernen.
Jn den uͤbrigen Gliedmaßen der freiwilligen Bewegung kann sich etwas aͤhnliches zutragen, als
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/65>, abgerufen am 16.07.2024. |