Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite


nem Lächeln festhält, ein aber schreibt dem Lächeln seine Grenzen vor, daß es nicht öfter wiederholt wird; oft hingegen würde diese Grenzen der Wiederholung ganz unbestimmt gelassen haben.

Die regelmäßige Wiederholung einer und eben derselben Verändrung in der Natur, nach einer eben so regelmäßigen Unterbrechung, war es, welche den Begrif von Zahl zuerst erweckte; wäre die Unterbrechung nicht gewesen, so würde alles in eins geflossen seyn.

Unsre Vorstellungen von den wirklichen Dingen müssen sich ferner an dem Begriffe des Ortes festhalten; dieses ist ein großer Begrif, welcher jedesmal die Vorstellung von der ganzen Welt in sich faßt. Wenn es von der Hütte heißt, daß sie neben einem Bache stand, so hört unsre Vorstellung da nicht auf, sondern wir müssen dem Bache wiederum neben etwas andern seinen Platz anweisen, und das geht so fort, bis wir mit unsern Gedanken die ganze Welt und den Zusammenhang aller Dinge umfaßt haben, und nun in diesem Zusammenhange aller Dinge, auch der Hütte ihren wirklichen Platz anweisen.

Jndem wir sagen, die Hütte steht da, so schränken wir sie grade auf den Raum ein, den sie einnimmt, eben so wie wir bei jetzt dasjenige, was geschiehet, gerade auf den kleinen Zeitpunkt einschränken, worinn es wirklich geschiehet, und uns demohngeachtet den Zusammenhang alles Vergang-


nem Laͤcheln festhaͤlt, ein aber schreibt dem Laͤcheln seine Grenzen vor, daß es nicht oͤfter wiederholt wird; oft hingegen wuͤrde diese Grenzen der Wiederholung ganz unbestimmt gelassen haben.

Die regelmaͤßige Wiederholung einer und eben derselben Veraͤndrung in der Natur, nach einer eben so regelmaͤßigen Unterbrechung, war es, welche den Begrif von Zahl zuerst erweckte; waͤre die Unterbrechung nicht gewesen, so wuͤrde alles in eins geflossen seyn.

Unsre Vorstellungen von den wirklichen Dingen muͤssen sich ferner an dem Begriffe des Ortes festhalten; dieses ist ein großer Begrif, welcher jedesmal die Vorstellung von der ganzen Welt in sich faßt. Wenn es von der Huͤtte heißt, daß sie neben einem Bache stand, so hoͤrt unsre Vorstellung da nicht auf, sondern wir muͤssen dem Bache wiederum neben etwas andern seinen Platz anweisen, und das geht so fort, bis wir mit unsern Gedanken die ganze Welt und den Zusammenhang aller Dinge umfaßt haben, und nun in diesem Zusammenhange aller Dinge, auch der Huͤtte ihren wirklichen Platz anweisen.

Jndem wir sagen, die Huͤtte steht da, so schraͤnken wir sie grade auf den Raum ein, den sie einnimmt, eben so wie wir bei jetzt dasjenige, was geschiehet, gerade auf den kleinen Zeitpunkt einschraͤnken, worinn es wirklich geschiehet, und uns demohngeachtet den Zusammenhang alles Vergang-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0128" n="124"/><lb/>
nem La&#x0364;cheln festha&#x0364;lt, <hi rendition="#b">ein</hi> aber schreibt dem La&#x0364;cheln seine Grenzen vor, daß es                         nicht o&#x0364;fter wiederholt wird; <hi rendition="#b">oft</hi> hingegen wu&#x0364;rde diese                         Grenzen der Wiederholung ganz unbestimmt gelassen haben. </p>
        <p>Die regelma&#x0364;ßige Wiederholung einer und eben derselben                         Vera&#x0364;ndrung in der Natur, nach einer eben so regelma&#x0364;ßigen Unterbrechung, war                         es, welche den Begrif von Zahl zuerst erweckte; wa&#x0364;re die Unterbrechung nicht                         gewesen, so wu&#x0364;rde alles in eins geflossen seyn. </p>
        <p>Unsre Vorstellungen von den wirklichen Dingen mu&#x0364;ssen sich                         ferner an dem Begriffe des <hi rendition="#b">Ortes</hi> festhalten; dieses                         ist ein großer Begrif, welcher jedesmal die Vorstellung von der ganzen Welt                         in sich faßt. Wenn es von der Hu&#x0364;tte heißt, daß sie neben einem Bache stand,                         so ho&#x0364;rt unsre Vorstellung da nicht auf, sondern wir mu&#x0364;ssen dem Bache                         wiederum neben etwas andern seinen Platz anweisen, und das geht so fort, bis                         wir mit unsern Gedanken die ganze Welt und den Zusammenhang aller Dinge                         umfaßt haben, und nun in diesem Zusammenhange aller Dinge, auch der Hu&#x0364;tte                         ihren wirklichen Platz anweisen. </p>
        <p>Jndem wir sagen, <hi rendition="#b">die Hu&#x0364;tte steht da,</hi> so                         schra&#x0364;nken wir sie grade auf den Raum ein, den sie einnimmt, eben so wie wir                         bei <hi rendition="#b">jetzt</hi> dasjenige, was geschiehet, gerade auf den                         kleinen Zeitpunkt einschra&#x0364;nken, worinn es wirklich geschiehet, und uns                         demohngeachtet den Zusammenhang alles Vergang-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0128] nem Laͤcheln festhaͤlt, ein aber schreibt dem Laͤcheln seine Grenzen vor, daß es nicht oͤfter wiederholt wird; oft hingegen wuͤrde diese Grenzen der Wiederholung ganz unbestimmt gelassen haben. Die regelmaͤßige Wiederholung einer und eben derselben Veraͤndrung in der Natur, nach einer eben so regelmaͤßigen Unterbrechung, war es, welche den Begrif von Zahl zuerst erweckte; waͤre die Unterbrechung nicht gewesen, so wuͤrde alles in eins geflossen seyn. Unsre Vorstellungen von den wirklichen Dingen muͤssen sich ferner an dem Begriffe des Ortes festhalten; dieses ist ein großer Begrif, welcher jedesmal die Vorstellung von der ganzen Welt in sich faßt. Wenn es von der Huͤtte heißt, daß sie neben einem Bache stand, so hoͤrt unsre Vorstellung da nicht auf, sondern wir muͤssen dem Bache wiederum neben etwas andern seinen Platz anweisen, und das geht so fort, bis wir mit unsern Gedanken die ganze Welt und den Zusammenhang aller Dinge umfaßt haben, und nun in diesem Zusammenhange aller Dinge, auch der Huͤtte ihren wirklichen Platz anweisen. Jndem wir sagen, die Huͤtte steht da, so schraͤnken wir sie grade auf den Raum ein, den sie einnimmt, eben so wie wir bei jetzt dasjenige, was geschiehet, gerade auf den kleinen Zeitpunkt einschraͤnken, worinn es wirklich geschiehet, und uns demohngeachtet den Zusammenhang alles Vergang-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/128
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/128>, abgerufen am 01.05.2024.