Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite


die auch meine Freunde waren, daß ich mich wirklich in meiner Stube befinde, waren vergebens; die Darzeigung meiner Bücher, an denen ich dichte lag, meiner Kupferstiche, die mir gegenüber hingen, war mir blosser Betrug dieser Leute. Bald hielt ich weder Bücher noch Kupfer für die meinigen, bald glaubte ich, man hätte sie an die Oerter meines Aufenthalts hingebracht. Diese Jdee war für mich die schrecklichste, die, wenn sie nicht endlich nach acht Tagen unterbrochen worden wäre, mir gewiß den Tod zuwege gebracht hätte. Jch schreibe ihr allein mit sehr vielem Grunde meine völlige Schlaflosigkeit zu.

Den Ursprung dieser Einbildung leite ich bloß von der wirklichen örtlichen Veränderung meiner gewöhnlichen Schlafstätte während meiner Krankheit her. Es ist eine bekannte Sache, daß wir die erste Nacht in einem fremden Bette oder in einer fremden Stube, selbst im gesunden Zustande, schlaflos und unruhig zubringen. Der Mangel der gewöhnten Gegenstände, deren Vorstellung, die Seele bei ihrem Geschäft, (denn Geschäft kann man die willkührliche Herabspannung der Nerven und Unterdrückung der lebhaften Jdeen bei gesundem Gehirn, allerdings nennen) des Zurückziehens aus dem Gewebe der Jdeen, zu begleiten pflegt, von der einen Seite, und die stärkere Wirkung der neuen und ungewöhnlichen Gegenstände von der andren Seite, beides fesselt die Aufmerksamkeit


die auch meine Freunde waren, daß ich mich wirklich in meiner Stube befinde, waren vergebens; die Darzeigung meiner Buͤcher, an denen ich dichte lag, meiner Kupferstiche, die mir gegenuͤber hingen, war mir blosser Betrug dieser Leute. Bald hielt ich weder Buͤcher noch Kupfer fuͤr die meinigen, bald glaubte ich, man haͤtte sie an die Oerter meines Aufenthalts hingebracht. Diese Jdee war fuͤr mich die schrecklichste, die, wenn sie nicht endlich nach acht Tagen unterbrochen worden waͤre, mir gewiß den Tod zuwege gebracht haͤtte. Jch schreibe ihr allein mit sehr vielem Grunde meine voͤllige Schlaflosigkeit zu.

Den Ursprung dieser Einbildung leite ich bloß von der wirklichen oͤrtlichen Veraͤnderung meiner gewoͤhnlichen Schlafstaͤtte waͤhrend meiner Krankheit her. Es ist eine bekannte Sache, daß wir die erste Nacht in einem fremden Bette oder in einer fremden Stube, selbst im gesunden Zustande, schlaflos und unruhig zubringen. Der Mangel der gewoͤhnten Gegenstaͤnde, deren Vorstellung, die Seele bei ihrem Geschaͤft, (denn Geschaͤft kann man die willkuͤhrliche Herabspannung der Nerven und Unterdruͤckung der lebhaften Jdeen bei gesundem Gehirn, allerdings nennen) des Zuruͤckziehens aus dem Gewebe der Jdeen, zu begleiten pflegt, von der einen Seite, und die staͤrkere Wirkung der neuen und ungewoͤhnlichen Gegenstaͤnde von der andren Seite, beides fesselt die Aufmerksamkeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0060" n="56"/><lb/>
die auch meine Freunde waren, daß ich mich wirklich in                         meiner Stube befinde, waren vergebens; die Darzeigung meiner Bu&#x0364;cher, an                         denen ich dichte lag, meiner Kupferstiche, die mir gegenu&#x0364;ber hingen, war mir                         blosser Betrug dieser Leute. Bald hielt ich weder Bu&#x0364;cher noch Kupfer fu&#x0364;r die                         meinigen, bald glaubte ich, man ha&#x0364;tte sie an die Oerter meines Aufenthalts                         hingebracht. Diese Jdee war fu&#x0364;r mich die schrecklichste, die, wenn sie nicht                         endlich nach acht Tagen unterbrochen worden wa&#x0364;re, mir gewiß den Tod zuwege                         gebracht ha&#x0364;tte. Jch schreibe <hi rendition="#b">ihr</hi> allein mit sehr                         vielem Grunde meine vo&#x0364;llige Schlaflosigkeit zu. </p>
          <p>Den Ursprung dieser Einbildung leite ich bloß von der wirklichen o&#x0364;rtlichen                         Vera&#x0364;nderung meiner gewo&#x0364;hnlichen Schlafsta&#x0364;tte wa&#x0364;hrend meiner Krankheit her.                         Es ist eine bekannte Sache, daß wir die erste Nacht in einem fremden Bette                         oder in einer fremden Stube, selbst im gesunden Zustande, schlaflos und                         unruhig zubringen. Der Mangel der gewo&#x0364;hnten Gegensta&#x0364;nde, deren Vorstellung,                         die Seele bei ihrem Gescha&#x0364;ft, (denn <hi rendition="#b">Gescha&#x0364;ft</hi> kann                         man die willku&#x0364;hrliche Herabspannung der Nerven und Unterdru&#x0364;ckung der                         lebhaften Jdeen bei gesundem Gehirn, allerdings nennen) des Zuru&#x0364;ckziehens                         aus dem Gewebe der Jdeen, zu begleiten pflegt, von der einen Seite, und die                         sta&#x0364;rkere Wirkung der neuen und ungewo&#x0364;hnlichen Gegensta&#x0364;nde von der andren                         Seite, beides fesselt die Aufmerksamkeit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0060] die auch meine Freunde waren, daß ich mich wirklich in meiner Stube befinde, waren vergebens; die Darzeigung meiner Buͤcher, an denen ich dichte lag, meiner Kupferstiche, die mir gegenuͤber hingen, war mir blosser Betrug dieser Leute. Bald hielt ich weder Buͤcher noch Kupfer fuͤr die meinigen, bald glaubte ich, man haͤtte sie an die Oerter meines Aufenthalts hingebracht. Diese Jdee war fuͤr mich die schrecklichste, die, wenn sie nicht endlich nach acht Tagen unterbrochen worden waͤre, mir gewiß den Tod zuwege gebracht haͤtte. Jch schreibe ihr allein mit sehr vielem Grunde meine voͤllige Schlaflosigkeit zu. Den Ursprung dieser Einbildung leite ich bloß von der wirklichen oͤrtlichen Veraͤnderung meiner gewoͤhnlichen Schlafstaͤtte waͤhrend meiner Krankheit her. Es ist eine bekannte Sache, daß wir die erste Nacht in einem fremden Bette oder in einer fremden Stube, selbst im gesunden Zustande, schlaflos und unruhig zubringen. Der Mangel der gewoͤhnten Gegenstaͤnde, deren Vorstellung, die Seele bei ihrem Geschaͤft, (denn Geschaͤft kann man die willkuͤhrliche Herabspannung der Nerven und Unterdruͤckung der lebhaften Jdeen bei gesundem Gehirn, allerdings nennen) des Zuruͤckziehens aus dem Gewebe der Jdeen, zu begleiten pflegt, von der einen Seite, und die staͤrkere Wirkung der neuen und ungewoͤhnlichen Gegenstaͤnde von der andren Seite, beides fesselt die Aufmerksamkeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/60
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/60>, abgerufen am 24.11.2024.