Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Den 20sten wandelte ich läßig in meiner Stube herum; bald warf ich mich auf den Sopha, bald stand ich wieder auf; mein drückender Kopfschmerz hielt an; es kam dazu ein Druck auf den Sehnerven. Jch spürte etwas Fieber im Puls, und Schwere in allen Gliedern, und Unlust an allen Gegenständen meiner sonstigen Neigung. Jch hielt es vor ein Katarrhalfieber und verschrieb mir eine temperirende Mixtur. Des Abends nahm dieses Krankheitsgefühl zu. Jch fühlte deutlich die Annäherung einer überaus schweren Krankheit in meinem Körper, von der ich nichts geringeres (warum weiß ich selbst nicht) als den Tod mir vorstellte. Jch sprach auch beständig, wiewohl in einer gleichgültigen Laune, die beinahe an die fröhliche gränzte, vom Sterben, und als denselben Abend der Assessor R.. mich besuchte, und mir für mein Collegium pränumerirte, weigerte ich mich ernstlich das Geld anzunehmen. Jch habe erst zwölf Stunden gelesen, mein Freund, sagte ich ihm, und wer
Den 20sten wandelte ich laͤßig in meiner Stube herum; bald warf ich mich auf den Sopha, bald stand ich wieder auf; mein druͤckender Kopfschmerz hielt an; es kam dazu ein Druck auf den Sehnerven. Jch spuͤrte etwas Fieber im Puls, und Schwere in allen Gliedern, und Unlust an allen Gegenstaͤnden meiner sonstigen Neigung. Jch hielt es vor ein Katarrhalfieber und verschrieb mir eine temperirende Mixtur. Des Abends nahm dieses Krankheitsgefuͤhl zu. Jch fuͤhlte deutlich die Annaͤherung einer uͤberaus schweren Krankheit in meinem Koͤrper, von der ich nichts geringeres (warum weiß ich selbst nicht) als den Tod mir vorstellte. Jch sprach auch bestaͤndig, wiewohl in einer gleichguͤltigen Laune, die beinahe an die froͤhliche graͤnzte, vom Sterben, und als denselben Abend der Assessor R.. mich besuchte, und mir fuͤr mein Collegium praͤnumerirte, weigerte ich mich ernstlich das Geld anzunehmen. Jch habe erst zwoͤlf Stunden gelesen, mein Freund, sagte ich ihm, und wer <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0053" n="49"/><lb/> fahrung kannte, und daß ich Jhnen auch nicht beschreiben kann. Mein Kopfschmerz am Hinterhaupt fing heftig an; ich ward mit einmal laͤßig und niedergeschlagen; empfand einen geringen Schauer; der Toback wollte nicht schmecken; Essen und Menschen und Welt waren mir gleichguͤltig oder gar zuwider. Jch konnte nicht aufdauren. Die Nacht ward unruhig und schlaflos zugebracht. A.. wachte in meiner Schlafstube. </p> <p>Den 20sten wandelte ich laͤßig in meiner Stube herum; bald warf ich mich auf den Sopha, bald stand ich wieder auf; mein druͤckender Kopfschmerz hielt an; es kam dazu ein Druck auf den Sehnerven. Jch spuͤrte etwas Fieber im Puls, und Schwere in allen Gliedern, und Unlust an allen Gegenstaͤnden meiner sonstigen Neigung. Jch hielt es vor ein Katarrhalfieber und verschrieb mir eine temperirende Mixtur. Des Abends nahm dieses Krankheitsgefuͤhl zu. Jch fuͤhlte deutlich die Annaͤherung einer uͤberaus schweren Krankheit in meinem Koͤrper, von der ich nichts geringeres (warum weiß ich selbst nicht) als den Tod mir vorstellte. Jch sprach auch bestaͤndig, wiewohl in einer gleichguͤltigen Laune, die beinahe an die froͤhliche graͤnzte, vom Sterben, und als denselben Abend der Assessor R.. mich besuchte, und mir fuͤr mein Collegium praͤnumerirte, weigerte ich mich ernstlich das Geld anzunehmen. <hi rendition="#b">Jch habe erst zwoͤlf Stunden gelesen, mein Freund,</hi> sagte ich ihm, <hi rendition="#b">und wer<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0053]
fahrung kannte, und daß ich Jhnen auch nicht beschreiben kann. Mein Kopfschmerz am Hinterhaupt fing heftig an; ich ward mit einmal laͤßig und niedergeschlagen; empfand einen geringen Schauer; der Toback wollte nicht schmecken; Essen und Menschen und Welt waren mir gleichguͤltig oder gar zuwider. Jch konnte nicht aufdauren. Die Nacht ward unruhig und schlaflos zugebracht. A.. wachte in meiner Schlafstube.
Den 20sten wandelte ich laͤßig in meiner Stube herum; bald warf ich mich auf den Sopha, bald stand ich wieder auf; mein druͤckender Kopfschmerz hielt an; es kam dazu ein Druck auf den Sehnerven. Jch spuͤrte etwas Fieber im Puls, und Schwere in allen Gliedern, und Unlust an allen Gegenstaͤnden meiner sonstigen Neigung. Jch hielt es vor ein Katarrhalfieber und verschrieb mir eine temperirende Mixtur. Des Abends nahm dieses Krankheitsgefuͤhl zu. Jch fuͤhlte deutlich die Annaͤherung einer uͤberaus schweren Krankheit in meinem Koͤrper, von der ich nichts geringeres (warum weiß ich selbst nicht) als den Tod mir vorstellte. Jch sprach auch bestaͤndig, wiewohl in einer gleichguͤltigen Laune, die beinahe an die froͤhliche graͤnzte, vom Sterben, und als denselben Abend der Assessor R.. mich besuchte, und mir fuͤr mein Collegium praͤnumerirte, weigerte ich mich ernstlich das Geld anzunehmen. Jch habe erst zwoͤlf Stunden gelesen, mein Freund, sagte ich ihm, und wer
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/53>, abgerufen am 27.07.2024. |