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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.

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zählt, der, nachdem sein Bruder, mit dem er in Uneinigkeit lebte, ihn auf freiem Felde begegnet, und auf ihn ein Pistol losgedrückt hatte, welches aber glücklicherweise versagte, sich endlich entschloß von der Welt sich zu entfernen, und in der großen Stadt L. in Einsamkeit zu leben, und in diesem Entschlusse beharrte er auch bis ans Ende seines Lebens. Seine nach den Grundsätzen der Weisheit und Tugend gewählte Einrichtung und Lebensart ist sehr merkwürdig.


72 folg.

Ein Mann gieng mit noch etlichen guten Freunden eine Pulvermühle zu besehen. Als sie auf dem Weg waren, und sich mit mancherlei Gesprächen unterhielten, fieng dieser Mann auf einmal an in seiner Rede zu stocken, und verfiel in die tiefste Schwermuth. Seine innere Herzensangst nahm mit jedem Schritt zu. Man untersuchte, ob nicht einer unter ihnen etwas Feuerfangendes bei sich habe. Aber es fand sich nichts. Als er endlich über die Thürschwelle geschritten war, stieg seine Angst am höchsten, und er schwitzte am ganzen Leibe. Er bat die ganze Gesellschaft um Gotteswillen, sich mit ihm in möglichster Geschwindigkeit zu retiriren. Dieses geschahe.

Sie waren kaum tausend Schritte von der Mühle weg, als -- sie in die Luft sprang.


zaͤhlt, der, nachdem sein Bruder, mit dem er in Uneinigkeit lebte, ihn auf freiem Felde begegnet, und auf ihn ein Pistol losgedruͤckt hatte, welches aber gluͤcklicherweise versagte, sich endlich entschloß von der Welt sich zu entfernen, und in der großen Stadt L. in Einsamkeit zu leben, und in diesem Entschlusse beharrte er auch bis ans Ende seines Lebens. Seine nach den Grundsaͤtzen der Weisheit und Tugend gewaͤhlte Einrichtung und Lebensart ist sehr merkwuͤrdig.


72 folg.

Ein Mann gieng mit noch etlichen guten Freunden eine Pulvermuͤhle zu besehen. Als sie auf dem Weg waren, und sich mit mancherlei Gespraͤchen unterhielten, fieng dieser Mann auf einmal an in seiner Rede zu stocken, und verfiel in die tiefste Schwermuth. Seine innere Herzensangst nahm mit jedem Schritt zu. Man untersuchte, ob nicht einer unter ihnen etwas Feuerfangendes bei sich habe. Aber es fand sich nichts. Als er endlich uͤber die Thuͤrschwelle geschritten war, stieg seine Angst am hoͤchsten, und er schwitzte am ganzen Leibe. Er bat die ganze Gesellschaft um Gotteswillen, sich mit ihm in moͤglichster Geschwindigkeit zu retiriren. Dieses geschahe.

Sie waren kaum tausend Schritte von der Muͤhle weg, als — sie in die Luft sprang.

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[81/0081] zaͤhlt, der, nachdem sein Bruder, mit dem er in Uneinigkeit lebte, ihn auf freiem Felde begegnet, und auf ihn ein Pistol losgedruͤckt hatte, welches aber gluͤcklicherweise versagte, sich endlich entschloß von der Welt sich zu entfernen, und in der großen Stadt L. in Einsamkeit zu leben, und in diesem Entschlusse beharrte er auch bis ans Ende seines Lebens. Seine nach den Grundsaͤtzen der Weisheit und Tugend gewaͤhlte Einrichtung und Lebensart ist sehr merkwuͤrdig. 72 folg. Ein Mann gieng mit noch etlichen guten Freunden eine Pulvermuͤhle zu besehen. Als sie auf dem Weg waren, und sich mit mancherlei Gespraͤchen unterhielten, fieng dieser Mann auf einmal an in seiner Rede zu stocken, und verfiel in die tiefste Schwermuth. Seine innere Herzensangst nahm mit jedem Schritt zu. Man untersuchte, ob nicht einer unter ihnen etwas Feuerfangendes bei sich habe. Aber es fand sich nichts. Als er endlich uͤber die Thuͤrschwelle geschritten war, stieg seine Angst am hoͤchsten, und er schwitzte am ganzen Leibe. Er bat die ganze Gesellschaft um Gotteswillen, sich mit ihm in moͤglichster Geschwindigkeit zu retiriren. Dieses geschahe. Sie waren kaum tausend Schritte von der Muͤhle weg, als — sie in die Luft sprang.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/81>, abgerufen am 02.05.2024.