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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.

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Zweites Stück.
80-86.

Eine Frau von ohngefähr sechzig Jahren hat seit ihrem funfzehnten Jahre von jedem Todesfall, der sich unter ihren Bekannten und Verwandten ereignete, nicht bloß Ahndung, sondern wirkliche Erscheinung.

Jn ihrem funfzehnten Jahre erschien ihr ihre Großmutter an einem Nachmittag in einem Zimmer, wo sie zu gehen pflegte; sie glaubte auch es sey die Großmutter, redete sie an. Das Bild verschwand vor ihren Augen.

Einige Wochen darauf aber war die Großmutter todt, die bei der Erscheinung noch frisch und gesund war.

Von diesem Zeitpunkte an hat sie öftere Erscheinungen dieser Art gehabt, und die Erfahrung hat sie gelehrt, daß solche zuverlässig den nahen Tod der erscheinenden Personen bedeutet. Die Erscheinungen sind aber nicht immer gleich; bald erscheint die Person ganz, wie sie im Leben ist, bald erscheint ein weißes Bild von ihr.

Ein einzigesmal erschien ihr die Leiche völlig angekleidet im Sarge, von einer lebenden Bekanntin.

Es ist mit dieser Frau so weit, daß wenn jemand krank ist, man sie frägt, ob er wieder wird


Zweites Stuͤck.
80-86.

Eine Frau von ohngefaͤhr sechzig Jahren hat seit ihrem funfzehnten Jahre von jedem Todesfall, der sich unter ihren Bekannten und Verwandten ereignete, nicht bloß Ahndung, sondern wirkliche Erscheinung.

Jn ihrem funfzehnten Jahre erschien ihr ihre Großmutter an einem Nachmittag in einem Zimmer, wo sie zu gehen pflegte; sie glaubte auch es sey die Großmutter, redete sie an. Das Bild verschwand vor ihren Augen.

Einige Wochen darauf aber war die Großmutter todt, die bei der Erscheinung noch frisch und gesund war.

Von diesem Zeitpunkte an hat sie oͤftere Erscheinungen dieser Art gehabt, und die Erfahrung hat sie gelehrt, daß solche zuverlaͤssig den nahen Tod der erscheinenden Personen bedeutet. Die Erscheinungen sind aber nicht immer gleich; bald erscheint die Person ganz, wie sie im Leben ist, bald erscheint ein weißes Bild von ihr.

Ein einzigesmal erschien ihr die Leiche voͤllig angekleidet im Sarge, von einer lebenden Bekanntin.

Es ist mit dieser Frau so weit, daß wenn jemand krank ist, man sie fraͤgt, ob er wieder wird

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[65/0065] Zweites Stuͤck. 80-86. Eine Frau von ohngefaͤhr sechzig Jahren hat seit ihrem funfzehnten Jahre von jedem Todesfall, der sich unter ihren Bekannten und Verwandten ereignete, nicht bloß Ahndung, sondern wirkliche Erscheinung. Jn ihrem funfzehnten Jahre erschien ihr ihre Großmutter an einem Nachmittag in einem Zimmer, wo sie zu gehen pflegte; sie glaubte auch es sey die Großmutter, redete sie an. Das Bild verschwand vor ihren Augen. Einige Wochen darauf aber war die Großmutter todt, die bei der Erscheinung noch frisch und gesund war. Von diesem Zeitpunkte an hat sie oͤftere Erscheinungen dieser Art gehabt, und die Erfahrung hat sie gelehrt, daß solche zuverlaͤssig den nahen Tod der erscheinenden Personen bedeutet. Die Erscheinungen sind aber nicht immer gleich; bald erscheint die Person ganz, wie sie im Leben ist, bald erscheint ein weißes Bild von ihr. Ein einzigesmal erschien ihr die Leiche voͤllig angekleidet im Sarge, von einer lebenden Bekanntin. Es ist mit dieser Frau so weit, daß wenn jemand krank ist, man sie fraͤgt, ob er wieder wird

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/65>, abgerufen am 02.05.2024.