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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.

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sprechen,
in Ansehung der Bedeutung hingegen befindet es sich mit diesem in eben denselben Umständen. Man spreche das Wort Verstand aus, und ztige dabei z.B. auf den Kopf (als den fühlbaren Sitz des Verstandes) das Wort Kopf muß in diesem Falle, als die Benennung des dadurch bezeichneten Theil unsers Körpers, dem Kinde schon bekannt seyn, weil es sonst glauben könnte, daß das Wort Verstand, indem man dabei auf den Kopf zeigt, diesen körperlichen Theil bedeutet. Nun aber denkt es, Verstand kann nicht diesen körperlichen Theil bedeuten, weil dieser schon einmal Kopf heißt, sondern etwas was mit demselben in irgend einer Beziehung steht. Da es aber mehrere Dinge seyn können, die mit dem Kopfe in irgend einer Beziehung stehen, und mehrere Arten dieser Beziehung, so muß das Kind sie alle in seiner Einbildungskraft die Musterung passiren lassen, und alle die Dinge und Beziehungsarten, deren Namen ihm schon bekannt sind, als solche, die das Wort Verstand nicht bedeuten kann, verwerfen, und nur auf diejenige, deren Namen ihm noch unbekannt sind, seine Aufmerksamkeit richten. Dieses läßt noch immer eine Vieldeutigkeit zurück, bis es endlich so viel von der Sprache erlernt hat, daß es gewiß seyn kann, daß dieses Wort nichts anders als dieses Vermögen bedeutet. (Freilich kann das Kind nicht alles dieses deutlich denken, aber es muß doch dunkel in seiner Vorstellungskraft vorgehen.)


sprechen,
in Ansehung der Bedeutung hingegen befindet es sich mit diesem in eben denselben Umstaͤnden. Man spreche das Wort Verstand aus, und ztige dabei z.B. auf den Kopf (als den fuͤhlbaren Sitz des Verstandes) das Wort Kopf muß in diesem Falle, als die Benennung des dadurch bezeichneten Theil unsers Koͤrpers, dem Kinde schon bekannt seyn, weil es sonst glauben koͤnnte, daß das Wort Verstand, indem man dabei auf den Kopf zeigt, diesen koͤrperlichen Theil bedeutet. Nun aber denkt es, Verstand kann nicht diesen koͤrperlichen Theil bedeuten, weil dieser schon einmal Kopf heißt, sondern etwas was mit demselben in irgend einer Beziehung steht. Da es aber mehrere Dinge seyn koͤnnen, die mit dem Kopfe in irgend einer Beziehung stehen, und mehrere Arten dieser Beziehung, so muß das Kind sie alle in seiner Einbildungskraft die Musterung passiren lassen, und alle die Dinge und Beziehungsarten, deren Namen ihm schon bekannt sind, als solche, die das Wort Verstand nicht bedeuten kann, verwerfen, und nur auf diejenige, deren Namen ihm noch unbekannt sind, seine Aufmerksamkeit richten. Dieses laͤßt noch immer eine Vieldeutigkeit zuruͤck, bis es endlich so viel von der Sprache erlernt hat, daß es gewiß seyn kann, daß dieses Wort nichts anders als dieses Vermoͤgen bedeutet. (Freilich kann das Kind nicht alles dieses deutlich denken, aber es muß doch dunkel in seiner Vorstellungskraft vorgehen.)

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[55/0055] sprechen, in Ansehung der Bedeutung hingegen befindet es sich mit diesem in eben denselben Umstaͤnden. Man spreche das Wort Verstand aus, und ztige dabei z.B. auf den Kopf (als den fuͤhlbaren Sitz des Verstandes) das Wort Kopf muß in diesem Falle, als die Benennung des dadurch bezeichneten Theil unsers Koͤrpers, dem Kinde schon bekannt seyn, weil es sonst glauben koͤnnte, daß das Wort Verstand, indem man dabei auf den Kopf zeigt, diesen koͤrperlichen Theil bedeutet. Nun aber denkt es, Verstand kann nicht diesen koͤrperlichen Theil bedeuten, weil dieser schon einmal Kopf heißt, sondern etwas was mit demselben in irgend einer Beziehung steht. Da es aber mehrere Dinge seyn koͤnnen, die mit dem Kopfe in irgend einer Beziehung stehen, und mehrere Arten dieser Beziehung, so muß das Kind sie alle in seiner Einbildungskraft die Musterung passiren lassen, und alle die Dinge und Beziehungsarten, deren Namen ihm schon bekannt sind, als solche, die das Wort Verstand nicht bedeuten kann, verwerfen, und nur auf diejenige, deren Namen ihm noch unbekannt sind, seine Aufmerksamkeit richten. Dieses laͤßt noch immer eine Vieldeutigkeit zuruͤck, bis es endlich so viel von der Sprache erlernt hat, daß es gewiß seyn kann, daß dieses Wort nichts anders als dieses Vermoͤgen bedeutet. (Freilich kann das Kind nicht alles dieses deutlich denken, aber es muß doch dunkel in seiner Vorstellungskraft vorgehen.)

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/55>, abgerufen am 02.05.2024.