Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.
Zweites Stück zur Seelenkrankheitskunde. II. 14-16. Eine Magd aus einem Dorte wurde nach einem, eine kleine Stunde davon entlegenem Orte geschickt, um Fleisch einzukaufen. Sie verrichtete ihren Auftrag, und trat den Rückweg gesund an. Auf einmal kam es ihr vor, als ob es gewaltig hinter ihr rausche, wie das Rauschen vieler Wagen, und mitten in demselben Gerausch tritt ein kleines graues Männchen in Kindesgröße neben sie, und fordert von ihr, daß sie mit ihm gehen solle. Sie antwortet nichts, und geht ihren Weg fort. Die kleine Figur verfolgte sie mit seiner Aufforderung beständig, bis sie in den Hof ihrer Herrschaft anlangte, und als der Kutscher sie fragte, wo sie gewesen sey, erhielt er von ihr die gehörige Antwort. Er sieht ihren kleinen Begleiter nicht, sie aber sieht ihn, und hört noch an der Schloßbrücke zum letztenmale seine Aufforderung mitzugehen; und da sie sich noch immer weigerte, die Drohung, daß sie vier Tage blind und stumm seyn sollte, und damit geht das Männchen seiner Wege. Zweites Stuͤck zur Seelenkrankheitskunde. II. 14-16. Eine Magd aus einem Dorte wurde nach einem, eine kleine Stunde davon entlegenem Orte geschickt, um Fleisch einzukaufen. Sie verrichtete ihren Auftrag, und trat den Ruͤckweg gesund an. Auf einmal kam es ihr vor, als ob es gewaltig hinter ihr rausche, wie das Rauschen vieler Wagen, und mitten in demselben Gerausch tritt ein kleines graues Maͤnnchen in Kindesgroͤße neben sie, und fordert von ihr, daß sie mit ihm gehen solle. Sie antwortet nichts, und geht ihren Weg fort. Die kleine Figur verfolgte sie mit seiner Aufforderung bestaͤndig, bis sie in den Hof ihrer Herrschaft anlangte, und als der Kutscher sie fragte, wo sie gewesen sey, erhielt er von ihr die gehoͤrige Antwort. Er sieht ihren kleinen Begleiter nicht, sie aber sieht ihn, und hoͤrt noch an der Schloßbruͤcke zum letztenmale seine Aufforderung mitzugehen; und da sie sich noch immer weigerte, die Drohung, daß sie vier Tage blind und stumm seyn sollte, und damit geht das Maͤnnchen seiner Wege. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0046" n="46"/><lb/> </div> </div> <div n="2"> <head>Zweites Stuͤck zur Seelenkrankheitskunde.</head><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">II</hi>. 14-16.</head><lb/> <p>Eine Magd aus einem Dorte wurde nach einem, eine kleine Stunde davon entlegenem Orte geschickt, um Fleisch einzukaufen.</p> <p>Sie verrichtete ihren Auftrag, und trat den Ruͤckweg gesund an.</p> <p>Auf einmal kam es ihr vor, als ob es gewaltig hinter ihr rausche, wie das Rauschen vieler Wagen, und mitten in demselben Gerausch tritt ein kleines graues Maͤnnchen in Kindesgroͤße neben sie, und fordert von ihr, daß sie mit ihm gehen solle.</p> <p>Sie antwortet nichts, und geht ihren Weg fort. Die kleine Figur verfolgte sie mit seiner Aufforderung bestaͤndig, bis sie in den Hof ihrer Herrschaft anlangte, und als der Kutscher sie fragte, wo sie gewesen sey, erhielt er von ihr die gehoͤrige Antwort. Er sieht ihren kleinen Begleiter nicht, sie aber sieht ihn, und hoͤrt noch an der Schloßbruͤcke zum letztenmale seine Aufforderung mitzugehen; und da sie sich noch immer weigerte, die Drohung, daß sie vier Tage blind und stumm seyn sollte, und damit geht das Maͤnnchen seiner Wege.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0046]
Zweites Stuͤck zur Seelenkrankheitskunde.
II. 14-16.
Eine Magd aus einem Dorte wurde nach einem, eine kleine Stunde davon entlegenem Orte geschickt, um Fleisch einzukaufen.
Sie verrichtete ihren Auftrag, und trat den Ruͤckweg gesund an.
Auf einmal kam es ihr vor, als ob es gewaltig hinter ihr rausche, wie das Rauschen vieler Wagen, und mitten in demselben Gerausch tritt ein kleines graues Maͤnnchen in Kindesgroͤße neben sie, und fordert von ihr, daß sie mit ihm gehen solle.
Sie antwortet nichts, und geht ihren Weg fort. Die kleine Figur verfolgte sie mit seiner Aufforderung bestaͤndig, bis sie in den Hof ihrer Herrschaft anlangte, und als der Kutscher sie fragte, wo sie gewesen sey, erhielt er von ihr die gehoͤrige Antwort. Er sieht ihren kleinen Begleiter nicht, sie aber sieht ihn, und hoͤrt noch an der Schloßbruͤcke zum letztenmale seine Aufforderung mitzugehen; und da sie sich noch immer weigerte, die Drohung, daß sie vier Tage blind und stumm seyn sollte, und damit geht das Maͤnnchen seiner Wege.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/46 |
| Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/46>, abgerufen am 22.11.2024. |
