Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.
18-28. Ein Schullehrer dem es an philosophischen Kenntnissen nicht mangelte, erhielt wegen Aeusserung einiger sogenannten atheistischen Grundsätze seinen Abschied. Darauf gerieth er in die äußerste Dürftigkeit. Nun war er fest entschlossen, seinem Leben, das ihm verhaßt geworden war, ein Ende zu machen; brachte sich auch in dieser Absicht zwei Stiche mit einem kleinen Federmesser bei, aber ohne Erfolg. Da ihm nun dieser Versuch mislungen war, faßte er den festen Entschluß, sich todt zu hungern, den er mit der schrecklichsten Hartnäckigkeit viele Tage lang durchsetzte; und ob er zwar durch vieles Zureden, dann und wann etwas zu sich zu nehmen bewogen wurde, so behielt doch immer der vorige Entschluß die Oberhand. Da er nun auf diese Art von seinem Entschluß nicht abzubringen war, so gab das Polizeidirektorium einen Befehl, alles anzuwenden, um den Kranken zu bewegen, Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, und ihm besonders, die Versicherung eines Prinzen,
18-28. Ein Schullehrer dem es an philosophischen Kenntnissen nicht mangelte, erhielt wegen Aeusserung einiger sogenannten atheistischen Grundsaͤtze seinen Abschied. Darauf gerieth er in die aͤußerste Duͤrftigkeit. Nun war er fest entschlossen, seinem Leben, das ihm verhaßt geworden war, ein Ende zu machen; brachte sich auch in dieser Absicht zwei Stiche mit einem kleinen Federmesser bei, aber ohne Erfolg. Da ihm nun dieser Versuch mislungen war, faßte er den festen Entschluß, sich todt zu hungern, den er mit der schrecklichsten Hartnaͤckigkeit viele Tage lang durchsetzte; und ob er zwar durch vieles Zureden, dann und wann etwas zu sich zu nehmen bewogen wurde, so behielt doch immer der vorige Entschluß die Oberhand. Da er nun auf diese Art von seinem Entschluß nicht abzubringen war, so gab das Polizeidirektorium einen Befehl, alles anzuwenden, um den Kranken zu bewegen, Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, und ihm besonders, die Versicherung eines Prinzen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0018" n="18"/><lb/> Christenthum, das Paradiesgaͤrtlein, Freilingshausens Gesangbuch,</hi> und <hi rendition="#b">das haͤllische goldne Schatzkaͤstlein.</hi></p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="4"> <head>18-28.</head><lb/> <p>Ein Schullehrer dem es an philosophischen Kenntnissen nicht mangelte, erhielt wegen Aeusserung einiger sogenannten atheistischen Grundsaͤtze seinen Abschied.</p> <p>Darauf gerieth er in die aͤußerste Duͤrftigkeit. Nun war er fest entschlossen, seinem Leben, das ihm verhaßt geworden war, ein Ende zu machen; brachte sich auch in dieser Absicht zwei Stiche mit einem kleinen Federmesser bei, aber ohne Erfolg.</p> <p>Da ihm nun dieser Versuch mislungen war, faßte er den festen Entschluß, sich todt zu hungern, den er mit der schrecklichsten Hartnaͤckigkeit viele Tage lang durchsetzte; und ob er zwar durch vieles Zureden, dann und wann etwas zu sich zu nehmen bewogen wurde, so behielt doch immer der vorige Entschluß die Oberhand.</p> <p>Da er nun auf diese Art von seinem Entschluß nicht abzubringen war, so gab das Polizeidirektorium einen Befehl, alles anzuwenden, um den Kranken zu bewegen, Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, und ihm besonders, die Versicherung eines Prinzen,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0018]
Christenthum, das Paradiesgaͤrtlein, Freilingshausens Gesangbuch, und das haͤllische goldne Schatzkaͤstlein.
18-28.
Ein Schullehrer dem es an philosophischen Kenntnissen nicht mangelte, erhielt wegen Aeusserung einiger sogenannten atheistischen Grundsaͤtze seinen Abschied.
Darauf gerieth er in die aͤußerste Duͤrftigkeit. Nun war er fest entschlossen, seinem Leben, das ihm verhaßt geworden war, ein Ende zu machen; brachte sich auch in dieser Absicht zwei Stiche mit einem kleinen Federmesser bei, aber ohne Erfolg.
Da ihm nun dieser Versuch mislungen war, faßte er den festen Entschluß, sich todt zu hungern, den er mit der schrecklichsten Hartnaͤckigkeit viele Tage lang durchsetzte; und ob er zwar durch vieles Zureden, dann und wann etwas zu sich zu nehmen bewogen wurde, so behielt doch immer der vorige Entschluß die Oberhand.
Da er nun auf diese Art von seinem Entschluß nicht abzubringen war, so gab das Polizeidirektorium einen Befehl, alles anzuwenden, um den Kranken zu bewegen, Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, und ihm besonders, die Versicherung eines Prinzen,
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/18>, abgerufen am 16.02.2025. |