Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


so wie die Unterbrechung dieser Assoziationsreihe ein Merkmal der Nichtwirklichkeit ab. Die Assoziationsart der Aehnlichkeit hingegen kann uns auf keine Wirklichkeit führen. Sie ist bloß idealisch (obgleich objektiv).

Die Assoziationsart der Dependenz ist entweder bloß logisch (als Grund und Folge) oder real (als Ursache und Würkung). Jene führt uns mehr auf die Existenz unsrer selbst, als auf die der äußern Objekte. Mit dieser aber ist es gerade umgekehrt. So wie das unwillkürliche Unterbrechen einer in der Erfahrung gegründeten Assoziationsreihe ein Merkmal des Traumes ist, so ist die willkürliche (zweckmäßige) Unterbrechung oder Fortsetzung einer Assoziationsreihe ein Merkmal des Wachens. Das Nichtunterbrechen aber an sich läßt dieses unbestimmt. Das Prinzip der Moral (die Freiheit des Willens) ist also zugleich das Kriterium des vollständigen Selbstdaseyns. Die Visionen sind von dreierlei Art: 1) simple, 2) allegorische, 3) symbolische u.s.w.


89-96.

Die menschliche Vollkommenheit, und folglich auch Glückseligkeit, bestehet in einer gleichmäßigen Ausübung aller Seelenkräfte zugleich. Der (praktische) Verstand ist das, den Willen bestimmende Resultat, welches aus Zusammenneh-


so wie die Unterbrechung dieser Assoziationsreihe ein Merkmal der Nichtwirklichkeit ab. Die Assoziationsart der Aehnlichkeit hingegen kann uns auf keine Wirklichkeit fuͤhren. Sie ist bloß idealisch (obgleich objektiv).

Die Assoziationsart der Dependenz ist entweder bloß logisch (als Grund und Folge) oder real (als Ursache und Wuͤrkung). Jene fuͤhrt uns mehr auf die Existenz unsrer selbst, als auf die der aͤußern Objekte. Mit dieser aber ist es gerade umgekehrt. So wie das unwillkuͤrliche Unterbrechen einer in der Erfahrung gegruͤndeten Assoziationsreihe ein Merkmal des Traumes ist, so ist die willkuͤrliche (zweckmaͤßige) Unterbrechung oder Fortsetzung einer Assoziationsreihe ein Merkmal des Wachens. Das Nichtunterbrechen aber an sich laͤßt dieses unbestimmt. Das Prinzip der Moral (die Freiheit des Willens) ist also zugleich das Kriterium des vollstaͤndigen Selbstdaseyns. Die Visionen sind von dreierlei Art: 1) simple, 2) allegorische, 3) symbolische u.s.w.


89-96.

Die menschliche Vollkommenheit, und folglich auch Gluͤckseligkeit, bestehet in einer gleichmaͤßigen Ausuͤbung aller Seelenkraͤfte zugleich. Der (praktische) Verstand ist das, den Willen bestimmende Resultat, welches aus Zusammenneh-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0129" n="129"/><lb/>
so wie die Unterbrechung dieser Assoziationsreihe                         ein Merkmal der <hi rendition="#b">Nichtwirklichkeit</hi> ab. Die                         Assoziationsart der <hi rendition="#b">Aehnlichkeit</hi> hingegen kann uns                         auf keine Wirklichkeit fu&#x0364;hren. Sie ist bloß <hi rendition="#b">idealisch</hi> (obgleich <hi rendition="#b">objektiv).</hi></p>
            <p>Die Assoziationsart der <hi rendition="#b">Dependenz</hi> ist entweder bloß <hi rendition="#b">logisch</hi> (als <hi rendition="#b">Grund</hi> und <hi rendition="#b">Folge)</hi> oder <hi rendition="#b">real</hi> (als <hi rendition="#b">Ursache</hi> und <hi rendition="#b">Wu&#x0364;rkung).</hi> Jene fu&#x0364;hrt uns mehr auf die Existenz <hi rendition="#b">unsrer selbst,</hi> als auf die der <hi rendition="#b">a&#x0364;ußern Objekte.</hi> Mit dieser aber ist es gerade                         umgekehrt. So wie das <hi rendition="#b">unwillku&#x0364;rliche</hi> Unterbrechen                         einer in der Erfahrung gegru&#x0364;ndeten Assoziationsreihe ein Merkmal des Traumes                         ist, so ist die <hi rendition="#b">willku&#x0364;rliche</hi> (zweckma&#x0364;ßige)                         Unterbrechung oder Fortsetzung einer Assoziationsreihe ein Merkmal des                         Wachens. Das Nichtunterbrechen aber an sich la&#x0364;ßt dieses unbestimmt. Das                         Prinzip der Moral (die Freiheit des Willens) ist also zugleich das Kriterium                         des vollsta&#x0364;ndigen Selbstdaseyns. Die <hi rendition="#b">Visionen</hi> sind                         von dreierlei Art: 1) <hi rendition="#b">simple,</hi> 2) <hi rendition="#b">allegorische,</hi> 3) <hi rendition="#b">symbolische</hi> u.s.w.</p>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>89-96.</head><lb/>
            <p>Die menschliche <hi rendition="#b">Vollkommenheit,</hi> und folglich auch <hi rendition="#b">Glu&#x0364;ckseligkeit,</hi> bestehet in einer <hi rendition="#b">gleichma&#x0364;ßigen Ausu&#x0364;bung aller Seelenkra&#x0364;fte zugleich.</hi> Der (praktische) Verstand ist das, den Willen bestimmende Resultat, welches                         aus Zusammenneh-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0129] so wie die Unterbrechung dieser Assoziationsreihe ein Merkmal der Nichtwirklichkeit ab. Die Assoziationsart der Aehnlichkeit hingegen kann uns auf keine Wirklichkeit fuͤhren. Sie ist bloß idealisch (obgleich objektiv). Die Assoziationsart der Dependenz ist entweder bloß logisch (als Grund und Folge) oder real (als Ursache und Wuͤrkung). Jene fuͤhrt uns mehr auf die Existenz unsrer selbst, als auf die der aͤußern Objekte. Mit dieser aber ist es gerade umgekehrt. So wie das unwillkuͤrliche Unterbrechen einer in der Erfahrung gegruͤndeten Assoziationsreihe ein Merkmal des Traumes ist, so ist die willkuͤrliche (zweckmaͤßige) Unterbrechung oder Fortsetzung einer Assoziationsreihe ein Merkmal des Wachens. Das Nichtunterbrechen aber an sich laͤßt dieses unbestimmt. Das Prinzip der Moral (die Freiheit des Willens) ist also zugleich das Kriterium des vollstaͤndigen Selbstdaseyns. Die Visionen sind von dreierlei Art: 1) simple, 2) allegorische, 3) symbolische u.s.w. 89-96. Die menschliche Vollkommenheit, und folglich auch Gluͤckseligkeit, bestehet in einer gleichmaͤßigen Ausuͤbung aller Seelenkraͤfte zugleich. Der (praktische) Verstand ist das, den Willen bestimmende Resultat, welches aus Zusammenneh-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/129
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/129>, abgerufen am 25.11.2024.