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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.

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halten. Die Verwechselung einer subjektiven Verknüpfung der Vorstellungen nach den Gesetzen der Assoziation mit einer objektiven Verbindung derselben ist die Quelle aller Täuschung.

Die Frage: ob die Sinne uns täuschen können? hat gar keine Bedeutung. Denn soll es heißen, ob die durch die Objekte in uns hervorgebrachten Empfindungen auch als solche ausser uns in den Objekten selbst anzutreffen sind? so hat die Frage gar keine Bedeutung, weil Empfindungen als solche keine Merkmale des Objekts, sondern bloß sein Verhältniß zu dem empfindenden Subjekt sind. Jst aber die Bedeutung dieser Frage diese: ob die sinnliche Merkmale der Vorstellung eines Objekts derselben wesentlich sind oder nicht? so findet hier wieder keine Täuschung der Sinne statt, weil diese uns nie berechtigen, sie für das eine oder für das andere zu halten. -- Die Täuschung liegt nicht in den sinnlichen Vorstellungen an sich, sondern in dem Urtheile über ihre objektive Verknüpfung.

Täuschung und Betrug sind einander in so fern ähnlich, in wiefern in beiden die Vorstellung für den Gegenstand selbst gehalten wird. Sie sind aber von einander verschieden, in so fern ein Betrug durch seine Entdeckung vernichtet wird; Täuschung hingegen auch durch Ueberzeugung, daß sie Täuschung ist, nicht vernichtet werden kann, sondern selbst diese Ueberzeugung ist ein Bestandtheil derselben.


halten. Die Verwechselung einer subjektiven Verknuͤpfung der Vorstellungen nach den Gesetzen der Assoziation mit einer objektiven Verbindung derselben ist die Quelle aller Taͤuschung.

Die Frage: ob die Sinne uns taͤuschen koͤnnen? hat gar keine Bedeutung. Denn soll es heißen, ob die durch die Objekte in uns hervorgebrachten Empfindungen auch als solche ausser uns in den Objekten selbst anzutreffen sind? so hat die Frage gar keine Bedeutung, weil Empfindungen als solche keine Merkmale des Objekts, sondern bloß sein Verhaͤltniß zu dem empfindenden Subjekt sind. Jst aber die Bedeutung dieser Frage diese: ob die sinnliche Merkmale der Vorstellung eines Objekts derselben wesentlich sind oder nicht? so findet hier wieder keine Taͤuschung der Sinne statt, weil diese uns nie berechtigen, sie fuͤr das eine oder fuͤr das andere zu halten. — Die Taͤuschung liegt nicht in den sinnlichen Vorstellungen an sich, sondern in dem Urtheile uͤber ihre objektive Verknuͤpfung.

Taͤuschung und Betrug sind einander in so fern aͤhnlich, in wiefern in beiden die Vorstellung fuͤr den Gegenstand selbst gehalten wird. Sie sind aber von einander verschieden, in so fern ein Betrug durch seine Entdeckung vernichtet wird; Taͤuschung hingegen auch durch Ueberzeugung, daß sie Taͤuschung ist, nicht vernichtet werden kann, sondern selbst diese Ueberzeugung ist ein Bestandtheil derselben.

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[124/0124] halten. Die Verwechselung einer subjektiven Verknuͤpfung der Vorstellungen nach den Gesetzen der Assoziation mit einer objektiven Verbindung derselben ist die Quelle aller Taͤuschung. Die Frage: ob die Sinne uns taͤuschen koͤnnen? hat gar keine Bedeutung. Denn soll es heißen, ob die durch die Objekte in uns hervorgebrachten Empfindungen auch als solche ausser uns in den Objekten selbst anzutreffen sind? so hat die Frage gar keine Bedeutung, weil Empfindungen als solche keine Merkmale des Objekts, sondern bloß sein Verhaͤltniß zu dem empfindenden Subjekt sind. Jst aber die Bedeutung dieser Frage diese: ob die sinnliche Merkmale der Vorstellung eines Objekts derselben wesentlich sind oder nicht? so findet hier wieder keine Taͤuschung der Sinne statt, weil diese uns nie berechtigen, sie fuͤr das eine oder fuͤr das andere zu halten. — Die Taͤuschung liegt nicht in den sinnlichen Vorstellungen an sich, sondern in dem Urtheile uͤber ihre objektive Verknuͤpfung. Taͤuschung und Betrug sind einander in so fern aͤhnlich, in wiefern in beiden die Vorstellung fuͤr den Gegenstand selbst gehalten wird. Sie sind aber von einander verschieden, in so fern ein Betrug durch seine Entdeckung vernichtet wird; Taͤuschung hingegen auch durch Ueberzeugung, daß sie Taͤuschung ist, nicht vernichtet werden kann, sondern selbst diese Ueberzeugung ist ein Bestandtheil derselben.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/124>, abgerufen am 25.11.2024.