Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.
"Gewöhnlich theilt man die Potenz, oder das Vermögen, in ein aktives und ein passives ein. Jch lasse den aktiven Modum bei Seite, um bei dem passiven zu bemerken, daß man, um ihn nach der Wahrheit zu betrachten, ihn rein und absolut betrachten müsse. Nun ist es unmöglich, irgend einer Sache Daseyn beizumessen, welcher das Vermögen da zu seyn gebräche. Letzteres bezieht sich aber so ausdrücklich auf den aktiven Modum; daß hieraus sogleich erhellet, wie der eine ohne den andern nicht seyn kann, sondern beide sich einander gegenseitig voraussetzen. Wenn also von jeher ein Vermögen zu würken, hervorzubringen, zu erschaffen da war, so mußte auch von jeher ein Vermögen bewürkt, hervorgebracht, und erschaffen zu werden da seyn. Der Begriff der Materie, als eines passiven Wesens, auf diese Weise gefaßt, läßt sich mit dem Be-
»Gewoͤhnlich theilt man die Potenz, oder das Vermoͤgen, in ein aktives und ein passives ein. Jch lasse den aktiven Modum bei Seite, um bei dem passiven zu bemerken, daß man, um ihn nach der Wahrheit zu betrachten, ihn rein und absolut betrachten muͤsse. Nun ist es unmoͤglich, irgend einer Sache Daseyn beizumessen, welcher das Vermoͤgen da zu seyn gebraͤche. Letzteres bezieht sich aber so ausdruͤcklich auf den aktiven Modum; daß hieraus sogleich erhellet, wie der eine ohne den andern nicht seyn kann, sondern beide sich einander gegenseitig voraussetzen. Wenn also von jeher ein Vermoͤgen zu wuͤrken, hervorzubringen, zu erschaffen da war, so mußte auch von jeher ein Vermoͤgen bewuͤrkt, hervorgebracht, und erschaffen zu werden da seyn. Der Begriff der Materie, als eines passiven Wesens, auf diese Weise gefaßt, laͤßt sich mit dem Be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0079" n="79"/><lb/> Praͤdikat. Da aber der Raum, obschon er das Viereck <hi rendition="#b">moͤglich macht,</hi> dennoch dasselbe nicht <hi rendition="#b">hervorbringt,</hi> so ist Raum blos das <hi rendition="#b">materielle</hi> Prinzip des Vierecks, das Erkenntnißvermoͤgen selbst aber das wuͤrkende Prinzip desselben. Diese beide sind aber nothwendig verknuͤpft und koͤnnen nicht ohne einander statt finden. Das Erkenntnißvermoͤgen kann seine Formen nur in eine von <choice><corr>ihm</corr><sic>im</sic></choice> unzertrennliche Materie <hi rendition="#aq">a priori</hi> darstellen. So weit glaube ich ist es zur Erlaͤuterung der tiefsinnigen aber aͤusserst dunklen Gedanken des V. hinreichend.</p> <p>»Gewoͤhnlich theilt man die Potenz, oder das Vermoͤgen, in ein aktives und ein passives ein. Jch lasse den aktiven <hi rendition="#aq">Modum</hi> bei Seite, um bei dem passiven zu bemerken, daß man, um ihn nach der Wahrheit zu betrachten, ihn rein und absolut betrachten muͤsse.</p> <p>Nun ist es unmoͤglich, irgend einer Sache Daseyn beizumessen, welcher das Vermoͤgen da zu seyn gebraͤche. Letzteres bezieht sich aber so ausdruͤcklich auf den aktiven <hi rendition="#aq">Modum;</hi> daß hieraus sogleich erhellet, wie der eine ohne den andern nicht seyn kann, sondern beide sich einander gegenseitig voraussetzen. Wenn also von jeher ein Vermoͤgen zu wuͤrken, hervorzubringen, zu erschaffen da war, so mußte auch von jeher ein Vermoͤgen bewuͤrkt, hervorgebracht, und erschaffen zu werden da seyn. Der Begriff der Materie, als eines passiven Wesens, auf diese Weise gefaßt, laͤßt sich mit dem Be-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0079]
Praͤdikat. Da aber der Raum, obschon er das Viereck moͤglich macht, dennoch dasselbe nicht hervorbringt, so ist Raum blos das materielle Prinzip des Vierecks, das Erkenntnißvermoͤgen selbst aber das wuͤrkende Prinzip desselben. Diese beide sind aber nothwendig verknuͤpft und koͤnnen nicht ohne einander statt finden. Das Erkenntnißvermoͤgen kann seine Formen nur in eine von ihm unzertrennliche Materie a priori darstellen. So weit glaube ich ist es zur Erlaͤuterung der tiefsinnigen aber aͤusserst dunklen Gedanken des V. hinreichend.
»Gewoͤhnlich theilt man die Potenz, oder das Vermoͤgen, in ein aktives und ein passives ein. Jch lasse den aktiven Modum bei Seite, um bei dem passiven zu bemerken, daß man, um ihn nach der Wahrheit zu betrachten, ihn rein und absolut betrachten muͤsse.
Nun ist es unmoͤglich, irgend einer Sache Daseyn beizumessen, welcher das Vermoͤgen da zu seyn gebraͤche. Letzteres bezieht sich aber so ausdruͤcklich auf den aktiven Modum; daß hieraus sogleich erhellet, wie der eine ohne den andern nicht seyn kann, sondern beide sich einander gegenseitig voraussetzen. Wenn also von jeher ein Vermoͤgen zu wuͤrken, hervorzubringen, zu erschaffen da war, so mußte auch von jeher ein Vermoͤgen bewuͤrkt, hervorgebracht, und erschaffen zu werden da seyn. Der Begriff der Materie, als eines passiven Wesens, auf diese Weise gefaßt, laͤßt sich mit dem Be-
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