Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.
Wer mit dem Unterschied zwischen beiderlei Arten, nehmlich der transzendentalen und empyrischen Konstruktion der Objekte der Mathematik nicht unbekannt ist, der wird auch den Unterschied zwischen den beiderlei Arten von Formen, wovon der V. spricht, leicht begreifen. "Da ich von dem Verstande, als einer Eigenschaft der Weltseele, gezeigt habe, er sey der nächste und letzte Hervorbringer aller natürlichen Dinge; so ist damit zugleich bewiesen, daß Form und würkende Ursache nicht zwei von einander eigentlich verschiedene Dinge, sondern gewissermaßen dieselbige sind: eine Einsicht, welche uns der Erkenntniß der Prinzipien, als des innersten Grundes der Dinge, schon um vieles näher führt. Hier müssen wir nun gleich eine Frage, welche aus der behaupteten Jdentität der würkenden und formellen Ursache entsteht, zu beantworten suchen; diese nehmlich: wie ist es möglich, daß ein und dasselbe Wesen, nehmlich die Weltseele, zugleich innerlicher und äusserlicher Grund, Prinzip und Ursache seyn könne?
Wer mit dem Unterschied zwischen beiderlei Arten, nehmlich der transzendentalen und empyrischen Konstruktion der Objekte der Mathematik nicht unbekannt ist, der wird auch den Unterschied zwischen den beiderlei Arten von Formen, wovon der V. spricht, leicht begreifen. »Da ich von dem Verstande, als einer Eigenschaft der Weltseele, gezeigt habe, er sey der naͤchste und letzte Hervorbringer aller natuͤrlichen Dinge; so ist damit zugleich bewiesen, daß Form und wuͤrkende Ursache nicht zwei von einander eigentlich verschiedene Dinge, sondern gewissermaßen dieselbige sind: eine Einsicht, welche uns der Erkenntniß der Prinzipien, als des innersten Grundes der Dinge, schon um vieles naͤher fuͤhrt. Hier muͤssen wir nun gleich eine Frage, welche aus der behaupteten Jdentitaͤt der wuͤrkenden und formellen Ursache entsteht, zu beantworten suchen; diese nehmlich: wie ist es moͤglich, daß ein und dasselbe Wesen, nehmlich die Weltseele, zugleich innerlicher und aͤusserlicher Grund, Prinzip und Ursache seyn koͤnne? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0066" n="66"/><lb/> Gattungen der Form aus der Materie zu erwecken; welches auch die Meinung des Empedokles gewesen zu seyn scheint. Jch fuͤge noch hinzu, daß wie die wuͤrkende Ursache im Universum allgemein; in jedem Einzelnen aber und seinen Theilen auch besonders gegenwaͤrtig ist: dasselbige in Absicht ihrer Form und ihres Zweckes statt finde.«</p> <p>Wer mit dem Unterschied zwischen beiderlei Arten, nehmlich der <hi rendition="#b">transzendentalen</hi> und <hi rendition="#b">empyrischen</hi> Konstruktion der Objekte der Mathematik nicht unbekannt ist, der wird auch den Unterschied zwischen den beiderlei Arten von Formen, wovon der V. spricht, leicht begreifen.</p> <p>»Da ich von dem Verstande, als einer Eigenschaft der Weltseele, gezeigt habe, er sey der naͤchste und letzte Hervorbringer aller natuͤrlichen Dinge; so ist damit zugleich bewiesen, daß Form und wuͤrkende Ursache nicht zwei von einander eigentlich verschiedene Dinge, sondern gewissermaßen dieselbige sind: eine Einsicht, welche uns der Erkenntniß der Prinzipien, als des innersten Grundes der Dinge, schon um vieles naͤher fuͤhrt.</p> <p>Hier muͤssen wir nun gleich eine Frage, welche aus der behaupteten Jdentitaͤt der wuͤrkenden und formellen Ursache entsteht, zu beantworten suchen; diese nehmlich: wie ist es moͤglich, daß ein und dasselbe Wesen, nehmlich die Weltseele, zugleich innerlicher und aͤusserlicher Grund, Prinzip und Ursache seyn koͤnne?</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0066]
Gattungen der Form aus der Materie zu erwecken; welches auch die Meinung des Empedokles gewesen zu seyn scheint. Jch fuͤge noch hinzu, daß wie die wuͤrkende Ursache im Universum allgemein; in jedem Einzelnen aber und seinen Theilen auch besonders gegenwaͤrtig ist: dasselbige in Absicht ihrer Form und ihres Zweckes statt finde.«
Wer mit dem Unterschied zwischen beiderlei Arten, nehmlich der transzendentalen und empyrischen Konstruktion der Objekte der Mathematik nicht unbekannt ist, der wird auch den Unterschied zwischen den beiderlei Arten von Formen, wovon der V. spricht, leicht begreifen.
»Da ich von dem Verstande, als einer Eigenschaft der Weltseele, gezeigt habe, er sey der naͤchste und letzte Hervorbringer aller natuͤrlichen Dinge; so ist damit zugleich bewiesen, daß Form und wuͤrkende Ursache nicht zwei von einander eigentlich verschiedene Dinge, sondern gewissermaßen dieselbige sind: eine Einsicht, welche uns der Erkenntniß der Prinzipien, als des innersten Grundes der Dinge, schon um vieles naͤher fuͤhrt.
Hier muͤssen wir nun gleich eine Frage, welche aus der behaupteten Jdentitaͤt der wuͤrkenden und formellen Ursache entsteht, zu beantworten suchen; diese nehmlich: wie ist es moͤglich, daß ein und dasselbe Wesen, nehmlich die Weltseele, zugleich innerlicher und aͤusserlicher Grund, Prinzip und Ursache seyn koͤnne?
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