Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.
Die Empfindung verhält sich blos leidend, indem sie das gegebene Mannigfaltige blos aufnimmt. Also nur die Einbildungskraft ist in gewisser Rücksicht würkend, indem sie das gegebene Mannigfaltige (die Vorstellungen) nach ihren eigenen Gesetzen verbindet und trennet. Auf eben der Art kann von dem unendlichen Vorstellungsvermögen nicht gesagt werden, es würkt (bringt hervor) alles d.h. seine Vorstellungen, weil diese seinem Wesen nothwendig sind; sondern es ist alles. -- Das menschliche eingeschränkte Vorstellungsvermögen ist nicht alles was es seyn kann auf einmal, sondern dieses wird in ihm nach und nach hervorgebracht. Die Weltseele als ein Vorstellungsvermögen das zwar alle mögliche Vor-
Die Empfindung verhaͤlt sich blos leidend, indem sie das gegebene Mannigfaltige blos aufnimmt. Also nur die Einbildungskraft ist in gewisser Ruͤcksicht wuͤrkend, indem sie das gegebene Mannigfaltige (die Vorstellungen) nach ihren eigenen Gesetzen verbindet und trennet. Auf eben der Art kann von dem unendlichen Vorstellungsvermoͤgen nicht gesagt werden, es wuͤrkt (bringt hervor) alles d.h. seine Vorstellungen, weil diese seinem Wesen nothwendig sind; sondern es ist alles. — Das menschliche eingeschraͤnkte Vorstellungsvermoͤgen ist nicht alles was es seyn kann auf einmal, sondern dieses wird in ihm nach und nach hervorgebracht. Die Weltseele als ein Vorstellungsvermoͤgen das zwar alle moͤgliche Vor- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0064" n="64"/><lb/> einem untheilbaren Moment geschehen. Aber sie sind blos <hi rendition="#b">in sich thaͤtig,</hi> und man kann nicht von ihnen sagen: sie sind auf die Vorstellungen <hi rendition="#b">wuͤrkend.</hi> Denn wuͤrken heißt, Veraͤnderungen in der Zeit hervorbringen. Die hoͤhere Seelenkraͤfte aber wuͤrken nicht in der Zeit; sie bringen die Formen der Erkenntniß nicht hervor, sondern diese inhaͤriren in ihrem Wesen auf eine nothwendige Art. Die Sinne und die Einbildungskraft muͤssen die Vorstellungen worauf diese Formen angewendet werden sollen, in einer Zeitfolge herschaffen. Die Anwendung der Formen auf dieselbe aber geschieht auf eine nothwendige Art, ohne Zeit.</p> <p>Die Empfindung verhaͤlt sich blos leidend, indem sie das gegebene Mannigfaltige blos aufnimmt.</p> <p>Also nur die <hi rendition="#b">Einbildungskraft</hi> ist in gewisser Ruͤcksicht <hi rendition="#b">wuͤrkend,</hi> indem sie das gegebene Mannigfaltige (die Vorstellungen) nach ihren eigenen Gesetzen verbindet und trennet.</p> <p>Auf eben der Art kann von dem unendlichen Vorstellungsvermoͤgen nicht gesagt werden, es <hi rendition="#b">wuͤrkt</hi> (bringt hervor) alles d.h. seine Vorstellungen, weil diese seinem Wesen nothwendig sind; sondern es <hi rendition="#b">ist</hi> alles. — Das menschliche eingeschraͤnkte Vorstellungsvermoͤgen ist nicht alles was es seyn kann auf einmal, sondern dieses wird in ihm nach und nach <hi rendition="#b">hervorgebracht. </hi> Die Weltseele als ein Vorstellungsvermoͤgen das zwar alle moͤgliche Vor-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [64/0064]
einem untheilbaren Moment geschehen. Aber sie sind blos in sich thaͤtig, und man kann nicht von ihnen sagen: sie sind auf die Vorstellungen wuͤrkend. Denn wuͤrken heißt, Veraͤnderungen in der Zeit hervorbringen. Die hoͤhere Seelenkraͤfte aber wuͤrken nicht in der Zeit; sie bringen die Formen der Erkenntniß nicht hervor, sondern diese inhaͤriren in ihrem Wesen auf eine nothwendige Art. Die Sinne und die Einbildungskraft muͤssen die Vorstellungen worauf diese Formen angewendet werden sollen, in einer Zeitfolge herschaffen. Die Anwendung der Formen auf dieselbe aber geschieht auf eine nothwendige Art, ohne Zeit.
Die Empfindung verhaͤlt sich blos leidend, indem sie das gegebene Mannigfaltige blos aufnimmt.
Also nur die Einbildungskraft ist in gewisser Ruͤcksicht wuͤrkend, indem sie das gegebene Mannigfaltige (die Vorstellungen) nach ihren eigenen Gesetzen verbindet und trennet.
Auf eben der Art kann von dem unendlichen Vorstellungsvermoͤgen nicht gesagt werden, es wuͤrkt (bringt hervor) alles d.h. seine Vorstellungen, weil diese seinem Wesen nothwendig sind; sondern es ist alles. — Das menschliche eingeschraͤnkte Vorstellungsvermoͤgen ist nicht alles was es seyn kann auf einmal, sondern dieses wird in ihm nach und nach hervorgebracht. Die Weltseele als ein Vorstellungsvermoͤgen das zwar alle moͤgliche Vor-
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