Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682.Das VI. Cap. Von dem Numero läst/ mit zu theilen: So muß auch diePoesis, deren gantzes Wesen in imitatione bestehet/ den Wörtern eine sonderliche Krafft und Regung/ theils durch das Gebände/ Wollaut und gebührliche Zu- sammensetzung und Versetzung/ theils durch die Metaphoras, die Aristoteles kat' energeian nennet/ geben. Dann es wird ein jeglich Carmen, oder vielmehr alle Rede von dem Platone Dial. 2. de legib in 3. Theil logon, armonian, Ruthmon getheilet/ worunter dieses alles begriffen wird. Ohne diesem ist alles todt/ und bestehet nur aus ei- nem leeren Schall. Der Rhythmus (dann so nennen die Alten die gewisse proporti- on der Füsse unter sich/ die aus ihrer kürtze und länge entstehet) muß wie im Griechischen und Lateinischen insonder- heit/ so auch im Teutschen woll in acht genommen werden. Jene haben eine viel genauere Eintheilung der Füsse/ als die Teutsche/ die nur bloß nach dem Ac- cent gehen. Nach dem nun die Be- schaffenheit der Sache es erfodert/ in den
Das VI. Cap. Von dem Numero laͤſt/ mit zu theilen: So muß auch diePoëſis, deren gantzes Weſen in imitatione beſtehet/ den Woͤrtern eine ſonderliche Krafft und Regung/ theils durch das Gebaͤnde/ Wollaut und gebuͤhrliche Zu- ſammenſetzung und Verſetzung/ theils durch die Metaphoras, die Ariſtoteles κατ' ἐνέργειαν neñet/ geben. Dañ es wird ein jeglich Carmen, oder vielmehr alle Rede von dem Platone Dial. 2. de legibꝰ in 3. Theil λόγον, ἁρμονἰαν, ῥυϑμὸν getheilet/ worunter dieſes alles begriffen wird. Ohne dieſem iſt alles todt/ und beſtehet nur aus ei- nem leeren Schall. Der Rhythmus (dann ſo nennen die Alten die gewiſſe proporti- on der Fuͤſſe unter ſich/ die aus ihrer kuͤrtze und laͤnge entſtehet) muß wie im Griechiſchen und Lateiniſchen inſonder- heit/ ſo auch im Teutſchen woll in acht genommen werden. Jene haben eine viel genauere Eintheilung der Fuͤſſe/ als die Teutſche/ die nur bloß nach dem Ac- cent gehen. Nach dem nun die Be- ſchaffenheit der Sache es erfodert/ in den
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Das VI. Cap. Von dem Numero
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Poëſis, deren gantzes Weſen in imitatione
beſtehet/ den Woͤrtern eine ſonderliche
Krafft und Regung/ theils durch das
Gebaͤnde/ Wollaut und gebuͤhrliche Zu-
ſammenſetzung und Verſetzung/ theils
durch die Metaphoras, die Ariſtoteles κατ'
ἐνέργειαν neñet/ geben. Dañ es wird ein
jeglich Carmen, oder vielmehr alle Rede
von dem Platone Dial. 2. de legibꝰ in 3. Theil
λόγον, ἁρμονἰαν, ῥυϑμὸν getheilet/ worunter
dieſes alles begriffen wird. Ohne dieſem
iſt alles todt/ und beſtehet nur aus ei-
nem leeren Schall. Der Rhythmus (dann
ſo nennen die Alten die gewiſſe proporti-
on der Fuͤſſe unter ſich/ die aus ihrer
kuͤrtze und laͤnge entſtehet) muß wie im
Griechiſchen und Lateiniſchen inſonder-
heit/ ſo auch im Teutſchen woll in acht
genommen werden. Jene haben eine
viel genauere Eintheilung der Fuͤſſe/ als
die Teutſche/ die nur bloß nach dem Ac-
cent gehen. Nach dem nun die Be-
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Zitationshilfe: | Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/morhof_unterricht_1682/562>, abgerufen am 17.06.2024. |