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Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682.

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Das II. Cap. Von der Orthographia
nen er viel sonderlicher Einfälle hat/ de-
nen ich durchgehends nicht beyfall geben
kan. Ins gemein setzet man die Etymo-
logiam
zu einem grunde der Orthogra-
phie.
Es ist aber solche Regul nicht so
unfehlbar/ daß man nicht davon ab-
schreiten müsse. Dann man fehlet zum
öfftern selbst in den Etymologiis, und lei-
det die übliche Außrede solche Schrifft
nicht. Dann es ist ein ungereimter
Schluß: Dieses Wort kan mit solchen
Buchstaben füglicher geschrieben wer-
den: darum muß es auch also sein. Man
muß hier der gemeinen Beliebung/ da-
von vornehmlich eine Sprache/ und
nicht von dieses oder jenes unzeitiger
Critica hanget/ für die Richtschnur hal-
ten. Was erhebliche Uhrsachen sein/ daß
ich Mänsch/ nicht Mensch schreiben
solle? Man sagt weil es von Mann
herkomt. Es ist dieses wol war/ dann
das Wort Mensch vor Alters kein sub-
stantivum
sondern ein Adjectivum gewe-
sen/ biß es endlich durch den Gebrauch

zum

Das II. Cap. Von der Orthographia
nen er viel ſonderlicher Einfaͤlle hat/ de-
nen ich durchgehends nicht beyfall geben
kan. Ins gemein ſetzet man die Etymo-
logiam
zu einem grunde der Orthogra-
phie.
Es iſt aber ſolche Regul nicht ſo
unfehlbar/ daß man nicht davon ab-
ſchreiten muͤſſe. Dann man fehlet zum
oͤfftern ſelbſt in den Etymologiis, und lei-
det die uͤbliche Außrede ſolche Schrifft
nicht. Dann es iſt ein ungereimter
Schluß: Dieſes Wort kan mit ſolchen
Buchſtaben fuͤglicher geſchrieben wer-
den: darum muß es auch alſo ſein. Man
muß hier der gemeinen Beliebung/ da-
von vornehmlich eine Sprache/ und
nicht von dieſes oder jenes unzeitiger
Critica hanget/ fuͤr die Richtſchnur hal-
ten. Was erhebliche Uhrſachen ſein/ daß
ich Maͤnſch/ nicht Menſch ſchreiben
ſolle? Man ſagt weil es von Mann
herkomt. Es iſt dieſes wol war/ dann
das Wort Menſch vor Alters kein ſub-
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ſondern ein Adjectivum gewe-
ſen/ biß es endlich durch den Gebrauch

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[468/0480] Das II. Cap. Von der Orthographia nen er viel ſonderlicher Einfaͤlle hat/ de- nen ich durchgehends nicht beyfall geben kan. Ins gemein ſetzet man die Etymo- logiam zu einem grunde der Orthogra- phie. Es iſt aber ſolche Regul nicht ſo unfehlbar/ daß man nicht davon ab- ſchreiten muͤſſe. Dann man fehlet zum oͤfftern ſelbſt in den Etymologiis, und lei- det die uͤbliche Außrede ſolche Schrifft nicht. Dann es iſt ein ungereimter Schluß: Dieſes Wort kan mit ſolchen Buchſtaben fuͤglicher geſchrieben wer- den: darum muß es auch alſo ſein. Man muß hier der gemeinen Beliebung/ da- von vornehmlich eine Sprache/ und nicht von dieſes oder jenes unzeitiger Critica hanget/ fuͤr die Richtſchnur hal- ten. Was erhebliche Uhrſachen ſein/ daß ich Maͤnſch/ nicht Menſch ſchreiben ſolle? Man ſagt weil es von Mann herkomt. Es iſt dieſes wol war/ dann das Wort Menſch vor Alters kein ſub- ſtantivum ſondern ein Adjectivum gewe- ſen/ biß es endlich durch den Gebrauch zum

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Zitationshilfe: Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/morhof_unterricht_1682/480>, abgerufen am 24.08.2024.