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Morgenstern, Lina: Ein offenes Wort über das medizinische Studium der Frauen an Herrn Prof. Dr. W. Waldeyer. Berlin, 1888.

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Frauenkrankheiten heranzubilden. Nirgends rächt sich ein versäumtes Aufsuchen des7.156
Arztes so sehr, wie bei Frauenkrankheiten, und dennoch ist das 7.157
angeborene Zartgefühl Veranlassung, dieselben zu vernachlässigen. Es7.158
giebt unzählige Jungfrauen, welche in den Pubertätsjahren sich7.159
Unterleibsleiden zugezogen haben und wissentlich oder unwissentlich7.160
die Folgen derselben tragen, weil sie zurückschrecken, sich von einem7.161
Arzte untersuchen zu lassen. Es werden sich aber eine ganze Reihe7.162
von vernachlässigten oder nicht zur Untersuchung kommenden Fällen7.163
von Frauenkrankheiten aufweisen lassen, welche in der Jugend 7.164
entstanden, erst nach der Verheiratung der Patientinnen zur ärztlichen7.165
Kenntnis und Behandlung gelangen.7.166

Diese traurigen Fälle untergraben nicht selten das eheliche7.167
Glück. Andererseits ist es nicht zu leugnen, daß gerade in den7.168
letzten Jahrzehnten die Spezial-Frauenärzte zu Tausenden von7.169
Frauen aufgesucht werden, ohne daß der Beweis geliefert ist, daß7.170
sich dadurch Geschlechtskrankheiten vermindert hätten.7.171

Wir bitten nicht darum, daß es den Frauen allzuleicht gemacht7.172
werde, zu studieren, ein tüchtiges Studium und ein schweres Examen7.173
soll den Weg zur Heilwissenschaft nur Auserwählten eröffnen, welche7.174
sich ihrer ganzen Verantwortung bewußt sind; es sollen eben nicht7.175
Pfuscherinnen gebildet werden, sondern tüchtige Ärztinnen. Das7.176
junge Mädchen soll auch nicht nach Absolvierung des Schulunterrichts7.177
sofort in den beruflichen Vorbildungskursus eintreten, vielmehr7.178
müßte es Bedingung sein, eine Zwischenzeit von mindestens zwei7.179
bis drei Jahren eintreten zu lassen, in welcher es durch Beteiligung7.180
an wirtschaftlichen Arbeiten sich auf den häuslichen Beruf 7.181
vorbereitet, Studien für den Erziehungsberuf macht und vor allem7.182
seine Gesundheit kräftigt. Gerade die Zeit vom 16. bis 19. Lebensjahr7.183
erfordert bei jungen Mädchen eine ganz besondere Pflege, die7.184
ein ernstes, viel Sitzen erforderndes Studium, nicht erträgt. Ohne7.185
einen guten Fonds von Kräften, ohne eine normale körperliche 7.186
Gesundheit sollten Mädchen zum Studium nicht zugelassen werden.7.187
Mit 19. Jahren ist ein Mädchen von Intelligenz, Bildung und7.188
Verständnis wohl so weit, daß es sich annähernd darüber klar sein7.189
kann, welcher Lebensweg seinen Fähigkeiten und Neigungen entspricht.7.190
Für die Wahl des Berufes kann es sich dann während der Jahre7.191
des Vorstudiums entweder entscheiden oder zurücktreten.7.192

Sie erwähnten, daß die große Konkurrenz, welche die Ärzte7.193
sich gegenseitig machen, nicht noch vergrößert werden dürfte durch7.194
die der Ärztinnen. Eine solche Konkurrenz ist jedoch nicht zu7.195
fürchten, da sich nicht viele Eltern finden werden, welche, wie es7.196
bei den Knaben der Fall ist, ihre kleinen Töchter von vornherein7.197

Frauenkrankheiten heranzubilden. Nirgends rächt sich ein versäumtes Aufsuchen des7.156
Arztes so sehr, wie bei Frauenkrankheiten, und dennoch ist das 7.157
angeborene Zartgefühl Veranlassung, dieselben zu vernachlässigen. Es7.158
giebt unzählige Jungfrauen, welche in den Pubertätsjahren sich7.159
Unterleibsleiden zugezogen haben und wissentlich oder unwissentlich7.160
die Folgen derselben tragen, weil sie zurückschrecken, sich von einem7.161
Arzte untersuchen zu lassen. Es werden sich aber eine ganze Reihe7.162
von vernachlässigten oder nicht zur Untersuchung kommenden Fällen7.163
von Frauenkrankheiten aufweisen lassen, welche in der Jugend 7.164
entstanden, erst nach der Verheiratung der Patientinnen zur ärztlichen7.165
Kenntnis und Behandlung gelangen.7.166

Diese traurigen Fälle untergraben nicht selten das eheliche7.167
Glück. Andererseits ist es nicht zu leugnen, daß gerade in den7.168
letzten Jahrzehnten die Spezial-Frauenärzte zu Tausenden von7.169
Frauen aufgesucht werden, ohne daß der Beweis geliefert ist, daß7.170
sich dadurch Geschlechtskrankheiten vermindert hätten.7.171

Wir bitten nicht darum, daß es den Frauen allzuleicht gemacht7.172
werde, zu studieren, ein tüchtiges Studium und ein schweres Examen7.173
soll den Weg zur Heilwissenschaft nur Auserwählten eröffnen, welche7.174
sich ihrer ganzen Verantwortung bewußt sind; es sollen eben nicht7.175
Pfuscherinnen gebildet werden, sondern tüchtige Ärztinnen. Das7.176
junge Mädchen soll auch nicht nach Absolvierung des Schulunterrichts7.177
sofort in den beruflichen Vorbildungskursus eintreten, vielmehr7.178
müßte es Bedingung sein, eine Zwischenzeit von mindestens zwei7.179
bis drei Jahren eintreten zu lassen, in welcher es durch Beteiligung7.180
an wirtschaftlichen Arbeiten sich auf den häuslichen Beruf 7.181
vorbereitet, Studien für den Erziehungsberuf macht und vor allem7.182
seine Gesundheit kräftigt. Gerade die Zeit vom 16. bis 19. Lebensjahr7.183
erfordert bei jungen Mädchen eine ganz besondere Pflege, die7.184
ein ernstes, viel Sitzen erforderndes Studium, nicht erträgt. Ohne7.185
einen guten Fonds von Kräften, ohne eine normale körperliche 7.186
Gesundheit sollten Mädchen zum Studium nicht zugelassen werden.7.187
Mit 19. Jahren ist ein Mädchen von Intelligenz, Bildung und7.188
Verständnis wohl so weit, daß es sich annähernd darüber klar sein7.189
kann, welcher Lebensweg seinen Fähigkeiten und Neigungen entspricht.7.190
Für die Wahl des Berufes kann es sich dann während der Jahre7.191
des Vorstudiums entweder entscheiden oder zurücktreten.7.192

Sie erwähnten, daß die große Konkurrenz, welche die Ärzte7.193
sich gegenseitig machen, nicht noch vergrößert werden dürfte durch7.194
die der Ärztinnen. Eine solche Konkurrenz ist jedoch nicht zu7.195
fürchten, da sich nicht viele Eltern finden werden, welche, wie es7.196
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Zitationshilfe: Morgenstern, Lina: Ein offenes Wort über das medizinische Studium der Frauen an Herrn Prof. Dr. W. Waldeyer. Berlin, 1888, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/morgenstern_studium_1888/6>, abgerufen am 23.11.2024.