Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. den von dem Proletariat, aber auch die vornehme Classe we-nigstens durch Connivenz in grossem Umfang dabei betheiligt war. Namentlich der Menschen- und der Güterraub wurde sehr häufig durch die Aufseher der grossen Güter veranlasst und durch die daselbst vereinigten häufig bewaffneten Sclaven- schaaren ins Werk gesetzt; und gar mancher hochangesehene Mann verschmähte nicht, was einer seiner diensteifrigen Scla- venaufseher so für ihn erwarb wie Mephisto für Faust die Lin- den Philemons. Wie die Dinge standen, zeigt die verschärfte Bestrafung der durch bewaffnete Banden verübten Eigenthums- frevel, welche einer der besseren Optimaten, Marcus Lucullus um das J. 676 verfügte *, mit der ausgesprochenen Absicht die Eigenthümer der grossen Sclavenheerden durch die Gefahr sich dieselben aberkannt zu sehen zu nachdrücklicherer Beaufsichti- gung derselben anzuhalten. Wo also für Rechnung der vorneh- men Welt geplündert und gemordet ward, lag es diesen Scla- ven- und Proletariermassen nahe das gleiche Geschäft für eigene Rechnung zu betreiben; es genügte ein Funke um den furcht- baren Brennstoff in Flammen zu setzen und das Proletariat in eine Insurrectionsarmee zu verwandeln. Diese Veranlassung fand sich bald. -- Die Fechterspiele, die unter den Volkslustbar- keiten in Italien jetzt den ersten Rang behaupteten, hatten die Errichtung zahlreicher Anstalten namentlich in und um Capua herbeigeführt, worin diejenigen Sclaven theils aufbewahrt, theils eingeschult wurden, die bestimmt waren zur Belustigung der sou- veränen Menge zu tödten oder zu sterben -- natürlich grossen- theils tapfere kriegsgefangene Leute, die es nicht vergessen hatten einst gegen die Römer im Felde gestanden zu haben. Eine An- zahl solcher verzweifelter Menschen brach aus einer der capuani- schen Fechterschulen aus (681) und warf sich auf den Vesuv. An ihrer Spitze standen zwei keltische Männer, die mit ihren Sclavennamen Krixos und Oenomaos genannt werden, und der Thraker Spartokos oder wie die Römer ihn nennen Spartacus. Spartacus, vielleicht ein Sprössling des edlen in der thrakischen Heimath wie in Pantikapaeon sogar zu königlichen Ehren gelang- ten Geschlechts der Spartokiden, hatte zuerst unter den thra- kischen Hülfstruppen im römischen Heer gedient, war dann de- sertirt und als Räuber in die Berge gegangen, endlich wieder * Aus diesen Bestimmungen entwickelte sich der Begriff des Raubes
als eines besonderen Verbrechens, während das ältere Recht den Raub un- ter dem Diebstahl mit begriff. FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. den von dem Proletariat, aber auch die vornehme Classe we-nigstens durch Connivenz in groſsem Umfang dabei betheiligt war. Namentlich der Menschen- und der Güterraub wurde sehr häufig durch die Aufseher der groſsen Güter veranlaſst und durch die daselbst vereinigten häufig bewaffneten Sclaven- schaaren ins Werk gesetzt; und gar mancher hochangesehene Mann verschmähte nicht, was einer seiner diensteifrigen Scla- venaufseher so für ihn erwarb wie Mephisto für Faust die Lin- den Philemons. Wie die Dinge standen, zeigt die verschärfte Bestrafung der durch bewaffnete Banden verübten Eigenthums- frevel, welche einer der besseren Optimaten, Marcus Lucullus um das J. 676 verfügte *, mit der ausgesprochenen Absicht die Eigenthümer der groſsen Sclavenheerden durch die Gefahr sich dieselben aberkannt zu sehen zu nachdrücklicherer Beaufsichti- gung derselben anzuhalten. Wo also für Rechnung der vorneh- men Welt geplündert und gemordet ward, lag es diesen Scla- ven- und Proletariermassen nahe das gleiche Geschäft für eigene Rechnung zu betreiben; es genügte ein Funke um den furcht- baren Brennstoff in Flammen zu setzen und das Proletariat in eine Insurrectionsarmee zu verwandeln. Diese Veranlassung fand sich bald. — Die Fechterspiele, die unter den Volkslustbar- keiten in Italien jetzt den ersten Rang behaupteten, hatten die Errichtung zahlreicher Anstalten namentlich in und um Capua herbeigeführt, worin diejenigen Sclaven theils aufbewahrt, theils eingeschult wurden, die bestimmt waren zur Belustigung der sou- veränen Menge zu tödten oder zu sterben — natürlich groſsen- theils tapfere kriegsgefangene Leute, die es nicht vergessen hatten einst gegen die Römer im Felde gestanden zu haben. Eine An- zahl solcher verzweifelter Menschen brach aus einer der capuani- schen Fechterschulen aus (681) und warf sich auf den Vesuv. An ihrer Spitze standen zwei keltische Männer, die mit ihren Sclavennamen Krixos und Oenomaos genannt werden, und der Thraker Spartokos oder wie die Römer ihn nennen Spartacus. Spartacus, vielleicht ein Spröſsling des edlen in der thrakischen Heimath wie in Pantikapaeon sogar zu königlichen Ehren gelang- ten Geschlechts der Spartokiden, hatte zuerst unter den thra- kischen Hülfstruppen im römischen Heer gedient, war dann de- sertirt und als Räuber in die Berge gegangen, endlich wieder * Aus diesen Bestimmungen entwickelte sich der Begriff des Raubes
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FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
den von dem Proletariat, aber auch die vornehme Classe we-
nigstens durch Connivenz in groſsem Umfang dabei betheiligt
war. Namentlich der Menschen- und der Güterraub wurde
sehr häufig durch die Aufseher der groſsen Güter veranlaſst
und durch die daselbst vereinigten häufig bewaffneten Sclaven-
schaaren ins Werk gesetzt; und gar mancher hochangesehene
Mann verschmähte nicht, was einer seiner diensteifrigen Scla-
venaufseher so für ihn erwarb wie Mephisto für Faust die Lin-
den Philemons. Wie die Dinge standen, zeigt die verschärfte
Bestrafung der durch bewaffnete Banden verübten Eigenthums-
frevel, welche einer der besseren Optimaten, Marcus Lucullus
um das J. 676 verfügte *, mit der ausgesprochenen Absicht die
Eigenthümer der groſsen Sclavenheerden durch die Gefahr sich
dieselben aberkannt zu sehen zu nachdrücklicherer Beaufsichti-
gung derselben anzuhalten. Wo also für Rechnung der vorneh-
men Welt geplündert und gemordet ward, lag es diesen Scla-
ven- und Proletariermassen nahe das gleiche Geschäft für eigene
Rechnung zu betreiben; es genügte ein Funke um den furcht-
baren Brennstoff in Flammen zu setzen und das Proletariat
in eine Insurrectionsarmee zu verwandeln. Diese Veranlassung
fand sich bald. — Die Fechterspiele, die unter den Volkslustbar-
keiten in Italien jetzt den ersten Rang behaupteten, hatten die
Errichtung zahlreicher Anstalten namentlich in und um Capua
herbeigeführt, worin diejenigen Sclaven theils aufbewahrt, theils
eingeschult wurden, die bestimmt waren zur Belustigung der sou-
veränen Menge zu tödten oder zu sterben — natürlich groſsen-
theils tapfere kriegsgefangene Leute, die es nicht vergessen hatten
einst gegen die Römer im Felde gestanden zu haben. Eine An-
zahl solcher verzweifelter Menschen brach aus einer der capuani-
schen Fechterschulen aus (681) und warf sich auf den Vesuv.
An ihrer Spitze standen zwei keltische Männer, die mit ihren
Sclavennamen Krixos und Oenomaos genannt werden, und der
Thraker Spartokos oder wie die Römer ihn nennen Spartacus.
Spartacus, vielleicht ein Spröſsling des edlen in der thrakischen
Heimath wie in Pantikapaeon sogar zu königlichen Ehren gelang-
ten Geschlechts der Spartokiden, hatte zuerst unter den thra-
kischen Hülfstruppen im römischen Heer gedient, war dann de-
sertirt und als Räuber in die Berge gegangen, endlich wieder
* Aus diesen Bestimmungen entwickelte sich der Begriff des Raubes
als eines besonderen Verbrechens, während das ältere Recht den Raub un-
ter dem Diebstahl mit begriff.
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