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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
kaesareia, jetzt Niksar) am Lykos, einem Nebenfluss des Iris;
er begnügte sich den Feind immer tiefer landeinwärts zu ziehen
und ihm die Zufuhren und Verbindungen zu bedrohen. Rasch
folgte Lucullus; Sinope blieb ihm seitwärts liegen; die alte sci-
pionische Grenze, der Halys ward überschritten, die blühenden
Städte Amisos, Eupatoria (am Iris), Themiskyra (am Thermo-
don) umstellt, bis endlich der Winter den Märschen, aber nicht
den Einschliessungen der Städte ein Ende machte. Die Soldaten
Luculls murrten über das unaufhaltsame Vordringen, das ihnen
nicht gestattete die Früchte ihrer Anstrengungen zu ernten, und
über die weitläuftigen und in der rauhen Jahreszeit beschwerli-
chen Blokaden. Allein es war Lucullus Art nicht auf dergleichen
Klagen zu hören; im Frühjahr 682 ging es sofort weiter gegen
Kabeira unter Zurücklassung zweier Legionen vor Amisos unter
Lucius Murena. Der König hatte während des Winters einen Ver-
such gemacht den Grosskönig von Armenien zum Eintritt in den
Kampf zu bestimmen; er blieb wie der frühere vergeblich oder
führte doch nur zu leeren Verheissungen. Noch weniger bezeig-
ten die Parther Lust bei der verlorenen Sache sich zu bethei-
ligen. Indess fand sich, besonders durch Werbungen im Sky-
thenland, wieder eine ansehnliche Armee unter Diophantos und
Taxiles bei Kabeira beisammen, die an Reiterei der römischen
entschieden überlegen war. Das römische Heer, das nur noch
drei Legionen zählte, sah sich genöthigt das Blachfeld möglichst
zu vermeiden und gelangte nicht ohne Mühe und Verlust auf
schwierigen Nebenpfaden bis nach Kabeira. Bei dieser Stadt la-
gerten die beiden Armeen längere Zeit einander gegenüber. Ge-
stritten ward hauptsächlich um die Zufuhr, die auf beiden Seiten
knapp war; Mithradates bildete desswegen aus dem Kern seiner
Reiterei und einer Abtheilung erlesener Fusssoldaten unter Dio-
phantos und Taxiles ein fliegendes Corps, das bestimmt war zwi-
schen dem Lykos und dem Halys zu streifen und die aus Kappa-
dokien kommenden römischen Transporte von Lebensmitteln
aufzufangen. Allein der Unterbefehlshaber Luculls Marcus Fabius
Hadrianus, der einen solchen Zug escortirte, schlug nicht bloss
die ihm auflauernde Schaar in dem Engpass, wo sie ihn zu über-
fallen gedachte, vollständig aufs Haupt, sondern auch, nachdem
er Verstärkung aus dem Lager erhalten hatte, die Armee des Dio-
phantos und Taxiles selbst, so dass dieselbe völlig sich auflöste. Es
war für den König ein unersetzlicher Verlust, dass seine Reiterei,
auf die er allein vertraute, ihm hier zu Grunde gegangen war; so
wie er durch die ersten vom Schlachtfeld nach Kabeira gelangen-

FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
kaesareia, jetzt Niksar) am Lykos, einem Nebenfluſs des Iris;
er begnügte sich den Feind immer tiefer landeinwärts zu ziehen
und ihm die Zufuhren und Verbindungen zu bedrohen. Rasch
folgte Lucullus; Sinope blieb ihm seitwärts liegen; die alte sci-
pionische Grenze, der Halys ward überschritten, die blühenden
Städte Amisos, Eupatoria (am Iris), Themiskyra (am Thermo-
don) umstellt, bis endlich der Winter den Märschen, aber nicht
den Einschlieſsungen der Städte ein Ende machte. Die Soldaten
Luculls murrten über das unaufhaltsame Vordringen, das ihnen
nicht gestattete die Früchte ihrer Anstrengungen zu ernten, und
über die weitläuftigen und in der rauhen Jahreszeit beschwerli-
chen Blokaden. Allein es war Lucullus Art nicht auf dergleichen
Klagen zu hören; im Frühjahr 682 ging es sofort weiter gegen
Kabeira unter Zurücklassung zweier Legionen vor Amisos unter
Lucius Murena. Der König hatte während des Winters einen Ver-
such gemacht den Groſskönig von Armenien zum Eintritt in den
Kampf zu bestimmen; er blieb wie der frühere vergeblich oder
führte doch nur zu leeren Verheiſsungen. Noch weniger bezeig-
ten die Parther Lust bei der verlorenen Sache sich zu bethei-
ligen. Indeſs fand sich, besonders durch Werbungen im Sky-
thenland, wieder eine ansehnliche Armee unter Diophantos und
Taxiles bei Kabeira beisammen, die an Reiterei der römischen
entschieden überlegen war. Das römische Heer, das nur noch
drei Legionen zählte, sah sich genöthigt das Blachfeld möglichst
zu vermeiden und gelangte nicht ohne Mühe und Verlust auf
schwierigen Nebenpfaden bis nach Kabeira. Bei dieser Stadt la-
gerten die beiden Armeen längere Zeit einander gegenüber. Ge-
stritten ward hauptsächlich um die Zufuhr, die auf beiden Seiten
knapp war; Mithradates bildete deſswegen aus dem Kern seiner
Reiterei und einer Abtheilung erlesener Fuſssoldaten unter Dio-
phantos und Taxiles ein fliegendes Corps, das bestimmt war zwi-
schen dem Lykos und dem Halys zu streifen und die aus Kappa-
dokien kommenden römischen Transporte von Lebensmitteln
aufzufangen. Allein der Unterbefehlshaber Luculls Marcus Fabius
Hadrianus, der einen solchen Zug escortirte, schlug nicht bloſs
die ihm auflauernde Schaar in dem Engpaſs, wo sie ihn zu über-
fallen gedachte, vollständig aufs Haupt, sondern auch, nachdem
er Verstärkung aus dem Lager erhalten hatte, die Armee des Dio-
phantos und Taxiles selbst, so daſs dieselbe völlig sich auflöste. Es
war für den König ein unersetzlicher Verlust, daſs seine Reiterei,
auf die er allein vertraute, ihm hier zu Grunde gegangen war; so
wie er durch die ersten vom Schlachtfeld nach Kabeira gelangen-

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[54/0064] FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. kaesareia, jetzt Niksar) am Lykos, einem Nebenfluſs des Iris; er begnügte sich den Feind immer tiefer landeinwärts zu ziehen und ihm die Zufuhren und Verbindungen zu bedrohen. Rasch folgte Lucullus; Sinope blieb ihm seitwärts liegen; die alte sci- pionische Grenze, der Halys ward überschritten, die blühenden Städte Amisos, Eupatoria (am Iris), Themiskyra (am Thermo- don) umstellt, bis endlich der Winter den Märschen, aber nicht den Einschlieſsungen der Städte ein Ende machte. Die Soldaten Luculls murrten über das unaufhaltsame Vordringen, das ihnen nicht gestattete die Früchte ihrer Anstrengungen zu ernten, und über die weitläuftigen und in der rauhen Jahreszeit beschwerli- chen Blokaden. Allein es war Lucullus Art nicht auf dergleichen Klagen zu hören; im Frühjahr 682 ging es sofort weiter gegen Kabeira unter Zurücklassung zweier Legionen vor Amisos unter Lucius Murena. Der König hatte während des Winters einen Ver- such gemacht den Groſskönig von Armenien zum Eintritt in den Kampf zu bestimmen; er blieb wie der frühere vergeblich oder führte doch nur zu leeren Verheiſsungen. Noch weniger bezeig- ten die Parther Lust bei der verlorenen Sache sich zu bethei- ligen. Indeſs fand sich, besonders durch Werbungen im Sky- thenland, wieder eine ansehnliche Armee unter Diophantos und Taxiles bei Kabeira beisammen, die an Reiterei der römischen entschieden überlegen war. Das römische Heer, das nur noch drei Legionen zählte, sah sich genöthigt das Blachfeld möglichst zu vermeiden und gelangte nicht ohne Mühe und Verlust auf schwierigen Nebenpfaden bis nach Kabeira. Bei dieser Stadt la- gerten die beiden Armeen längere Zeit einander gegenüber. Ge- stritten ward hauptsächlich um die Zufuhr, die auf beiden Seiten knapp war; Mithradates bildete deſswegen aus dem Kern seiner Reiterei und einer Abtheilung erlesener Fuſssoldaten unter Dio- phantos und Taxiles ein fliegendes Corps, das bestimmt war zwi- schen dem Lykos und dem Halys zu streifen und die aus Kappa- dokien kommenden römischen Transporte von Lebensmitteln aufzufangen. Allein der Unterbefehlshaber Luculls Marcus Fabius Hadrianus, der einen solchen Zug escortirte, schlug nicht bloſs die ihm auflauernde Schaar in dem Engpaſs, wo sie ihn zu über- fallen gedachte, vollständig aufs Haupt, sondern auch, nachdem er Verstärkung aus dem Lager erhalten hatte, die Armee des Dio- phantos und Taxiles selbst, so daſs dieselbe völlig sich auflöste. Es war für den König ein unersetzlicher Verlust, daſs seine Reiterei, auf die er allein vertraute, ihm hier zu Grunde gegangen war; so wie er durch die ersten vom Schlachtfeld nach Kabeira gelangen-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/64>, abgerufen am 06.05.2024.