Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL XII. -- die ersten Anfänge der späteren Wandmalerei. Die Kunst ge-wann nicht bei dieser verschwenderischen Pracht. In den bil- denden Künsten waren Kennerschaft und Sammelei in weiterem Zunehmen. Es war eine blosse Affectation catonischer Simplici- tät, wenn ein Advocat vor den Geschwornen von den Kunst- werken ,eines gewissen Praxiteles' sprach; alles reiste und schaute und das Handwerk der Kunstciceronen oder, wie sie damals hiessen, der Exegeten, war keines von den schlechtesten. Auf alte Kunstwerke wurde förmlich Jagd gemacht -- mehr frei- lich noch als auf Statuen und Gemälde, nach der rohen Art rö- mischer Prachtwirthschaft auf kunstvolles Geräth und Zimmer- und Tafeldecoration aller Art. Schon zu jener Zeit wühlte man die alten griechischen Gräber von Capua und Korinth der Erz- und Thongefässe wegen um, die den Todten waren mit ins Grab gegeben worden. Für eine kleine Nippefigur von Bronze wurden 40000 (2860 Thlr.), für ein Paar kostbare Teppiche 200000 Sest. (14000 Thlr.) bezahlt; eine gut gearbeitete bronzene Kochmaschine kam höher zu stehen als ein Landgut. Wie billig ward bei dieser barbarischen Kunstjagd der reiche Liebhaber von seinen Zuträ- gern häufig geprellt; aber der ökonomische Ruin namentlich des an Kunstwerken überreichen Kleinasiens brachte auch manches wirklich alte und seltene Prachtstück und Kunstwerk auf den Markt, und von Athen, Syrakus, Kyzikos, Pergamon, Chios, Sa- mos und wie die alten Kunststätten weiter hiessen wanderte al- les was feil war und gar manches was es nicht war, in die Pa- läste und Villen der römischen Grossen. Welche Kunstschätze zum Beispiel das Haus des Lucullus barg, der freilich wohl nicht mit Unrecht beschuldigt wurde sein artistisches Interesse auf Kosten seiner Feldherrnpflichten befriedigt zu haben, ward be- reits erwähnt. Die Kunstliebhaber beklagten sich schon in dieser Zeit über die Verbannung der Kunstschätze auf die Paläste und Landhäuser der vornehmen Herren, wo sie schwierig und nur nach besonders von dem Besitzer eingeholter Erlaubniss gesehen werden konnten. Die öffentlichen Gebäude dagegen füllten sich keineswegs im Verhältniss mit berühmten Werken griechischer Meister und vielfach sah man noch in den Tempeln der Haupt- stadt nichts als die alten holzgeschnitzten Götterbilder. Von Aus- übung der Kunst ist so gut wie gar nichts zu berichten; kaum wird aus dieser Zeit ein anderer römischer Bildhauer oder Maler mit Namen genannt als ein gewisser Arellius, dessen Bilder rei- ssend abgingen, nicht ihres künstlerischen Werthes wegen, son- dern weil der arge Roue in den Bildern der Göttinnen getreue FÜNFTES BUCH. KAPITEL XII. — die ersten Anfänge der späteren Wandmalerei. Die Kunst ge-wann nicht bei dieser verschwenderischen Pracht. In den bil- denden Künsten waren Kennerschaft und Sammelei in weiterem Zunehmen. Es war eine bloſse Affectation catonischer Simplici- tät, wenn ein Advocat vor den Geschwornen von den Kunst- werken ‚eines gewissen Praxiteles‘ sprach; alles reiste und schaute und das Handwerk der Kunstciceronen oder, wie sie damals hieſsen, der Exegeten, war keines von den schlechtesten. Auf alte Kunstwerke wurde förmlich Jagd gemacht — mehr frei- lich noch als auf Statuen und Gemälde, nach der rohen Art rö- mischer Prachtwirthschaft auf kunstvolles Geräth und Zimmer- und Tafeldecoration aller Art. Schon zu jener Zeit wühlte man die alten griechischen Gräber von Capua und Korinth der Erz- und Thongefäſse wegen um, die den Todten waren mit ins Grab gegeben worden. Für eine kleine Nippefigur von Bronze wurden 40000 (2860 Thlr.), für ein Paar kostbare Teppiche 200000 Sest. (14000 Thlr.) bezahlt; eine gut gearbeitete bronzene Kochmaschine kam höher zu stehen als ein Landgut. Wie billig ward bei dieser barbarischen Kunstjagd der reiche Liebhaber von seinen Zuträ- gern häufig geprellt; aber der ökonomische Ruin namentlich des an Kunstwerken überreichen Kleinasiens brachte auch manches wirklich alte und seltene Prachtstück und Kunstwerk auf den Markt, und von Athen, Syrakus, Kyzikos, Pergamon, Chios, Sa- mos und wie die alten Kunststätten weiter hieſsen wanderte al- les was feil war und gar manches was es nicht war, in die Pa- läste und Villen der römischen Groſsen. Welche Kunstschätze zum Beispiel das Haus des Lucullus barg, der freilich wohl nicht mit Unrecht beschuldigt wurde sein artistisches Interesse auf Kosten seiner Feldherrnpflichten befriedigt zu haben, ward be- reits erwähnt. Die Kunstliebhaber beklagten sich schon in dieser Zeit über die Verbannung der Kunstschätze auf die Paläste und Landhäuser der vornehmen Herren, wo sie schwierig und nur nach besonders von dem Besitzer eingeholter Erlaubniſs gesehen werden konnten. Die öffentlichen Gebäude dagegen füllten sich keineswegs im Verhältniſs mit berühmten Werken griechischer Meister und vielfach sah man noch in den Tempeln der Haupt- stadt nichts als die alten holzgeschnitzten Götterbilder. Von Aus- übung der Kunst ist so gut wie gar nichts zu berichten; kaum wird aus dieser Zeit ein anderer römischer Bildhauer oder Maler mit Namen genannt als ein gewisser Arellius, dessen Bilder rei- ſsend abgingen, nicht ihres künstlerischen Werthes wegen, son- dern weil der arge Roué in den Bildern der Göttinnen getreue <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0590" n="580"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL XII.</fw><lb/> — die ersten Anfänge der späteren Wandmalerei. Die Kunst ge-<lb/> wann nicht bei dieser verschwenderischen Pracht. In den bil-<lb/> denden Künsten waren Kennerschaft und Sammelei in weiterem<lb/> Zunehmen. Es war eine bloſse Affectation catonischer Simplici-<lb/> tät, wenn ein Advocat vor den Geschwornen von den Kunst-<lb/> werken ‚eines gewissen Praxiteles‘ sprach; alles reiste und<lb/> schaute und das Handwerk der Kunstciceronen oder, wie sie<lb/> damals hieſsen, der Exegeten, war keines von den schlechtesten.<lb/> Auf alte Kunstwerke wurde förmlich Jagd gemacht — mehr frei-<lb/> lich noch als auf Statuen und Gemälde, nach der rohen Art rö-<lb/> mischer Prachtwirthschaft auf kunstvolles Geräth und Zimmer-<lb/> und Tafeldecoration aller Art. Schon zu jener Zeit wühlte man<lb/> die alten griechischen Gräber von Capua und Korinth der Erz-<lb/> und Thongefäſse wegen um, die den Todten waren mit ins Grab<lb/> gegeben worden. Für eine kleine Nippefigur von Bronze wurden<lb/> 40000 (2860 Thlr.), für ein Paar kostbare Teppiche 200000 Sest.<lb/> (14000 Thlr.) bezahlt; eine gut gearbeitete bronzene Kochmaschine<lb/> kam höher zu stehen als ein Landgut. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XII.
— die ersten Anfänge der späteren Wandmalerei. Die Kunst ge-
wann nicht bei dieser verschwenderischen Pracht. In den bil-
denden Künsten waren Kennerschaft und Sammelei in weiterem
Zunehmen. Es war eine bloſse Affectation catonischer Simplici-
tät, wenn ein Advocat vor den Geschwornen von den Kunst-
werken ‚eines gewissen Praxiteles‘ sprach; alles reiste und
schaute und das Handwerk der Kunstciceronen oder, wie sie
damals hieſsen, der Exegeten, war keines von den schlechtesten.
Auf alte Kunstwerke wurde förmlich Jagd gemacht — mehr frei-
lich noch als auf Statuen und Gemälde, nach der rohen Art rö-
mischer Prachtwirthschaft auf kunstvolles Geräth und Zimmer-
und Tafeldecoration aller Art. Schon zu jener Zeit wühlte man
die alten griechischen Gräber von Capua und Korinth der Erz-
und Thongefäſse wegen um, die den Todten waren mit ins Grab
gegeben worden. Für eine kleine Nippefigur von Bronze wurden
40000 (2860 Thlr.), für ein Paar kostbare Teppiche 200000 Sest.
(14000 Thlr.) bezahlt; eine gut gearbeitete bronzene Kochmaschine
kam höher zu stehen als ein Landgut. Wie billig ward bei dieser
barbarischen Kunstjagd der reiche Liebhaber von seinen Zuträ-
gern häufig geprellt; aber der ökonomische Ruin namentlich des
an Kunstwerken überreichen Kleinasiens brachte auch manches
wirklich alte und seltene Prachtstück und Kunstwerk auf den
Markt, und von Athen, Syrakus, Kyzikos, Pergamon, Chios, Sa-
mos und wie die alten Kunststätten weiter hieſsen wanderte al-
les was feil war und gar manches was es nicht war, in die Pa-
läste und Villen der römischen Groſsen. Welche Kunstschätze
zum Beispiel das Haus des Lucullus barg, der freilich wohl nicht
mit Unrecht beschuldigt wurde sein artistisches Interesse auf
Kosten seiner Feldherrnpflichten befriedigt zu haben, ward be-
reits erwähnt. Die Kunstliebhaber beklagten sich schon in dieser
Zeit über die Verbannung der Kunstschätze auf die Paläste und
Landhäuser der vornehmen Herren, wo sie schwierig und nur
nach besonders von dem Besitzer eingeholter Erlaubniſs gesehen
werden konnten. Die öffentlichen Gebäude dagegen füllten sich
keineswegs im Verhältniſs mit berühmten Werken griechischer
Meister und vielfach sah man noch in den Tempeln der Haupt-
stadt nichts als die alten holzgeschnitzten Götterbilder. Von Aus-
übung der Kunst ist so gut wie gar nichts zu berichten; kaum
wird aus dieser Zeit ein anderer römischer Bildhauer oder Maler
mit Namen genannt als ein gewisser Arellius, dessen Bilder rei-
ſsend abgingen, nicht ihres künstlerischen Werthes wegen, son-
dern weil der arge Roué in den Bildern der Göttinnen getreue
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