ben Ciceros allzu wohlklingender Periode Varros absichtlich jede Gliederung verschmähender Satz. Auch hierin spiegelt sich die Zerrissenheit der Zeit.
In der Litteratur dieser Periode fällt zunächst, im Vergleich mit der früheren, die äussere Steigerung in dem litterarischen Treiben auf. Für die Griechen ward Rom allmählich ein zweites Alexandreia. Unter dem Schwarm griechischer Bedienten, mit denen der vornehme Römer sich umgab, spielten neben dem Koch, dem Buhlknaben und dem Spassmacher auch der Philosoph, der Poet und der Memoirenschreiber hervorragende Rollen und es ist schon nicht mehr selten in diesen Stellungen namhaften Litte- raten zu begegnen; wie zum Beispiel der Epikureer Philodemos als Hausphilosoph bei dem Consular Lucius Piso angestellt war und nebenbei mit seinen artigen Epigrammen auf den grobdräh- tigen Epikureismus seines Patrons die Eingeweihten erbaute. Ueberhaupt zogen die angesehensten Vertreter der griechischen Kunst und Wissenschaft immer zahlreicher sich nach Rom, wo der litterarische Verdienst jetzt reichlicher floss als irgendwo sonst; so werden als in Rom ansässig genannt der Arzt Asklepiades, den König Mithradates vergeblich von dort weg in seinen Dienst zu ziehen versuchte; der Gelehrte für Alles Alexandros von Milet, genannt der Polyhistor; der Poet Parthenios aus Nikaea in Bithy- nien; der als Reisender, Lehrer und Schriftsteller gleich gefeierte Poseidonios von Apameia in Syrien, der hochbejahrt im J. 703 von Rhodos nach Rom übersiedelte, und Andere mehr. Ein Haus wie das des Lucius Lucullus war fast wie das alexandrinische Museion ein Sitz hellenischer Bildung und ein Sammelplatz hel- lenischer Litteraten; in diesen Hallen des Reichthums und der Wissenschaft, wo mit römischen Mitteln und hellenischer Kenner- schaft ein unvergleichlicher Schatz von Bildwerken und Gemäl- den älterer und gleichzeitiger Meister so wie ebenso sorg- fältig ausgewählte wie Prachtvoll ausgestattete Bibliothek vereinigt worden waren, war jeder Gebildete und namentlich jeder Grieche willkommen und oft sah man hier den Hausherrn selbst mit einem seiner gelehrten Gäste in philologischen oder philosophi- schen Gesprächen den schönen Säulengang auf- und niederwan- deln. Die griechische Wissenschaft, seit Alexanders des Grossen Tode nothgedrungen kosmopolitisch und unter den Aegyptern und Syrern wenigstens eben so fremd wie unter den Lateinern, trug jetzt vorzugsweise nach Italien ihre reichen Bildungsschätze, freilich auch zugleich ihre Verkehrtheit und Bedientenhaftigkeit; wie sich denn zum Beispiel einer dieser gelehrten Landläufer, der
FÜNFTES BUCH. KAPITEL XII.
ben Ciceros allzu wohlklingender Periode Varros absichtlich jede Gliederung verschmähender Satz. Auch hierin spiegelt sich die Zerrissenheit der Zeit.
In der Litteratur dieser Periode fällt zunächst, im Vergleich mit der früheren, die äuſsere Steigerung in dem litterarischen Treiben auf. Für die Griechen ward Rom allmählich ein zweites Alexandreia. Unter dem Schwarm griechischer Bedienten, mit denen der vornehme Römer sich umgab, spielten neben dem Koch, dem Buhlknaben und dem Spaſsmacher auch der Philosoph, der Poet und der Memoirenschreiber hervorragende Rollen und es ist schon nicht mehr selten in diesen Stellungen namhaften Litte- raten zu begegnen; wie zum Beispiel der Epikureer Philodemos als Hausphilosoph bei dem Consular Lucius Piso angestellt war und nebenbei mit seinen artigen Epigrammen auf den grobdräh- tigen Epikureismus seines Patrons die Eingeweihten erbaute. Ueberhaupt zogen die angesehensten Vertreter der griechischen Kunst und Wissenschaft immer zahlreicher sich nach Rom, wo der litterarische Verdienst jetzt reichlicher floſs als irgendwo sonst; so werden als in Rom ansässig genannt der Arzt Asklepiades, den König Mithradates vergeblich von dort weg in seinen Dienst zu ziehen versuchte; der Gelehrte für Alles Alexandros von Milet, genannt der Polyhistor; der Poet Parthenios aus Nikaea in Bithy- nien; der als Reisender, Lehrer und Schriftsteller gleich gefeierte Poseidonios von Apameia in Syrien, der hochbejahrt im J. 703 von Rhodos nach Rom übersiedelte, und Andere mehr. Ein Haus wie das des Lucius Lucullus war fast wie das alexandrinische Museion ein Sitz hellenischer Bildung und ein Sammelplatz hel- lenischer Litteraten; in diesen Hallen des Reichthums und der Wissenschaft, wo mit römischen Mitteln und hellenischer Kenner- schaft ein unvergleichlicher Schatz von Bildwerken und Gemäl- den älterer und gleichzeitiger Meister so wie ebenso sorg- fältig ausgewählte wie Prachtvoll ausgestattete Bibliothek vereinigt worden waren, war jeder Gebildete und namentlich jeder Grieche willkommen und oft sah man hier den Hausherrn selbst mit einem seiner gelehrten Gäste in philologischen oder philosophi- schen Gesprächen den schönen Säulengang auf- und niederwan- deln. Die griechische Wissenschaft, seit Alexanders des Groſsen Tode nothgedrungen kosmopolitisch und unter den Aegyptern und Syrern wenigstens eben so fremd wie unter den Lateinern, trug jetzt vorzugsweise nach Italien ihre reichen Bildungsschätze, freilich auch zugleich ihre Verkehrtheit und Bedientenhaftigkeit; wie sich denn zum Beispiel einer dieser gelehrten Landläufer, der
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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XII.
ben Ciceros allzu wohlklingender Periode Varros absichtlich jede
Gliederung verschmähender Satz. Auch hierin spiegelt sich die
Zerrissenheit der Zeit.
In der Litteratur dieser Periode fällt zunächst, im Vergleich
mit der früheren, die äuſsere Steigerung in dem litterarischen
Treiben auf. Für die Griechen ward Rom allmählich ein zweites
Alexandreia. Unter dem Schwarm griechischer Bedienten, mit
denen der vornehme Römer sich umgab, spielten neben dem Koch,
dem Buhlknaben und dem Spaſsmacher auch der Philosoph, der
Poet und der Memoirenschreiber hervorragende Rollen und es
ist schon nicht mehr selten in diesen Stellungen namhaften Litte-
raten zu begegnen; wie zum Beispiel der Epikureer Philodemos
als Hausphilosoph bei dem Consular Lucius Piso angestellt war
und nebenbei mit seinen artigen Epigrammen auf den grobdräh-
tigen Epikureismus seines Patrons die Eingeweihten erbaute.
Ueberhaupt zogen die angesehensten Vertreter der griechischen
Kunst und Wissenschaft immer zahlreicher sich nach Rom, wo
der litterarische Verdienst jetzt reichlicher floſs als irgendwo sonst;
so werden als in Rom ansässig genannt der Arzt Asklepiades,
den König Mithradates vergeblich von dort weg in seinen Dienst
zu ziehen versuchte; der Gelehrte für Alles Alexandros von Milet,
genannt der Polyhistor; der Poet Parthenios aus Nikaea in Bithy-
nien; der als Reisender, Lehrer und Schriftsteller gleich gefeierte
Poseidonios von Apameia in Syrien, der hochbejahrt im J. 703
von Rhodos nach Rom übersiedelte, und Andere mehr. Ein Haus
wie das des Lucius Lucullus war fast wie das alexandrinische
Museion ein Sitz hellenischer Bildung und ein Sammelplatz hel-
lenischer Litteraten; in diesen Hallen des Reichthums und der
Wissenschaft, wo mit römischen Mitteln und hellenischer Kenner-
schaft ein unvergleichlicher Schatz von Bildwerken und Gemäl-
den älterer und gleichzeitiger Meister so wie ebenso sorg-
fältig ausgewählte wie Prachtvoll ausgestattete Bibliothek vereinigt
worden waren, war jeder Gebildete und namentlich jeder Grieche
willkommen und oft sah man hier den Hausherrn selbst mit
einem seiner gelehrten Gäste in philologischen oder philosophi-
schen Gesprächen den schönen Säulengang auf- und niederwan-
deln. Die griechische Wissenschaft, seit Alexanders des Groſsen
Tode nothgedrungen kosmopolitisch und unter den Aegyptern
und Syrern wenigstens eben so fremd wie unter den Lateinern,
trug jetzt vorzugsweise nach Italien ihre reichen Bildungsschätze,
freilich auch zugleich ihre Verkehrtheit und Bedientenhaftigkeit;
wie sich denn zum Beispiel einer dieser gelehrten Landläufer, der
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/548>, abgerufen am 22.11.2024.
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