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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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REPUBLIK UND MONARCHIE.
bewusst war über die specifisch römische hinaus und zu einer
italisch-hellenischen Quasinationalität fortgeschritten zu sein, be-
weist namentlich die Unterscheidung der ,gemeinen', d. h. der von
den Römern wie den Griechen anerkannten Götter von den be-
sonderen der römischen Gemeinde in der schon erwähnten var-
ronischen Theologie. -- Im Rechtswesen hatte es auf dem Gebiete
des Criminal- und Polizeirechts, wo die Regierung unmittelbarer
eingreift und dem rechtlichen Bedürfniss wesentlich durch eine
verständige Legislation genügt werden kann, keine Schwierigkeit
auf dem Wege der gesetzgeberischen Thätigkeit denjenigen Grad
materieller Gleichförmigkeit zu erreichen, der allerdings auch
hier für die Reichseinheit nothwendig war. Im Civilrecht dage-
gen, wo die Initiative dem Verkehr, dem Gesetzgeber nur die For-
mulirung zusteht, war das einheitliche Reichscivilrecht, das der
Gesetzgeber zu schaffen freilich nicht vermocht hätte, in der That
bereits auf naturgemässem Wege durch den Verkehr selber ent-
wickelt worden. Das römische Stadtrecht zwar beruhte rechtlich
immer noch auf der in den Zwölftafeln enthaltenen Formulirung
des latinischen Landrechts. Die späteren Gesetze hatten wohl im
Einzelnen mancherlei zeitgemässe Verbesserungen eingeführt, un-
ter denen leicht die wichtigste war die Abschaffung der alten un-
geschickten Prozesseröffnung durch stehende Spruchformeln der
Parteien (I, 104) und ihre Ersetzung durch eine von dem pro-
zessleitenden Beamten schriftlich abgefasste Instruction für den
Einzelgeschwornen (formula); allein in der Hauptsache hatte die
Volkslegislation nur über jene altersgraue Grundlage einen den
englischen Statutargesetzen vergleichbaren unübersehlichen Wust
grossentheils längst veralteter und vergessener Specialgesetze auf-
geschichtet. Die Versuche die Wissenschaft zu formuliren und zu
systematisiren hatten die verschlungenen Gänge des alten Civil-
rechts allerdings zugänglich gemacht und erhellt (II, 436); al-
lein dem Grundmangel, dass ein vor vierhundert Jahren abge-
fasstes städtisches Weisthum mit seinen ebenso diffusen wie con-
fusen Amendements jetzt als das Recht eines grossen Staates
dienen sollte, konnte kein römischer Blackstone abhelfen. Gründ-
licher half der Verkehr sich selbst. Längst hatte in Rom der rege
Verkehr zwischen Römern und Nichtrömern ein internationales
Privatrecht (ius gentium; I, 108) entwickelt, das heisst einen
Complex von Satzungen namentlich über Verkehrsverhältnisse,
nach welchen römische Richter dann sprachen, wenn eine Sache
weder nach ihrem eigenen noch nach irgend einem andern Land-
recht entschieden werden konnte, sondern sie genöthigt waren

REPUBLIK UND MONARCHIE.
bewuſst war über die specifisch römische hinaus und zu einer
italisch-hellenischen Quasinationalität fortgeschritten zu sein, be-
weist namentlich die Unterscheidung der ‚gemeinen', d. h. der von
den Römern wie den Griechen anerkannten Götter von den be-
sonderen der römischen Gemeinde in der schon erwähnten var-
ronischen Theologie. — Im Rechtswesen hatte es auf dem Gebiete
des Criminal- und Polizeirechts, wo die Regierung unmittelbarer
eingreift und dem rechtlichen Bedürfniſs wesentlich durch eine
verständige Legislation genügt werden kann, keine Schwierigkeit
auf dem Wege der gesetzgeberischen Thätigkeit denjenigen Grad
materieller Gleichförmigkeit zu erreichen, der allerdings auch
hier für die Reichseinheit nothwendig war. Im Civilrecht dage-
gen, wo die Initiative dem Verkehr, dem Gesetzgeber nur die For-
mulirung zusteht, war das einheitliche Reichscivilrecht, das der
Gesetzgeber zu schaffen freilich nicht vermocht hätte, in der That
bereits auf naturgemäſsem Wege durch den Verkehr selber ent-
wickelt worden. Das römische Stadtrecht zwar beruhte rechtlich
immer noch auf der in den Zwölftafeln enthaltenen Formulirung
des latinischen Landrechts. Die späteren Gesetze hatten wohl im
Einzelnen mancherlei zeitgemäſse Verbesserungen eingeführt, un-
ter denen leicht die wichtigste war die Abschaffung der alten un-
geschickten Prozeſseröffnung durch stehende Spruchformeln der
Parteien (I, 104) und ihre Ersetzung durch eine von dem pro-
zeſsleitenden Beamten schriftlich abgefaſste Instruction für den
Einzelgeschwornen (formula); allein in der Hauptsache hatte die
Volkslegislation nur über jene altersgraue Grundlage einen den
englischen Statutargesetzen vergleichbaren unübersehlichen Wust
groſsentheils längst veralteter und vergessener Specialgesetze auf-
geschichtet. Die Versuche die Wissenschaft zu formuliren und zu
systematisiren hatten die verschlungenen Gänge des alten Civil-
rechts allerdings zugänglich gemacht und erhellt (II, 436); al-
lein dem Grundmangel, daſs ein vor vierhundert Jahren abge-
faſstes städtisches Weisthum mit seinen ebenso diffusen wie con-
fusen Amendements jetzt als das Recht eines groſsen Staates
dienen sollte, konnte kein römischer Blackstone abhelfen. Gründ-
licher half der Verkehr sich selbst. Längst hatte in Rom der rege
Verkehr zwischen Römern und Nichtrömern ein internationales
Privatrecht (ius gentium; I, 108) entwickelt, das heiſst einen
Complex von Satzungen namentlich über Verkehrsverhältnisse,
nach welchen römische Richter dann sprachen, wenn eine Sache
weder nach ihrem eigenen noch nach irgend einem andern Land-
recht entschieden werden konnte, sondern sie genöthigt waren

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[517/0527] REPUBLIK UND MONARCHIE. bewuſst war über die specifisch römische hinaus und zu einer italisch-hellenischen Quasinationalität fortgeschritten zu sein, be- weist namentlich die Unterscheidung der ‚gemeinen', d. h. der von den Römern wie den Griechen anerkannten Götter von den be- sonderen der römischen Gemeinde in der schon erwähnten var- ronischen Theologie. — Im Rechtswesen hatte es auf dem Gebiete des Criminal- und Polizeirechts, wo die Regierung unmittelbarer eingreift und dem rechtlichen Bedürfniſs wesentlich durch eine verständige Legislation genügt werden kann, keine Schwierigkeit auf dem Wege der gesetzgeberischen Thätigkeit denjenigen Grad materieller Gleichförmigkeit zu erreichen, der allerdings auch hier für die Reichseinheit nothwendig war. Im Civilrecht dage- gen, wo die Initiative dem Verkehr, dem Gesetzgeber nur die For- mulirung zusteht, war das einheitliche Reichscivilrecht, das der Gesetzgeber zu schaffen freilich nicht vermocht hätte, in der That bereits auf naturgemäſsem Wege durch den Verkehr selber ent- wickelt worden. Das römische Stadtrecht zwar beruhte rechtlich immer noch auf der in den Zwölftafeln enthaltenen Formulirung des latinischen Landrechts. Die späteren Gesetze hatten wohl im Einzelnen mancherlei zeitgemäſse Verbesserungen eingeführt, un- ter denen leicht die wichtigste war die Abschaffung der alten un- geschickten Prozeſseröffnung durch stehende Spruchformeln der Parteien (I, 104) und ihre Ersetzung durch eine von dem pro- zeſsleitenden Beamten schriftlich abgefaſste Instruction für den Einzelgeschwornen (formula); allein in der Hauptsache hatte die Volkslegislation nur über jene altersgraue Grundlage einen den englischen Statutargesetzen vergleichbaren unübersehlichen Wust groſsentheils längst veralteter und vergessener Specialgesetze auf- geschichtet. Die Versuche die Wissenschaft zu formuliren und zu systematisiren hatten die verschlungenen Gänge des alten Civil- rechts allerdings zugänglich gemacht und erhellt (II, 436); al- lein dem Grundmangel, daſs ein vor vierhundert Jahren abge- faſstes städtisches Weisthum mit seinen ebenso diffusen wie con- fusen Amendements jetzt als das Recht eines groſsen Staates dienen sollte, konnte kein römischer Blackstone abhelfen. Gründ- licher half der Verkehr sich selbst. Längst hatte in Rom der rege Verkehr zwischen Römern und Nichtrömern ein internationales Privatrecht (ius gentium; I, 108) entwickelt, das heiſst einen Complex von Satzungen namentlich über Verkehrsverhältnisse, nach welchen römische Richter dann sprachen, wenn eine Sache weder nach ihrem eigenen noch nach irgend einem andern Land- recht entschieden werden konnte, sondern sie genöthigt waren

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/527>, abgerufen am 28.11.2024.