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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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REPUBLIK UND MONARCHIE.
dem Imperator zu; derjenige Sprengel, in dem er denselben un-
mittelbar übte, hiess Italien, diejenigen, in denen seine Adjutan-
ten, mit oder ohne Truppen, diesen Oberbefehl in seinem Namen
verwalteten, hiessen Provinzen.* Allein da es einen rechtlichen
Unterschied nicht macht, ob die Commando - und Verwaltungs-
geschäfte vom Imperator selbst oder durch Stellvertreter geführt
werden, so konnte der qualitative Unterschied als aufgehoben
gelten und es mussten fortan vielmehr die Districte, in denen die
Romanisirung vollständig durchgeführt war, diejenigen, in denen
sie vorbereitet ward, und diejenigen, in denen sie noch nicht be-
gonnen hatte, das heisst die römischen, die latinischen und die
Unterthanengemeinden, als die qualitativ verschiedenen Theile der
Monarchie unterschieden werden. -- Was die Communalverfas-
sung anlangt, so führte der von Caesar eingeschlagene Weg, den
zum vollständigen Eintritt in den Einheitsstaat reifen Gemeinden
latinisches und demnächst römisches Recht zu verleihen, allmäh-
lich gleichmässige Institutionen von selbst herbei. Nur in einer
Hinsicht konnte man hierauf nicht warten. Das neue Reich be-
durfte sofort einer Institution, die der Regierung die hauptsäch-
lichen Grundlagen der Verwaltung, die Bevölkerungs- und Ver-
mögensverhältnisse der einzelnen Gemeinden übersichtlich vor
Augen legte, das heisst eines verbesserten Census. Zunächst ward
der italische reformirt. Bisher war er unglaublicher Weise immer
noch ausschliesslich in der Hauptstadt abgehalten worden, zur
Belästigung der Bürgerschaft wie zum Schaden der Geschäfte.
Nach Caesars Verordnung** sollte künftig, wenn in der rö-
mischen Gemeinde die Schatzung stattfand, gleichzeitig in je-
der italischen der Name eines jeden Gemeindebürgers und der
seines Vaters oder Freilassers, sein Bezirk, sein Alter und sein
Vermögen von der höchsten Behörde der Gemeinde aufgezeich-
net und diese Listen an den römischen Schatzmeister so früh

* Es ist also irrig in der Ertheilung des römischen Bürgerrechts
und in dem Fortbestand der Provinzialverfassung sich einander ausschliessende
Gegensätze zu erblicken. Auch erhielt notorisch das cisalpinische Gallien
bereits 705 die Civität, während die Statthalter bis 711 nachweisbar sind;
und geradezu sagt es Dio (48, 12), dass die Einverleibung des cisalpini-
schen Galliens in Italien erst nach Caesars Tode erfolgte. So lange Caesar
lebte, blieb es Provinz. Schon dass die caesarische Gemeindeordnung die
Landschaft nie als Italien, sondern als cisalpinisches Gallien bezeichnet,
hätte auf das Richtige führen müssen.
** Dass dies eine Neuerung Caesars und nicht etwa schon in Folge des
Bundesgenossenkriegs verordnet war, hätte nicht bezweifelt werden sollen
(Cic. Verr. act. 1, 18, 54 und sonst).
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REPUBLIK UND MONARCHIE.
dem Imperator zu; derjenige Sprengel, in dem er denselben un-
mittelbar übte, hieſs Italien, diejenigen, in denen seine Adjutan-
ten, mit oder ohne Truppen, diesen Oberbefehl in seinem Namen
verwalteten, hieſsen Provinzen.* Allein da es einen rechtlichen
Unterschied nicht macht, ob die Commando - und Verwaltungs-
geschäfte vom Imperator selbst oder durch Stellvertreter geführt
werden, so konnte der qualitative Unterschied als aufgehoben
gelten und es muſsten fortan vielmehr die Districte, in denen die
Romanisirung vollständig durchgeführt war, diejenigen, in denen
sie vorbereitet ward, und diejenigen, in denen sie noch nicht be-
gonnen hatte, das heiſst die römischen, die latinischen und die
Unterthanengemeinden, als die qualitativ verschiedenen Theile der
Monarchie unterschieden werden. — Was die Communalverfas-
sung anlangt, so führte der von Caesar eingeschlagene Weg, den
zum vollständigen Eintritt in den Einheitsstaat reifen Gemeinden
latinisches und demnächst römisches Recht zu verleihen, allmäh-
lich gleichmäſsige Institutionen von selbst herbei. Nur in einer
Hinsicht konnte man hierauf nicht warten. Das neue Reich be-
durfte sofort einer Institution, die der Regierung die hauptsäch-
lichen Grundlagen der Verwaltung, die Bevölkerungs- und Ver-
mögensverhältnisse der einzelnen Gemeinden übersichtlich vor
Augen legte, das heiſst eines verbesserten Census. Zunächst ward
der italische reformirt. Bisher war er unglaublicher Weise immer
noch ausschlieſslich in der Hauptstadt abgehalten worden, zur
Belästigung der Bürgerschaft wie zum Schaden der Geschäfte.
Nach Caesars Verordnung** sollte künftig, wenn in der rö-
mischen Gemeinde die Schatzung stattfand, gleichzeitig in je-
der italischen der Name eines jeden Gemeindebürgers und der
seines Vaters oder Freilassers, sein Bezirk, sein Alter und sein
Vermögen von der höchsten Behörde der Gemeinde aufgezeich-
net und diese Listen an den römischen Schatzmeister so früh

* Es ist also irrig in der Ertheilung des römischen Bürgerrechts
und in dem Fortbestand der Provinzialverfassung sich einander ausschlieſsende
Gegensätze zu erblicken. Auch erhielt notorisch das cisalpinische Gallien
bereits 705 die Civität, während die Statthalter bis 711 nachweisbar sind;
und geradezu sagt es Dio (48, 12), daſs die Einverleibung des cisalpini-
schen Galliens in Italien erst nach Caesars Tode erfolgte. So lange Caesar
lebte, blieb es Provinz. Schon daſs die caesarische Gemeindeordnung die
Landschaft nie als Italien, sondern als cisalpinisches Gallien bezeichnet,
hätte auf das Richtige führen müssen.
** Daſs dies eine Neuerung Caesars und nicht etwa schon in Folge des
Bundesgenossenkriegs verordnet war, hätte nicht bezweifelt werden sollen
(Cic. Verr. act. 1, 18, 54 und sonst).
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[515/0525] REPUBLIK UND MONARCHIE. dem Imperator zu; derjenige Sprengel, in dem er denselben un- mittelbar übte, hieſs Italien, diejenigen, in denen seine Adjutan- ten, mit oder ohne Truppen, diesen Oberbefehl in seinem Namen verwalteten, hieſsen Provinzen. * Allein da es einen rechtlichen Unterschied nicht macht, ob die Commando - und Verwaltungs- geschäfte vom Imperator selbst oder durch Stellvertreter geführt werden, so konnte der qualitative Unterschied als aufgehoben gelten und es muſsten fortan vielmehr die Districte, in denen die Romanisirung vollständig durchgeführt war, diejenigen, in denen sie vorbereitet ward, und diejenigen, in denen sie noch nicht be- gonnen hatte, das heiſst die römischen, die latinischen und die Unterthanengemeinden, als die qualitativ verschiedenen Theile der Monarchie unterschieden werden. — Was die Communalverfas- sung anlangt, so führte der von Caesar eingeschlagene Weg, den zum vollständigen Eintritt in den Einheitsstaat reifen Gemeinden latinisches und demnächst römisches Recht zu verleihen, allmäh- lich gleichmäſsige Institutionen von selbst herbei. Nur in einer Hinsicht konnte man hierauf nicht warten. Das neue Reich be- durfte sofort einer Institution, die der Regierung die hauptsäch- lichen Grundlagen der Verwaltung, die Bevölkerungs- und Ver- mögensverhältnisse der einzelnen Gemeinden übersichtlich vor Augen legte, das heiſst eines verbesserten Census. Zunächst ward der italische reformirt. Bisher war er unglaublicher Weise immer noch ausschlieſslich in der Hauptstadt abgehalten worden, zur Belästigung der Bürgerschaft wie zum Schaden der Geschäfte. Nach Caesars Verordnung ** sollte künftig, wenn in der rö- mischen Gemeinde die Schatzung stattfand, gleichzeitig in je- der italischen der Name eines jeden Gemeindebürgers und der seines Vaters oder Freilassers, sein Bezirk, sein Alter und sein Vermögen von der höchsten Behörde der Gemeinde aufgezeich- net und diese Listen an den römischen Schatzmeister so früh * Es ist also irrig in der Ertheilung des römischen Bürgerrechts und in dem Fortbestand der Provinzialverfassung sich einander ausschlieſsende Gegensätze zu erblicken. Auch erhielt notorisch das cisalpinische Gallien bereits 705 die Civität, während die Statthalter bis 711 nachweisbar sind; und geradezu sagt es Dio (48, 12), daſs die Einverleibung des cisalpini- schen Galliens in Italien erst nach Caesars Tode erfolgte. So lange Caesar lebte, blieb es Provinz. Schon daſs die caesarische Gemeindeordnung die Landschaft nie als Italien, sondern als cisalpinisches Gallien bezeichnet, hätte auf das Richtige führen müssen. ** Daſs dies eine Neuerung Caesars und nicht etwa schon in Folge des Bundesgenossenkriegs verordnet war, hätte nicht bezweifelt werden sollen (Cic. Verr. act. 1, 18, 54 und sonst). 33*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/525>, abgerufen am 21.05.2024.