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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
(Aderbidjan) aus parthischen in armenische Lehnkönigreiche ver-
wandelt und das Reich von Ninive (Mosul) oder Adiabene we-
nigstens vorübergehend gleichfalls gezwungen in die armenische
Clientel einzutreten. Auch in Mesopotamien, namentlich in und um
Nisibis, ward die armenische Herrschaft begründet; nur die süd-
liche grossentheils wüste Hälfte scheint nicht in festem Besitz des
neuen Grosskönigs gewesen und namentlich Seleukeia am Tigris
ihm nicht unterthänig geworden zu sein. Das Reich von Edessa
oder Osroene übergab er einem Stamme der schweifenden Araber,
den er aus dem südlichen Mesopotamien hieher verpflanzte und
hier ansässig machte, um durch ihn den Euphratübergang und
die grosse Handelsstrasse zu beherrschen*. Aber Tigranes be-
schränkte seine Eroberungen keineswegs auf das östliche Ufer
des Euphrat. Vor allem Kappadokien war das Ziel seiner An-
griffe und erlitt, wehrlos wie es war, vernichtende Schläge
von dem übermächtigen Nachbar. Die östlichste Landschaft Me-
litene riss Tigranes von Kappadokien ab und vereinigte sie mit
der gegenüberliegenden armenischen Provinz Sophene, wodurch
er den Euphratübergang mit der grossen kleinasiatisch-arme-
nischen Handelsstrasse in seine Gewalt bekam. Nach Sullas
Tode rückten sodann seine Heere in das eigentliche Kappado-
kien ein und führten die Bewohner der Hauptstadt Mazaka (spä-
ter Kaesareia) und elf anderer griechisch geordneter Städte weg
nach Armenien. Nicht mehr Umstände machte der Grosskönig
mit dem in voller Auflösung begriffenen Seleukidenreiche. Hier
herrschte im Süden von der ägyptischen Grenze bis nach Stra-
tons Thurm (Kaesareia) der Judenfürst Alexandros Janneas, der
im Kampfe mit den syrischen, ägyptischen und arabischen Nach-

* Das Reich von Edessa, dessen Gründung die einheimischen Chroniken
um 620 setzen (II, 57), kam erst einige Zeit nach seiner Entstehung unter
die arabische Dynastie der Abgaros und Mannos, die wir später daselbst
finden. Offenbar hängt dies zusammen mit der Ansiedlung vieler Araber
durch Tigranes den Grossen in der Gegend von Edessa, Kallirrhoe, Karrhae
(Plin. h. n. 5, 20, 85. 21, 86. 6, 28, 142); wovon auch Plutarch (Luc. 21)
berichtet, dass Tigranes, die Sitten der Zeltaraber umwandelnd, sie sei-
nem Reiche näher ansiedelte, um durch sie des Handels sich zu bemächtigen.
Vermuthlich ist dies so zu verstehen, dass die Beduinen, die gewohnt waren,
durch ihr Gebiet Handelsstrassen zu eröffnen und auf diesen feste Durch-
gangszölle zu erheben (Strabon 16, 748), dem Grosskönig als eine Art von
Zollcontroleuren dienen und an der Euphratpassage für ihn und für sich
Zölle erheben sollten. Diese osroenischen Araber (Orei Arabes), wie sie
Plinius nennt, müssen auch die Araber am Berg Amanos sein, die Afranius
überwand (Plut. Pomp. 39).

FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
(Aderbidjan) aus parthischen in armenische Lehnkönigreiche ver-
wandelt und das Reich von Ninive (Mosul) oder Adiabene we-
nigstens vorübergehend gleichfalls gezwungen in die armenische
Clientel einzutreten. Auch in Mesopotamien, namentlich in und um
Nisibis, ward die armenische Herrschaft begründet; nur die süd-
liche groſsentheils wüste Hälfte scheint nicht in festem Besitz des
neuen Groſskönigs gewesen und namentlich Seleukeia am Tigris
ihm nicht unterthänig geworden zu sein. Das Reich von Edessa
oder Osroene übergab er einem Stamme der schweifenden Araber,
den er aus dem südlichen Mesopotamien hieher verpflanzte und
hier ansässig machte, um durch ihn den Euphratübergang und
die groſse Handelsstraſse zu beherrschen*. Aber Tigranes be-
schränkte seine Eroberungen keineswegs auf das östliche Ufer
des Euphrat. Vor allem Kappadokien war das Ziel seiner An-
griffe und erlitt, wehrlos wie es war, vernichtende Schläge
von dem übermächtigen Nachbar. Die östlichste Landschaft Me-
litene riſs Tigranes von Kappadokien ab und vereinigte sie mit
der gegenüberliegenden armenischen Provinz Sophene, wodurch
er den Euphratübergang mit der groſsen kleinasiatisch-arme-
nischen Handelsstraſse in seine Gewalt bekam. Nach Sullas
Tode rückten sodann seine Heere in das eigentliche Kappado-
kien ein und führten die Bewohner der Hauptstadt Mazaka (spä-
ter Kaesareia) und elf anderer griechisch geordneter Städte weg
nach Armenien. Nicht mehr Umstände machte der Groſskönig
mit dem in voller Auflösung begriffenen Seleukidenreiche. Hier
herrschte im Süden von der ägyptischen Grenze bis nach Stra-
tons Thurm (Kaesareia) der Judenfürst Alexandros Janneas, der
im Kampfe mit den syrischen, ägyptischen und arabischen Nach-

* Das Reich von Edessa, dessen Gründung die einheimischen Chroniken
um 620 setzen (II, 57), kam erst einige Zeit nach seiner Entstehung unter
die arabische Dynastie der Abgaros und Mannos, die wir später daselbst
finden. Offenbar hängt dies zusammen mit der Ansiedlung vieler Araber
durch Tigranes den Groſsen in der Gegend von Edessa, Kallirrhoe, Karrhae
(Plin. h. n. 5, 20, 85. 21, 86. 6, 28, 142); wovon auch Plutarch (Luc. 21)
berichtet, daſs Tigranes, die Sitten der Zeltaraber umwandelnd, sie sei-
nem Reiche näher ansiedelte, um durch sie des Handels sich zu bemächtigen.
Vermuthlich ist dies so zu verstehen, daſs die Beduinen, die gewohnt waren,
durch ihr Gebiet Handelsstraſsen zu eröffnen und auf diesen feste Durch-
gangszölle zu erheben (Strabon 16, 748), dem Groſskönig als eine Art von
Zollcontroleuren dienen und an der Euphratpassage für ihn und für sich
Zölle erheben sollten. Diese osroenischen Araber (Orei Arabes), wie sie
Plinius nennt, müssen auch die Araber am Berg Amanos sein, die Afranius
überwand (Plut. Pomp. 39).
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[42/0052] FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. (Aderbidjan) aus parthischen in armenische Lehnkönigreiche ver- wandelt und das Reich von Ninive (Mosul) oder Adiabene we- nigstens vorübergehend gleichfalls gezwungen in die armenische Clientel einzutreten. Auch in Mesopotamien, namentlich in und um Nisibis, ward die armenische Herrschaft begründet; nur die süd- liche groſsentheils wüste Hälfte scheint nicht in festem Besitz des neuen Groſskönigs gewesen und namentlich Seleukeia am Tigris ihm nicht unterthänig geworden zu sein. Das Reich von Edessa oder Osroene übergab er einem Stamme der schweifenden Araber, den er aus dem südlichen Mesopotamien hieher verpflanzte und hier ansässig machte, um durch ihn den Euphratübergang und die groſse Handelsstraſse zu beherrschen *. Aber Tigranes be- schränkte seine Eroberungen keineswegs auf das östliche Ufer des Euphrat. Vor allem Kappadokien war das Ziel seiner An- griffe und erlitt, wehrlos wie es war, vernichtende Schläge von dem übermächtigen Nachbar. Die östlichste Landschaft Me- litene riſs Tigranes von Kappadokien ab und vereinigte sie mit der gegenüberliegenden armenischen Provinz Sophene, wodurch er den Euphratübergang mit der groſsen kleinasiatisch-arme- nischen Handelsstraſse in seine Gewalt bekam. Nach Sullas Tode rückten sodann seine Heere in das eigentliche Kappado- kien ein und führten die Bewohner der Hauptstadt Mazaka (spä- ter Kaesareia) und elf anderer griechisch geordneter Städte weg nach Armenien. Nicht mehr Umstände machte der Groſskönig mit dem in voller Auflösung begriffenen Seleukidenreiche. Hier herrschte im Süden von der ägyptischen Grenze bis nach Stra- tons Thurm (Kaesareia) der Judenfürst Alexandros Janneas, der im Kampfe mit den syrischen, ägyptischen und arabischen Nach- * Das Reich von Edessa, dessen Gründung die einheimischen Chroniken um 620 setzen (II, 57), kam erst einige Zeit nach seiner Entstehung unter die arabische Dynastie der Abgaros und Mannos, die wir später daselbst finden. Offenbar hängt dies zusammen mit der Ansiedlung vieler Araber durch Tigranes den Groſsen in der Gegend von Edessa, Kallirrhoe, Karrhae (Plin. h. n. 5, 20, 85. 21, 86. 6, 28, 142); wovon auch Plutarch (Luc. 21) berichtet, daſs Tigranes, die Sitten der Zeltaraber umwandelnd, sie sei- nem Reiche näher ansiedelte, um durch sie des Handels sich zu bemächtigen. Vermuthlich ist dies so zu verstehen, daſs die Beduinen, die gewohnt waren, durch ihr Gebiet Handelsstraſsen zu eröffnen und auf diesen feste Durch- gangszölle zu erheben (Strabon 16, 748), dem Groſskönig als eine Art von Zollcontroleuren dienen und an der Euphratpassage für ihn und für sich Zölle erheben sollten. Diese osroenischen Araber (Orei Arabes), wie sie Plinius nennt, müssen auch die Araber am Berg Amanos sein, die Afranius überwand (Plut. Pomp. 39).

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/52>, abgerufen am 25.11.2024.