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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
wandte sich darauf zur Zerstörung derjenigen Städte an der klein-
asiatischen Südküste, die ihnen als Ankerplätze und Entrepots
dienten. Die Festungen des mächtigen Seefürsten Zeniketes: Olym-
pos, Korykos, Phaselis im östlichen Lykien, Attaleia in Pamphylien
wurden gebrochen und in den Flammen der Burg Olympos fand
der Fürst selbst den Tod. Hierauf wandte sich Servilius gegen die
Isaurer, welche im nordwestlichen Winkel des rauhen Kilikiens am
nördlichen Abhang des Tauros ein mit prachtvollen Eichenwäldern
bedecktes Labyrinth von steilen Bergrücken, zerklüfteten Felsen
und tiefgeschnittenen Thälern bewohnten -- eine Gegend, die
noch heute von den Erinnerungen an die alte Räuberzeit erfüllt
ist. Um diese isaurischen Felsennester, die letzten und sichersten
Zufluchtsstätten der Flibustier, zu bezwingen, führte Servilius die
erste römische Armee über den Tauros und brach die feindlichen
Festungen Oroanda und vor allem Isaura selbst, das Ideal einer
Räuberstadt, auf der Höhe eines schwer zugänglichen Bergzuges
gelegen und die weite Ebene von Ikonion vollständig überschauend
und beherrschend. Der dreijährige Feldzug (676--678), aus dem
Publius Servilius für sich und seine Nachkommen den Beinamen
des Isaurikers heimbrachte, war nicht ohne Frucht; eine grosse
Anzahl von Corsaren und Corsarenschiffen geriethen durch den-
selben in die Gewalt der Römer; Lykien, Pamphylien, Westkilikien
wurden arg verheert, die Gebiete der zerstörten Städte eingezogen
und die Provinz Kilikien mit ihnen erweitert. Allein es lag in der
Natur der Sache, dass die Piraterie doch damit keineswegs unter-
drückt war, sondern nur sich zunächst nach andern Gegenden,
namentlich nach der ältesten Herberge der Corsaren des Mittel-
meers (II, 60), nach Kreta zog. Nur umfassend und einheitlich
durchgeführte Repressivmassregeln oder vielmehr nur die Ein-
richtung einer stehenden Seepolizei konnten hier durchgreifende
Abhülfe gewähren.

In vielfacher Beziehung mit diesem Seekrieg standen die Ver-
hältnisse des kleinasiatischen Festlandes. Die Spannung, die
hier zwischen Rom und den Königen von Pontos und Armenien
bestand, liess nicht nach, sondern steigerte sich mehr und mehr.
Auf der einen Seite griff König Tigranes von Armenien in der
rücksichtslosesten Weise erobernd um sich. Die Parther, deren
Staat in dieser Zeit auch durch innere Unruhen im tiefsten Ver-
fall darniederlag, wurden in andauernden Fehden weiter und
weiter in das innere Asien zurückgedrängt. Von den Landschaf-
ten zwischen Armenien, Mesopotamien und Iran wurden Kor-
duene (nördliches Kurdistan) und das atropatenische Medien

DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
wandte sich darauf zur Zerstörung derjenigen Städte an der klein-
asiatischen Südküste, die ihnen als Ankerplätze und Entrepots
dienten. Die Festungen des mächtigen Seefürsten Zeniketes: Olym-
pos, Korykos, Phaselis im östlichen Lykien, Attaleia in Pamphylien
wurden gebrochen und in den Flammen der Burg Olympos fand
der Fürst selbst den Tod. Hierauf wandte sich Servilius gegen die
Isaurer, welche im nordwestlichen Winkel des rauhen Kilikiens am
nördlichen Abhang des Tauros ein mit prachtvollen Eichenwäldern
bedecktes Labyrinth von steilen Bergrücken, zerklüfteten Felsen
und tiefgeschnittenen Thälern bewohnten — eine Gegend, die
noch heute von den Erinnerungen an die alte Räuberzeit erfüllt
ist. Um diese isaurischen Felsennester, die letzten und sichersten
Zufluchtsstätten der Flibustier, zu bezwingen, führte Servilius die
erste römische Armee über den Tauros und brach die feindlichen
Festungen Oroanda und vor allem Isaura selbst, das Ideal einer
Räuberstadt, auf der Höhe eines schwer zugänglichen Bergzuges
gelegen und die weite Ebene von Ikonion vollständig überschauend
und beherrschend. Der dreijährige Feldzug (676—678), aus dem
Publius Servilius für sich und seine Nachkommen den Beinamen
des Isaurikers heimbrachte, war nicht ohne Frucht; eine groſse
Anzahl von Corsaren und Corsarenschiffen geriethen durch den-
selben in die Gewalt der Römer; Lykien, Pamphylien, Westkilikien
wurden arg verheert, die Gebiete der zerstörten Städte eingezogen
und die Provinz Kilikien mit ihnen erweitert. Allein es lag in der
Natur der Sache, daſs die Piraterie doch damit keineswegs unter-
drückt war, sondern nur sich zunächst nach andern Gegenden,
namentlich nach der ältesten Herberge der Corsaren des Mittel-
meers (II, 60), nach Kreta zog. Nur umfassend und einheitlich
durchgeführte Repressivmaſsregeln oder vielmehr nur die Ein-
richtung einer stehenden Seepolizei konnten hier durchgreifende
Abhülfe gewähren.

In vielfacher Beziehung mit diesem Seekrieg standen die Ver-
hältnisse des kleinasiatischen Festlandes. Die Spannung, die
hier zwischen Rom und den Königen von Pontos und Armenien
bestand, lieſs nicht nach, sondern steigerte sich mehr und mehr.
Auf der einen Seite griff König Tigranes von Armenien in der
rücksichtslosesten Weise erobernd um sich. Die Parther, deren
Staat in dieser Zeit auch durch innere Unruhen im tiefsten Ver-
fall darniederlag, wurden in andauernden Fehden weiter und
weiter in das innere Asien zurückgedrängt. Von den Landschaf-
ten zwischen Armenien, Mesopotamien und Iran wurden Kor-
duene (nördliches Kurdistan) und das atropatenische Medien

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[41/0051] DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. wandte sich darauf zur Zerstörung derjenigen Städte an der klein- asiatischen Südküste, die ihnen als Ankerplätze und Entrepots dienten. Die Festungen des mächtigen Seefürsten Zeniketes: Olym- pos, Korykos, Phaselis im östlichen Lykien, Attaleia in Pamphylien wurden gebrochen und in den Flammen der Burg Olympos fand der Fürst selbst den Tod. Hierauf wandte sich Servilius gegen die Isaurer, welche im nordwestlichen Winkel des rauhen Kilikiens am nördlichen Abhang des Tauros ein mit prachtvollen Eichenwäldern bedecktes Labyrinth von steilen Bergrücken, zerklüfteten Felsen und tiefgeschnittenen Thälern bewohnten — eine Gegend, die noch heute von den Erinnerungen an die alte Räuberzeit erfüllt ist. Um diese isaurischen Felsennester, die letzten und sichersten Zufluchtsstätten der Flibustier, zu bezwingen, führte Servilius die erste römische Armee über den Tauros und brach die feindlichen Festungen Oroanda und vor allem Isaura selbst, das Ideal einer Räuberstadt, auf der Höhe eines schwer zugänglichen Bergzuges gelegen und die weite Ebene von Ikonion vollständig überschauend und beherrschend. Der dreijährige Feldzug (676—678), aus dem Publius Servilius für sich und seine Nachkommen den Beinamen des Isaurikers heimbrachte, war nicht ohne Frucht; eine groſse Anzahl von Corsaren und Corsarenschiffen geriethen durch den- selben in die Gewalt der Römer; Lykien, Pamphylien, Westkilikien wurden arg verheert, die Gebiete der zerstörten Städte eingezogen und die Provinz Kilikien mit ihnen erweitert. Allein es lag in der Natur der Sache, daſs die Piraterie doch damit keineswegs unter- drückt war, sondern nur sich zunächst nach andern Gegenden, namentlich nach der ältesten Herberge der Corsaren des Mittel- meers (II, 60), nach Kreta zog. Nur umfassend und einheitlich durchgeführte Repressivmaſsregeln oder vielmehr nur die Ein- richtung einer stehenden Seepolizei konnten hier durchgreifende Abhülfe gewähren. In vielfacher Beziehung mit diesem Seekrieg standen die Ver- hältnisse des kleinasiatischen Festlandes. Die Spannung, die hier zwischen Rom und den Königen von Pontos und Armenien bestand, lieſs nicht nach, sondern steigerte sich mehr und mehr. Auf der einen Seite griff König Tigranes von Armenien in der rücksichtslosesten Weise erobernd um sich. Die Parther, deren Staat in dieser Zeit auch durch innere Unruhen im tiefsten Ver- fall darniederlag, wurden in andauernden Fehden weiter und weiter in das innere Asien zurückgedrängt. Von den Landschaf- ten zwischen Armenien, Mesopotamien und Iran wurden Kor- duene (nördliches Kurdistan) und das atropatenische Medien

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/51>, abgerufen am 27.04.2024.