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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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REPUBLIK UND MONARCHIE.
Kaufmannschaft zusammen. Auch zu jener Zeit endlich begegnen
wir der eigenthümlichen Antipathie der Occidentalen gegen diese
so gründlich orientalische Race und ihre fremdartigen Meinungen
und Sitten. Dies Judenthum, obwohl nicht der erfreulichste Zug
in dem nirgends erfreulichen Bilde der damaligen Völkermengung,
war nichts desto weniger ein im natürlichen Verlauf der Dinge
sich entwickelndes geschichtliches Moment, das der Staatsmann
weder sich ableugnen noch bekämpfen durfte und dem Caesar
vielmehr, eben wie sein Vorgänger Alexander, in richtiger Er-
kenntniss der Verhältnisse möglichst Vorschub that. Wenn Ale-
xander, der Stifter des alexandrinischen Judenthums, damit nicht
viel weniger für die Nation that wie ihr eigener David durch die
Gründung von Jerusalem, so förderte auch Caesar die Juden in
Alexandreia wie in Rom durch besondere Begünstigungen und
Vorrechte und schützte namentlich ihren eigenthümlichen Cult
gegen die römischen wie gegen die griechischen Localpfaffen. Die
beiden grossen Männer dachten natürlich nicht daran der helle-
nischen oder italisch-hellenischen Nationalität die jüdische eben-
bürtig zur Seite zu stellen. Aber der Jude, der nicht wie der Oc-
cidentale die Pandoragabe politischer Organisation empfangen hat
und gegen den Staat sich wesentlich gleichgültig verhält; der
ferner ebenso schwer den Kern seiner nationalen Eigenthümlich-
keit aufgiebt als bereitwillig denselben mit jeder beliebigen Natio-
nalität umhüllt und bis zu einem gewissen Grad die fremde Volks-
thümlichkeit sich aneignet -- der Jude war eben darum wie ge-
schaffen für einen Staat, welcher auf den Trümmern von hundert
lebendigen Politien erbaut und mit einer gewissermassen abstrac-
ten und von vornherein verschliffenen Nationalität ausgestattet
werden sollte. Auch in der alten Welt war das Judenthum ein
wirksames Ferment des Kosmopolitismus und der nationalen
Decomposition und insofern ein vorzugsweise berechtigtes Mit-
glied in dem caesarischen Staate, dessen Politie doch eigentlich
nichts als Weltbürgerthum, dessen Volksthümlichkeit eigentlich
nichts als Humanität war. -- Indess die positiven Elemente des
neuen Bürgerthums blieben ausschliesslich die latinische und die
hellenische Nationalität. Mit dem specifisch italischen Staat der
Republik war es also zu Ende; jedoch war es nichts als ein sehr
erklärliches, aber auch sehr albernes Gerede des grollenden Adels,
dass Caesar Italien und Rom absichtlich zu Grunde richte, um
den Schwerpunct des Reiches in den griechischen Osten zu ver-
legen und zur Hauptstadt desselben Ilion oder Alexandreia zu
machen. Vielmehr behielt in Caesars Organisationen die latinische

REPUBLIK UND MONARCHIE.
Kaufmannschaft zusammen. Auch zu jener Zeit endlich begegnen
wir der eigenthümlichen Antipathie der Occidentalen gegen diese
so gründlich orientalische Race und ihre fremdartigen Meinungen
und Sitten. Dies Judenthum, obwohl nicht der erfreulichste Zug
in dem nirgends erfreulichen Bilde der damaligen Völkermengung,
war nichts desto weniger ein im natürlichen Verlauf der Dinge
sich entwickelndes geschichtliches Moment, das der Staatsmann
weder sich ableugnen noch bekämpfen durfte und dem Caesar
vielmehr, eben wie sein Vorgänger Alexander, in richtiger Er-
kenntniſs der Verhältnisse möglichst Vorschub that. Wenn Ale-
xander, der Stifter des alexandrinischen Judenthums, damit nicht
viel weniger für die Nation that wie ihr eigener David durch die
Gründung von Jerusalem, so förderte auch Caesar die Juden in
Alexandreia wie in Rom durch besondere Begünstigungen und
Vorrechte und schützte namentlich ihren eigenthümlichen Cult
gegen die römischen wie gegen die griechischen Localpfaffen. Die
beiden groſsen Männer dachten natürlich nicht daran der helle-
nischen oder italisch-hellenischen Nationalität die jüdische eben-
bürtig zur Seite zu stellen. Aber der Jude, der nicht wie der Oc-
cidentale die Pandoragabe politischer Organisation empfangen hat
und gegen den Staat sich wesentlich gleichgültig verhält; der
ferner ebenso schwer den Kern seiner nationalen Eigenthümlich-
keit aufgiebt als bereitwillig denselben mit jeder beliebigen Natio-
nalität umhüllt und bis zu einem gewissen Grad die fremde Volks-
thümlichkeit sich aneignet — der Jude war eben darum wie ge-
schaffen für einen Staat, welcher auf den Trümmern von hundert
lebendigen Politien erbaut und mit einer gewissermaſsen abstrac-
ten und von vornherein verschliffenen Nationalität ausgestattet
werden sollte. Auch in der alten Welt war das Judenthum ein
wirksames Ferment des Kosmopolitismus und der nationalen
Decomposition und insofern ein vorzugsweise berechtigtes Mit-
glied in dem caesarischen Staate, dessen Politie doch eigentlich
nichts als Weltbürgerthum, dessen Volksthümlichkeit eigentlich
nichts als Humanität war. — Indeſs die positiven Elemente des
neuen Bürgerthums blieben ausschlieſslich die latinische und die
hellenische Nationalität. Mit dem specifisch italischen Staat der
Republik war es also zu Ende; jedoch war es nichts als ein sehr
erklärliches, aber auch sehr albernes Gerede des grollenden Adels,
daſs Caesar Italien und Rom absichtlich zu Grunde richte, um
den Schwerpunct des Reiches in den griechischen Osten zu ver-
legen und zur Hauptstadt desselben Ilion oder Alexandreia zu
machen. Vielmehr behielt in Caesars Organisationen die latinische

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[507/0517] REPUBLIK UND MONARCHIE. Kaufmannschaft zusammen. Auch zu jener Zeit endlich begegnen wir der eigenthümlichen Antipathie der Occidentalen gegen diese so gründlich orientalische Race und ihre fremdartigen Meinungen und Sitten. Dies Judenthum, obwohl nicht der erfreulichste Zug in dem nirgends erfreulichen Bilde der damaligen Völkermengung, war nichts desto weniger ein im natürlichen Verlauf der Dinge sich entwickelndes geschichtliches Moment, das der Staatsmann weder sich ableugnen noch bekämpfen durfte und dem Caesar vielmehr, eben wie sein Vorgänger Alexander, in richtiger Er- kenntniſs der Verhältnisse möglichst Vorschub that. Wenn Ale- xander, der Stifter des alexandrinischen Judenthums, damit nicht viel weniger für die Nation that wie ihr eigener David durch die Gründung von Jerusalem, so förderte auch Caesar die Juden in Alexandreia wie in Rom durch besondere Begünstigungen und Vorrechte und schützte namentlich ihren eigenthümlichen Cult gegen die römischen wie gegen die griechischen Localpfaffen. Die beiden groſsen Männer dachten natürlich nicht daran der helle- nischen oder italisch-hellenischen Nationalität die jüdische eben- bürtig zur Seite zu stellen. Aber der Jude, der nicht wie der Oc- cidentale die Pandoragabe politischer Organisation empfangen hat und gegen den Staat sich wesentlich gleichgültig verhält; der ferner ebenso schwer den Kern seiner nationalen Eigenthümlich- keit aufgiebt als bereitwillig denselben mit jeder beliebigen Natio- nalität umhüllt und bis zu einem gewissen Grad die fremde Volks- thümlichkeit sich aneignet — der Jude war eben darum wie ge- schaffen für einen Staat, welcher auf den Trümmern von hundert lebendigen Politien erbaut und mit einer gewissermaſsen abstrac- ten und von vornherein verschliffenen Nationalität ausgestattet werden sollte. Auch in der alten Welt war das Judenthum ein wirksames Ferment des Kosmopolitismus und der nationalen Decomposition und insofern ein vorzugsweise berechtigtes Mit- glied in dem caesarischen Staate, dessen Politie doch eigentlich nichts als Weltbürgerthum, dessen Volksthümlichkeit eigentlich nichts als Humanität war. — Indeſs die positiven Elemente des neuen Bürgerthums blieben ausschlieſslich die latinische und die hellenische Nationalität. Mit dem specifisch italischen Staat der Republik war es also zu Ende; jedoch war es nichts als ein sehr erklärliches, aber auch sehr albernes Gerede des grollenden Adels, daſs Caesar Italien und Rom absichtlich zu Grunde richte, um den Schwerpunct des Reiches in den griechischen Osten zu ver- legen und zur Hauptstadt desselben Ilion oder Alexandreia zu machen. Vielmehr behielt in Caesars Organisationen die latinische

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/517>, abgerufen am 29.11.2024.