Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. die militärischen Requisitionen im Kriegsfall, waren ebenso häufigwie erdrückend und unberechenbar. In den Clientelstaaten waren die Formen der Besteuerung etwas verschieden, aber die Lasten selbst wo möglich noch ärger, da ausser den Römern hier auch noch die einheimischen Höfe erpressten. In Kappadokien und Aegypten war der Bauer wie der König bankerott und jener den Steuereinnehmer, dieser den römischen Gläubiger zu befriedigen ausser Stande. Dazu kamen denn die eigentlichen Erpressungen nicht bloss des Statthalters selbst, sondern auch seiner ,Freunde', von denen jeder gleichsam eine Anweisung auf den Statthalter zu haben meinte und ein Anrecht durch ihn aus der Provinz als ein gemachter Mann zurückzukommen. Die römische Oligarchie glich in dieser Beziehung vollständig einer Räuberbande und betrieb das Plündern der Provinzialen berufs- und handwerks- mässig: ein tüchtiges Mitglied griff nicht allzu säuberlich zu, da man ja mit den Sachwaltern und den Geschworenen zu theilen hatte und je mehr, um desto sicherer stahl. Auch die Diebes- ehre war bereits entwickelt: der grosse Räuber sah auf den klei- nen, dieser auf den blossen Dieb geringschätzig herab; wer ein- mal wunderbarer Weise verurtheilt worden war, that gross mit der hohen Ziffer der als erpresst ihm nachgewiesenen Summen. So wirthschafteten in den Aemtern die Nachfolger jener Männer, die von ihrer Verwaltung nichts nach Hause zu bringen gewohnt gewesen als den Dank der Unterthanen und den Beifall der Mit- bürger. Aber wo möglich noch ärger und noch weniger einer Controle unterworfen hausten die italischen Geschäftsmänner un- ter den unglücklichen Provinzialen. Die einträglichsten Stücke des Grundbesitzes und das gesammte Handels- und Geldwesen in den Aemtern concentrirten sich in ihren Händen. Die Wuche- rei florirte wie nie zuvor. Es kam vor, dass Capitalien selbst an Stadtgemeinden zu 4 Procent monatlich verborgt wurden. Es war etwas Gewöhnliches, dass ein energischer und einfluss- reicher Geschäftsmann zu besserer Betreibung seiner Geschäfte entweder vom Senat sich den Gesandten-* oder auch vom Statt- halter den Offizierstitel geben liess und wo möglich auch Mann- schaft dazu; in beglaubigter Weise wird ein Fall erzählt, wo einer dieser ehrenwerthen kriegerischen Banquiers wegen einer For- derung an die Stadt Salamis auf Kypros den Gemeinderath der- selben im Rathhaus so lange blokirt hielt, bis fünf der Raths- * Dies ist die sogenannte ,freie Gesandtschaft' (libera legatio), näm-
lich eine Gesundtschaft ohne eigentliche öffentliche Aufträge. FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. die militärischen Requisitionen im Kriegsfall, waren ebenso häufigwie erdrückend und unberechenbar. In den Clientelstaaten waren die Formen der Besteuerung etwas verschieden, aber die Lasten selbst wo möglich noch ärger, da auſser den Römern hier auch noch die einheimischen Höfe erpreſsten. In Kappadokien und Aegypten war der Bauer wie der König bankerott und jener den Steuereinnehmer, dieser den römischen Gläubiger zu befriedigen auſser Stande. Dazu kamen denn die eigentlichen Erpressungen nicht bloſs des Statthalters selbst, sondern auch seiner ‚Freunde‘, von denen jeder gleichsam eine Anweisung auf den Statthalter zu haben meinte und ein Anrecht durch ihn aus der Provinz als ein gemachter Mann zurückzukommen. Die römische Oligarchie glich in dieser Beziehung vollständig einer Räuberbande und betrieb das Plündern der Provinzialen berufs- und handwerks- mäſsig: ein tüchtiges Mitglied griff nicht allzu säuberlich zu, da man ja mit den Sachwaltern und den Geschworenen zu theilen hatte und je mehr, um desto sicherer stahl. Auch die Diebes- ehre war bereits entwickelt: der groſse Räuber sah auf den klei- nen, dieser auf den bloſsen Dieb geringschätzig herab; wer ein- mal wunderbarer Weise verurtheilt worden war, that groſs mit der hohen Ziffer der als erpreſst ihm nachgewiesenen Summen. So wirthschafteten in den Aemtern die Nachfolger jener Männer, die von ihrer Verwaltung nichts nach Hause zu bringen gewohnt gewesen als den Dank der Unterthanen und den Beifall der Mit- bürger. Aber wo möglich noch ärger und noch weniger einer Controle unterworfen hausten die italischen Geschäftsmänner un- ter den unglücklichen Provinzialen. Die einträglichsten Stücke des Grundbesitzes und das gesammte Handels- und Geldwesen in den Aemtern concentrirten sich in ihren Händen. Die Wuche- rei florirte wie nie zuvor. Es kam vor, daſs Capitalien selbst an Stadtgemeinden zu 4 Procent monatlich verborgt wurden. Es war etwas Gewöhnliches, daſs ein energischer und einfluſs- reicher Geschäftsmann zu besserer Betreibung seiner Geschäfte entweder vom Senat sich den Gesandten-* oder auch vom Statt- halter den Offizierstitel geben lieſs und wo möglich auch Mann- schaft dazu; in beglaubigter Weise wird ein Fall erzählt, wo einer dieser ehrenwerthen kriegerischen Banquiers wegen einer For- derung an die Stadt Salamis auf Kypros den Gemeinderath der- selben im Rathhaus so lange blokirt hielt, bis fünf der Raths- * Dies ist die sogenannte ‚freie Gesandtschaft‘ (libera legatio), näm-
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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
die militärischen Requisitionen im Kriegsfall, waren ebenso häufig
wie erdrückend und unberechenbar. In den Clientelstaaten waren
die Formen der Besteuerung etwas verschieden, aber die Lasten
selbst wo möglich noch ärger, da auſser den Römern hier auch
noch die einheimischen Höfe erpreſsten. In Kappadokien und
Aegypten war der Bauer wie der König bankerott und jener den
Steuereinnehmer, dieser den römischen Gläubiger zu befriedigen
auſser Stande. Dazu kamen denn die eigentlichen Erpressungen
nicht bloſs des Statthalters selbst, sondern auch seiner ‚Freunde‘,
von denen jeder gleichsam eine Anweisung auf den Statthalter zu
haben meinte und ein Anrecht durch ihn aus der Provinz als
ein gemachter Mann zurückzukommen. Die römische Oligarchie
glich in dieser Beziehung vollständig einer Räuberbande und
betrieb das Plündern der Provinzialen berufs- und handwerks-
mäſsig: ein tüchtiges Mitglied griff nicht allzu säuberlich zu, da
man ja mit den Sachwaltern und den Geschworenen zu theilen
hatte und je mehr, um desto sicherer stahl. Auch die Diebes-
ehre war bereits entwickelt: der groſse Räuber sah auf den klei-
nen, dieser auf den bloſsen Dieb geringschätzig herab; wer ein-
mal wunderbarer Weise verurtheilt worden war, that groſs mit
der hohen Ziffer der als erpreſst ihm nachgewiesenen Summen.
So wirthschafteten in den Aemtern die Nachfolger jener Männer,
die von ihrer Verwaltung nichts nach Hause zu bringen gewohnt
gewesen als den Dank der Unterthanen und den Beifall der Mit-
bürger. Aber wo möglich noch ärger und noch weniger einer
Controle unterworfen hausten die italischen Geschäftsmänner un-
ter den unglücklichen Provinzialen. Die einträglichsten Stücke
des Grundbesitzes und das gesammte Handels- und Geldwesen
in den Aemtern concentrirten sich in ihren Händen. Die Wuche-
rei florirte wie nie zuvor. Es kam vor, daſs Capitalien selbst
an Stadtgemeinden zu 4 Procent monatlich verborgt wurden.
Es war etwas Gewöhnliches, daſs ein energischer und einfluſs-
reicher Geschäftsmann zu besserer Betreibung seiner Geschäfte
entweder vom Senat sich den Gesandten- * oder auch
vom Statt-
halter den Offizierstitel geben lieſs und wo möglich auch Mann-
schaft dazu; in beglaubigter Weise wird ein Fall erzählt, wo einer
dieser ehrenwerthen kriegerischen Banquiers wegen einer For-
derung an die Stadt Salamis auf Kypros den Gemeinderath der-
selben im Rathhaus so lange blokirt hielt, bis fünf der Raths-
* Dies ist die sogenannte ‚freie Gesandtschaft‘ (libera legatio), näm-
lich eine Gesundtschaft ohne eigentliche öffentliche Aufträge.
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