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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
bei weitem nicht aus; die syrische Herrschaft über Kilikien war
immer nur nominell gewesen und seit kurzem gar ersetzt worden
durch die armenische, deren Inhaber als ächter Grosskönig um das
Meer gar nicht sich kümmerte und dasselbe bereitwillig den Kili-
kern zur Plünderung preisgab. So war es kein Wunder, wenn die
Corsaren hier gediehen wie nirgends sonst. Nicht bloss besassen sie
hier überall am Ufer Signalplätze und Stationen, sondern auch wei-
ter landeinwärts in den abgelegensten Verstecken des unwegsamen
und gebirgigen lykischen, pamphylischen, kilikischen Binnenlandes
hatten sie sich ihre Felsschlösser erbaut, in denen, während sie
selbst zur See fuhren, sie ihre Weiber, Kinder und Schätze bargen,
auch wohl in gefährlichen Zeiten selbst dort eine Zufluchtstätte
fanden. Namentlich gab es solche Corsarenschlösser in grosser
Zahl in dem rauhen Kilikien, dessen Waldungen zugleich den Pi-
raten das vortrefflichste Holz zum Schiffbau lieferten und wo dess-
halb ihre hauptsächlichsten Schiffbaustätten und Arsenale sich be-
fanden. Es war nicht zu verwundern, dass an diesen geordneten
Militärstaat sich eine feste Clientel von Seestädten anschloss, die
mit den Piraten wie mit einer befreundeten Macht auf Grund be-
stimmter Verträge Handelsverkehr eröffneten und der Aufforde-
rung der römischen Statthalter Schiffe gegen sie zu stellen nicht
nachkamen; wie denn zum Beispiel die nicht unbeträchtliche
Stadt Side in Pamphylien den Piraten gestattete auf ihren Werf-
ten Schiffe zu bauen und die gefangenen Freien auf ihrem Markt-
platz feilzubieten. -- Eine solche Seeräuberschaft war eine poli-
tische Macht; und als politische Macht gab sie sich und ward sie
genommen, seit zuerst der syrische König Tryphon sie als solche
benutzt und seine Herrschaft auf sie gestützt hatte (II, 61).
Wir finden die Piraten als Verbündete des Königs Mithradates
von Pontos so wie der römischen demokratischen Emigration;
wir finden sie Schlachten liefern gegen die Flotten Sullas in den
östlichen wie in den westlichen Gewässern. Wir finden einzelne
Piratenfürsten, die über eine Kette von ansehnlichen Küsten-
plätzen gebieten. Es lässt sich nicht sagen, wie weit die innere
politische Entwickelung dieses schwimmenden Staates bereits ge-
diehen war; aber unleugbar liegt in diesen Bildungen der Keim
eines Seekönigthums, das bereits sich ansässig zu machen beginnt
und aus dem unter günstigen Verhältnissen wohl ein dauernder
Staat sich hätte entwickeln mögen.

Es ist hiemit ausgesprochen und ward zum Theil schon be-
reits früher (II, 60) bezeichnet, wie die Römer auf ,ihrem Meere'
die Ordnung hielten oder vielmehr nicht hielten. Roms Schutz-

DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
bei weitem nicht aus; die syrische Herrschaft über Kilikien war
immer nur nominell gewesen und seit kurzem gar ersetzt worden
durch die armenische, deren Inhaber als ächter Groſskönig um das
Meer gar nicht sich kümmerte und dasselbe bereitwillig den Kili-
kern zur Plünderung preisgab. So war es kein Wunder, wenn die
Corsaren hier gediehen wie nirgends sonst. Nicht bloſs besaſsen sie
hier überall am Ufer Signalplätze und Stationen, sondern auch wei-
ter landeinwärts in den abgelegensten Verstecken des unwegsamen
und gebirgigen lykischen, pamphylischen, kilikischen Binnenlandes
hatten sie sich ihre Felsschlösser erbaut, in denen, während sie
selbst zur See fuhren, sie ihre Weiber, Kinder und Schätze bargen,
auch wohl in gefährlichen Zeiten selbst dort eine Zufluchtstätte
fanden. Namentlich gab es solche Corsarenschlösser in groſser
Zahl in dem rauhen Kilikien, dessen Waldungen zugleich den Pi-
raten das vortrefflichste Holz zum Schiffbau lieferten und wo deſs-
halb ihre hauptsächlichsten Schiffbaustätten und Arsenale sich be-
fanden. Es war nicht zu verwundern, daſs an diesen geordneten
Militärstaat sich eine feste Clientel von Seestädten anschloſs, die
mit den Piraten wie mit einer befreundeten Macht auf Grund be-
stimmter Verträge Handelsverkehr eröffneten und der Aufforde-
rung der römischen Statthalter Schiffe gegen sie zu stellen nicht
nachkamen; wie denn zum Beispiel die nicht unbeträchtliche
Stadt Side in Pamphylien den Piraten gestattete auf ihren Werf-
ten Schiffe zu bauen und die gefangenen Freien auf ihrem Markt-
platz feilzubieten. — Eine solche Seeräuberschaft war eine poli-
tische Macht; und als politische Macht gab sie sich und ward sie
genommen, seit zuerst der syrische König Tryphon sie als solche
benutzt und seine Herrschaft auf sie gestützt hatte (II, 61).
Wir finden die Piraten als Verbündete des Königs Mithradates
von Pontos so wie der römischen demokratischen Emigration;
wir finden sie Schlachten liefern gegen die Flotten Sullas in den
östlichen wie in den westlichen Gewässern. Wir finden einzelne
Piratenfürsten, die über eine Kette von ansehnlichen Küsten-
plätzen gebieten. Es läſst sich nicht sagen, wie weit die innere
politische Entwickelung dieses schwimmenden Staates bereits ge-
diehen war; aber unleugbar liegt in diesen Bildungen der Keim
eines Seekönigthums, das bereits sich ansässig zu machen beginnt
und aus dem unter günstigen Verhältnissen wohl ein dauernder
Staat sich hätte entwickeln mögen.

Es ist hiemit ausgesprochen und ward zum Theil schon be-
reits früher (II, 60) bezeichnet, wie die Römer auf ‚ihrem Meere‘
die Ordnung hielten oder vielmehr nicht hielten. Roms Schutz-

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[39/0049] DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. bei weitem nicht aus; die syrische Herrschaft über Kilikien war immer nur nominell gewesen und seit kurzem gar ersetzt worden durch die armenische, deren Inhaber als ächter Groſskönig um das Meer gar nicht sich kümmerte und dasselbe bereitwillig den Kili- kern zur Plünderung preisgab. So war es kein Wunder, wenn die Corsaren hier gediehen wie nirgends sonst. Nicht bloſs besaſsen sie hier überall am Ufer Signalplätze und Stationen, sondern auch wei- ter landeinwärts in den abgelegensten Verstecken des unwegsamen und gebirgigen lykischen, pamphylischen, kilikischen Binnenlandes hatten sie sich ihre Felsschlösser erbaut, in denen, während sie selbst zur See fuhren, sie ihre Weiber, Kinder und Schätze bargen, auch wohl in gefährlichen Zeiten selbst dort eine Zufluchtstätte fanden. Namentlich gab es solche Corsarenschlösser in groſser Zahl in dem rauhen Kilikien, dessen Waldungen zugleich den Pi- raten das vortrefflichste Holz zum Schiffbau lieferten und wo deſs- halb ihre hauptsächlichsten Schiffbaustätten und Arsenale sich be- fanden. Es war nicht zu verwundern, daſs an diesen geordneten Militärstaat sich eine feste Clientel von Seestädten anschloſs, die mit den Piraten wie mit einer befreundeten Macht auf Grund be- stimmter Verträge Handelsverkehr eröffneten und der Aufforde- rung der römischen Statthalter Schiffe gegen sie zu stellen nicht nachkamen; wie denn zum Beispiel die nicht unbeträchtliche Stadt Side in Pamphylien den Piraten gestattete auf ihren Werf- ten Schiffe zu bauen und die gefangenen Freien auf ihrem Markt- platz feilzubieten. — Eine solche Seeräuberschaft war eine poli- tische Macht; und als politische Macht gab sie sich und ward sie genommen, seit zuerst der syrische König Tryphon sie als solche benutzt und seine Herrschaft auf sie gestützt hatte (II, 61). Wir finden die Piraten als Verbündete des Königs Mithradates von Pontos so wie der römischen demokratischen Emigration; wir finden sie Schlachten liefern gegen die Flotten Sullas in den östlichen wie in den westlichen Gewässern. Wir finden einzelne Piratenfürsten, die über eine Kette von ansehnlichen Küsten- plätzen gebieten. Es läſst sich nicht sagen, wie weit die innere politische Entwickelung dieses schwimmenden Staates bereits ge- diehen war; aber unleugbar liegt in diesen Bildungen der Keim eines Seekönigthums, das bereits sich ansässig zu machen beginnt und aus dem unter günstigen Verhältnissen wohl ein dauernder Staat sich hätte entwickeln mögen. Es ist hiemit ausgesprochen und ward zum Theil schon be- reits früher (II, 60) bezeichnet, wie die Römer auf ‚ihrem Meere‘ die Ordnung hielten oder vielmehr nicht hielten. Roms Schutz-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/49>, abgerufen am 20.04.2024.