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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
likien und Syrien hinzukamen. Unter den ausserordentlichen Aus-
gaben sind in erster Linie die grossen Kosten der Flottenrüstungen
zu nennen, wofür zum Beispiel fünf Jahre nach der grossen Razzia
von 687 auf einmal 34 Mill. Sesterzen (21/2 Mill. Thlr.) veraus-
gabt wurden. Dazu kamen die sehr ansehnlichen Summen, wel-
che die Kriegszüge und Kriegsvorbereitungen wegnahmen, wie
denn bloss für Ausrüstung des makedonischen Heeres des Piso
auf einmal 18 Mill. Sest. (1,300000 Thlr.), an Pompeius für
die Unterhaltung und Besoldung der spanischen Armee gar jähr-
lich 24 Mill. Sest. (1,716000 Thlr.) und ähnliche Summen an
Caesar für die gallischen Legionen gezahlt wurden. So beträcht-
lich aber auch diese Ansprüche waren, die an die römische Staats-
kasse gemacht wurden, so hätte dennoch dieselbe ihnen wahr-
scheinlich zu genügen vermocht, wenn nicht ihre einst so mu-
sterhafte Verwaltung von der allgemeinen Schlaffheit und Unehr-
lichkeit dieser Zeit mit ergriffen worden wäre; oft stockten die
Zahlungen des Aerars bloss desshalb, weil man dessen ausste-
hende Forderungen einzumahnen versäumte. Die vorgesetzten
Beamten, zwei von den Quaestoren, junge jährlich gewechselte
Menschen, verhielten im besten Fall sich passiv; unter dem frü-
herhin seiner Ehrenhaftigkeit wegen mit Recht hochangesehenen
Schreiber- und sonstigen Bureaupersonal waren jetzt, namentlich
seit diese Posten käuflich geworden waren (II, 65), die ärgsten
Missbräuche im Schwange. -- Caesar begegnete der hier ob-
waltenden Zerrüttung hauptsächlich dadurch, dass er, statt wie
bisher im Senat, jetzt in seinem Kabinet alle Fäden des römischen
Staatsfinanzwesens zusammenlaufen liess, wodurch denn von
selbst neues Leben, strengere Ordnung und festerer Zusammen-
hang in alle Räder und Triebfedern dieser grossen Maschine kam.
Ferner wurden die beiden von Gaius Gracchus herrührenden und
Krebsschäden gleich das römische Finanzsystem zerfressenden
Institutionen: die Verpachtung der directen Abgaben und die Ge-
treidevertheilungen, theils beseitigt, theils reformirt. Caesar wollte
nicht wie sein Vorläufer die Nobilität durch die Banquieraristo-
kratie und den hauptstädtischen Pöbel in Schach halten, sondern
jene vernichten und das Gemeinwesen von sämmtlichen Parasiten
hohen und niedern Ranges befreien; und darum ging er in diesen
beiden wichtigen Fragen nicht mit Gaius Gracchus, sondern mit
dem Oligarchen Sulla. Das Verpachtungssystem blieb für die in-
directen Abgaben bestehen, bei denen es uralt war und, bei der
auch von Caesar unverbrüchlich festgehaltenen finanziellen Ma-
xime der Römer die Abgabenerhebung um jeden Preis einfach

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likien und Syrien hinzukamen. Unter den auſserordentlichen Aus-
gaben sind in erster Linie die groſsen Kosten der Flottenrüstungen
zu nennen, wofür zum Beispiel fünf Jahre nach der groſsen Razzia
von 687 auf einmal 34 Mill. Sesterzen (2½ Mill. Thlr.) veraus-
gabt wurden. Dazu kamen die sehr ansehnlichen Summen, wel-
che die Kriegszüge und Kriegsvorbereitungen wegnahmen, wie
denn bloſs für Ausrüstung des makedonischen Heeres des Piso
auf einmal 18 Mill. Sest. (1,300000 Thlr.), an Pompeius für
die Unterhaltung und Besoldung der spanischen Armee gar jähr-
lich 24 Mill. Sest. (1,716000 Thlr.) und ähnliche Summen an
Caesar für die gallischen Legionen gezahlt wurden. So beträcht-
lich aber auch diese Ansprüche waren, die an die römische Staats-
kasse gemacht wurden, so hätte dennoch dieselbe ihnen wahr-
scheinlich zu genügen vermocht, wenn nicht ihre einst so mu-
sterhafte Verwaltung von der allgemeinen Schlaffheit und Unehr-
lichkeit dieser Zeit mit ergriffen worden wäre; oft stockten die
Zahlungen des Aerars bloſs deſshalb, weil man dessen ausste-
hende Forderungen einzumahnen versäumte. Die vorgesetzten
Beamten, zwei von den Quaestoren, junge jährlich gewechselte
Menschen, verhielten im besten Fall sich passiv; unter dem frü-
herhin seiner Ehrenhaftigkeit wegen mit Recht hochangesehenen
Schreiber- und sonstigen Bureaupersonal waren jetzt, namentlich
seit diese Posten käuflich geworden waren (II, 65), die ärgsten
Miſsbräuche im Schwange. — Caesar begegnete der hier ob-
waltenden Zerrüttung hauptsächlich dadurch, daſs er, statt wie
bisher im Senat, jetzt in seinem Kabinet alle Fäden des römischen
Staatsfinanzwesens zusammenlaufen lieſs, wodurch denn von
selbst neues Leben, strengere Ordnung und festerer Zusammen-
hang in alle Räder und Triebfedern dieser groſsen Maschine kam.
Ferner wurden die beiden von Gaius Gracchus herrührenden und
Krebsschäden gleich das römische Finanzsystem zerfressenden
Institutionen: die Verpachtung der directen Abgaben und die Ge-
treidevertheilungen, theils beseitigt, theils reformirt. Caesar wollte
nicht wie sein Vorläufer die Nobilität durch die Banquieraristo-
kratie und den hauptstädtischen Pöbel in Schach halten, sondern
jene vernichten und das Gemeinwesen von sämmtlichen Parasiten
hohen und niedern Ranges befreien; und darum ging er in diesen
beiden wichtigen Fragen nicht mit Gaius Gracchus, sondern mit
dem Oligarchen Sulla. Das Verpachtungssystem blieb für die in-
directen Abgaben bestehen, bei denen es uralt war und, bei der
auch von Caesar unverbrüchlich festgehaltenen finanziellen Ma-
xime der Römer die Abgabenerhebung um jeden Preis einfach

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[468/0478] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. likien und Syrien hinzukamen. Unter den auſserordentlichen Aus- gaben sind in erster Linie die groſsen Kosten der Flottenrüstungen zu nennen, wofür zum Beispiel fünf Jahre nach der groſsen Razzia von 687 auf einmal 34 Mill. Sesterzen (2½ Mill. Thlr.) veraus- gabt wurden. Dazu kamen die sehr ansehnlichen Summen, wel- che die Kriegszüge und Kriegsvorbereitungen wegnahmen, wie denn bloſs für Ausrüstung des makedonischen Heeres des Piso auf einmal 18 Mill. Sest. (1,300000 Thlr.), an Pompeius für die Unterhaltung und Besoldung der spanischen Armee gar jähr- lich 24 Mill. Sest. (1,716000 Thlr.) und ähnliche Summen an Caesar für die gallischen Legionen gezahlt wurden. So beträcht- lich aber auch diese Ansprüche waren, die an die römische Staats- kasse gemacht wurden, so hätte dennoch dieselbe ihnen wahr- scheinlich zu genügen vermocht, wenn nicht ihre einst so mu- sterhafte Verwaltung von der allgemeinen Schlaffheit und Unehr- lichkeit dieser Zeit mit ergriffen worden wäre; oft stockten die Zahlungen des Aerars bloſs deſshalb, weil man dessen ausste- hende Forderungen einzumahnen versäumte. Die vorgesetzten Beamten, zwei von den Quaestoren, junge jährlich gewechselte Menschen, verhielten im besten Fall sich passiv; unter dem frü- herhin seiner Ehrenhaftigkeit wegen mit Recht hochangesehenen Schreiber- und sonstigen Bureaupersonal waren jetzt, namentlich seit diese Posten käuflich geworden waren (II, 65), die ärgsten Miſsbräuche im Schwange. — Caesar begegnete der hier ob- waltenden Zerrüttung hauptsächlich dadurch, daſs er, statt wie bisher im Senat, jetzt in seinem Kabinet alle Fäden des römischen Staatsfinanzwesens zusammenlaufen lieſs, wodurch denn von selbst neues Leben, strengere Ordnung und festerer Zusammen- hang in alle Räder und Triebfedern dieser groſsen Maschine kam. Ferner wurden die beiden von Gaius Gracchus herrührenden und Krebsschäden gleich das römische Finanzsystem zerfressenden Institutionen: die Verpachtung der directen Abgaben und die Ge- treidevertheilungen, theils beseitigt, theils reformirt. Caesar wollte nicht wie sein Vorläufer die Nobilität durch die Banquieraristo- kratie und den hauptstädtischen Pöbel in Schach halten, sondern jene vernichten und das Gemeinwesen von sämmtlichen Parasiten hohen und niedern Ranges befreien; und darum ging er in diesen beiden wichtigen Fragen nicht mit Gaius Gracchus, sondern mit dem Oligarchen Sulla. Das Verpachtungssystem blieb für die in- directen Abgaben bestehen, bei denen es uralt war und, bei der auch von Caesar unverbrüchlich festgehaltenen finanziellen Ma- xime der Römer die Abgabenerhebung um jeden Preis einfach

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/478>, abgerufen am 18.05.2024.