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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
der den Werth einer geläufigen Formulirung ebenso würdigte wie
die mehr an die Namen als an das Wesen der Dinge sich heften-
den Antipathien der Menge, entschlossen war den mit uraltem
Bannfluch behafteten und den Römern seiner Zeit mehr noch für
die Despoten des Orients als für ihre Numas und Servius geläu-
figen Königsnamen zu vermeiden und das Wesen des Königthums
unter dem Imperatorentitel sich anzueignen. -- Wie also der Herr
da war, säumte natürlich auch der Hof nicht in obligatem Pomp
und obligater Geschmacklosigkeit und Leerheit sich einzurichten.
Caesar erschien öffentlich statt in dem mit Purpurstreifen ver-
brämten Gewande der Consuln in dem ganzpurpurnen, das im
Alterthum als das Königskleid galt, und empfing auf seinem Gold-
sessel sitzend, ohne sich von demselben zu erheben, den feierli-
chen Zug des Senats. Die Geburtstags-, Sieges- und Gelübde-
feste zu seinen Ehren füllten den Kalender. Wenn Caesar nach
der Hauptstadt kam, zogen ihm die vornehmsten seiner Diener
schaarenweise auf weite Strecken entgegen ihn einzuholen. Ihm
nahe zu sein fing an so viel zu bedeuten, dass die Miethpreise in
dem von ihm bewohnten Stadtviertel in die Höhe gingen. Durch
die Menge der zur Audienz sich drängenden Personen ward die
persönliche Verhandlung mit ihm so schwierig, dass Caesar selbst
mit seinen Vertrauten vielfach schriftlich zu verkehren sich ge-
nöthigt sah und dass auch die Vornehmsten stundenlang im Vor-
zimmer zu warten hatten. Man empfand es, deutlicher als es
Caesar selber lieb war, dass man nicht mehr zu einem Mitbürger
kam. Nach allen Seiten hin offenbarte sich das neue Herrenthum.

Unter einem also thatsächlich unumschränkten Monarchen
konnte kaum von einer Verfassung überhaupt die Rede sein, ge-
schweige denn von dem Fortbestand des bisherigen auf dem ge-
setzlichen Zusammenwirken der Gemeinde, des Senats und der
einzelnen Beamten beruhenden Gemeinwesens. Mit voller Be-
stimmtheit ging Caesar zurück auf die Ueberlieferung der Kö-
nigszeit: die Bürgerschaftsversammlung blieb, was sie schon in
der Königszeit gewesen war, neben und mit dem König der
höchste und letzte Ausdruck des souverainen Volkswillens; der
Senat ward wieder auf seine ursprüngliche Bestimmung zurück-
geführt dem Herrn auf dessen Verlangen Rath zu ertheilen; der
Herrscher endlich concentrirte in seiner Person aufs Neue die
gesammte Beamtengewalt, so dass es einen andern selbstständi-
gen Staatsbeamten neben ihm so wenig wie neben den Königen
der ältesten Zeit gab.

Für die Gesetzgebung hielt der demokratische Monarch fest

FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
der den Werth einer geläufigen Formulirung ebenso würdigte wie
die mehr an die Namen als an das Wesen der Dinge sich heften-
den Antipathien der Menge, entschlossen war den mit uraltem
Bannfluch behafteten und den Römern seiner Zeit mehr noch für
die Despoten des Orients als für ihre Numas und Servius geläu-
figen Königsnamen zu vermeiden und das Wesen des Königthums
unter dem Imperatorentitel sich anzueignen. — Wie also der Herr
da war, säumte natürlich auch der Hof nicht in obligatem Pomp
und obligater Geschmacklosigkeit und Leerheit sich einzurichten.
Caesar erschien öffentlich statt in dem mit Purpurstreifen ver-
brämten Gewande der Consuln in dem ganzpurpurnen, das im
Alterthum als das Königskleid galt, und empfing auf seinem Gold-
sessel sitzend, ohne sich von demselben zu erheben, den feierli-
chen Zug des Senats. Die Geburtstags-, Sieges- und Gelübde-
feste zu seinen Ehren füllten den Kalender. Wenn Caesar nach
der Hauptstadt kam, zogen ihm die vornehmsten seiner Diener
schaarenweise auf weite Strecken entgegen ihn einzuholen. Ihm
nahe zu sein fing an so viel zu bedeuten, daſs die Miethpreise in
dem von ihm bewohnten Stadtviertel in die Höhe gingen. Durch
die Menge der zur Audienz sich drängenden Personen ward die
persönliche Verhandlung mit ihm so schwierig, daſs Caesar selbst
mit seinen Vertrauten vielfach schriftlich zu verkehren sich ge-
nöthigt sah und daſs auch die Vornehmsten stundenlang im Vor-
zimmer zu warten hatten. Man empfand es, deutlicher als es
Caesar selber lieb war, daſs man nicht mehr zu einem Mitbürger
kam. Nach allen Seiten hin offenbarte sich das neue Herrenthum.

Unter einem also thatsächlich unumschränkten Monarchen
konnte kaum von einer Verfassung überhaupt die Rede sein, ge-
schweige denn von dem Fortbestand des bisherigen auf dem ge-
setzlichen Zusammenwirken der Gemeinde, des Senats und der
einzelnen Beamten beruhenden Gemeinwesens. Mit voller Be-
stimmtheit ging Caesar zurück auf die Ueberlieferung der Kö-
nigszeit: die Bürgerschaftsversammlung blieb, was sie schon in
der Königszeit gewesen war, neben und mit dem König der
höchste und letzte Ausdruck des souverainen Volkswillens; der
Senat ward wieder auf seine ursprüngliche Bestimmung zurück-
geführt dem Herrn auf dessen Verlangen Rath zu ertheilen; der
Herrscher endlich concentrirte in seiner Person aufs Neue die
gesammte Beamtengewalt, so daſs es einen andern selbstständi-
gen Staatsbeamten neben ihm so wenig wie neben den Königen
der ältesten Zeit gab.

Für die Gesetzgebung hielt der demokratische Monarch fest

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[450/0460] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. der den Werth einer geläufigen Formulirung ebenso würdigte wie die mehr an die Namen als an das Wesen der Dinge sich heften- den Antipathien der Menge, entschlossen war den mit uraltem Bannfluch behafteten und den Römern seiner Zeit mehr noch für die Despoten des Orients als für ihre Numas und Servius geläu- figen Königsnamen zu vermeiden und das Wesen des Königthums unter dem Imperatorentitel sich anzueignen. — Wie also der Herr da war, säumte natürlich auch der Hof nicht in obligatem Pomp und obligater Geschmacklosigkeit und Leerheit sich einzurichten. Caesar erschien öffentlich statt in dem mit Purpurstreifen ver- brämten Gewande der Consuln in dem ganzpurpurnen, das im Alterthum als das Königskleid galt, und empfing auf seinem Gold- sessel sitzend, ohne sich von demselben zu erheben, den feierli- chen Zug des Senats. Die Geburtstags-, Sieges- und Gelübde- feste zu seinen Ehren füllten den Kalender. Wenn Caesar nach der Hauptstadt kam, zogen ihm die vornehmsten seiner Diener schaarenweise auf weite Strecken entgegen ihn einzuholen. Ihm nahe zu sein fing an so viel zu bedeuten, daſs die Miethpreise in dem von ihm bewohnten Stadtviertel in die Höhe gingen. Durch die Menge der zur Audienz sich drängenden Personen ward die persönliche Verhandlung mit ihm so schwierig, daſs Caesar selbst mit seinen Vertrauten vielfach schriftlich zu verkehren sich ge- nöthigt sah und daſs auch die Vornehmsten stundenlang im Vor- zimmer zu warten hatten. Man empfand es, deutlicher als es Caesar selber lieb war, daſs man nicht mehr zu einem Mitbürger kam. Nach allen Seiten hin offenbarte sich das neue Herrenthum. Unter einem also thatsächlich unumschränkten Monarchen konnte kaum von einer Verfassung überhaupt die Rede sein, ge- schweige denn von dem Fortbestand des bisherigen auf dem ge- setzlichen Zusammenwirken der Gemeinde, des Senats und der einzelnen Beamten beruhenden Gemeinwesens. Mit voller Be- stimmtheit ging Caesar zurück auf die Ueberlieferung der Kö- nigszeit: die Bürgerschaftsversammlung blieb, was sie schon in der Königszeit gewesen war, neben und mit dem König der höchste und letzte Ausdruck des souverainen Volkswillens; der Senat ward wieder auf seine ursprüngliche Bestimmung zurück- geführt dem Herrn auf dessen Verlangen Rath zu ertheilen; der Herrscher endlich concentrirte in seiner Person aufs Neue die gesammte Beamtengewalt, so daſs es einen andern selbstständi- gen Staatsbeamten neben ihm so wenig wie neben den Königen der ältesten Zeit gab. Für die Gesetzgebung hielt der demokratische Monarch fest

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/460>, abgerufen am 18.12.2024.