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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
mando anerkannt, war doch nur dem Namen nach Oberfeldherr
-- hoffte hinter den Lagerwällen Schutz zu finden; aber Caesar
gestattete ihr keine Rast: rasch war die hartnäckige Gegenwehr
der römischen und thrakischen Lagerwachen überwältigt und die
Masse genöthigt sich in Unordnung die Anhöhen von Krannon
und Skotussa hinaufzuziehen, an deren Fusse das Lager geschla-
gen war. Sie versuchte auf diesen Hügeln sich fortbewegend
Larissa wieder zu erreichen; allein Caesars Truppen, weder der
Beute noch der Müdigkeit achtend und auf besseren Wegen in
der Ebene vorrückend, verlegten den Flüchtigen den Weg; ja als
am späten Abend die Pompeianer ihren Marsch einstellten, ver-
mochten ihre Verfolger es noch eine Schanzlinie zu ziehen, die
den Zugang zu dem einzigen in der Nähe befindlichen Bach den
Flüchtigen verschloss. So endigte der Tag von Pharsalos. Die
feindliche Armee war nicht bloss geschlagen, sondern vernichtet.
15000 der Feinde lagen todt oder verwundet auf dem Schlacht-
feld, während die Caesarianer nur 200 Mann vermissten; die noch
zusammengebliebene Masse, immer noch gegen 20000 Mann,
streckten am Morgen nach der Schlacht die Waffen; nur ein-
zelne Trupps, darunter freilich die namhaftesten Offiziere, such-
ten eine Zuflucht in den Bergen; von den elf feindlichen Adlern
wurden Caesar neun überbracht. Caesar, der schon am Tage
der Schlacht die Soldaten erinnert hatte im Feinde nicht den
Mitbürger zu vergessen, behandelte die Gefangenen nicht wie Bi-
bulus und Labienus; indess auch er fand es doch nöthig jetzt die
Strenge walten zu lassen. Die gemeinen Soldaten wurden in das
Heer eingereiht, gegen die Leute besseren Standes Geldbussen
oder Vermögensconfiscationen erkannt; die gefangenen Sena-
toren und namhaften Ritter erlitten mit wenigen Ausnahmen den
Tod. Die Zeiten unbedingter Gnade waren vorbei; je länger er
währte, desto rücksichtsloser und unversöhnlicher waltete der
Bürgerkrieg.

Es dauerte einige Zeit, bevor die Folgen des neunten August
706 vollständig sich übersehen liessen. Was am wenigsten Zwei-
fel litt, war der Uebertritt aller derer, die nur aus Klugheitsrück-
sichten oder widerwillig sich zu der bei Pharsalos überwundenen
Partei geschlagen hatten, auf die Seite des Siegers; die Nieder-
lage war eine so völlig entscheidende, dass dem Sieger alles zufiel,
was nicht für eine verlorene Sache streiten wollte oder musste.
Alle die Könige, Völker und Städte, die bisher Pompeius Clientel
gebildet hatten, riefen jetzt ihre Flotten- und Heerescontingente
zurück und weigerten den Flüchtlingen der geschlagenen Partei

FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
mando anerkannt, war doch nur dem Namen nach Oberfeldherr
— hoffte hinter den Lagerwällen Schutz zu finden; aber Caesar
gestattete ihr keine Rast: rasch war die hartnäckige Gegenwehr
der römischen und thrakischen Lagerwachen überwältigt und die
Masse genöthigt sich in Unordnung die Anhöhen von Krannon
und Skotussa hinaufzuziehen, an deren Fuſse das Lager geschla-
gen war. Sie versuchte auf diesen Hügeln sich fortbewegend
Larissa wieder zu erreichen; allein Caesars Truppen, weder der
Beute noch der Müdigkeit achtend und auf besseren Wegen in
der Ebene vorrückend, verlegten den Flüchtigen den Weg; ja als
am späten Abend die Pompeianer ihren Marsch einstellten, ver-
mochten ihre Verfolger es noch eine Schanzlinie zu ziehen, die
den Zugang zu dem einzigen in der Nähe befindlichen Bach den
Flüchtigen verschloſs. So endigte der Tag von Pharsalos. Die
feindliche Armee war nicht bloſs geschlagen, sondern vernichtet.
15000 der Feinde lagen todt oder verwundet auf dem Schlacht-
feld, während die Caesarianer nur 200 Mann vermiſsten; die noch
zusammengebliebene Masse, immer noch gegen 20000 Mann,
streckten am Morgen nach der Schlacht die Waffen; nur ein-
zelne Trupps, darunter freilich die namhaftesten Offiziere, such-
ten eine Zuflucht in den Bergen; von den elf feindlichen Adlern
wurden Caesar neun überbracht. Caesar, der schon am Tage
der Schlacht die Soldaten erinnert hatte im Feinde nicht den
Mitbürger zu vergessen, behandelte die Gefangenen nicht wie Bi-
bulus und Labienus; indeſs auch er fand es doch nöthig jetzt die
Strenge walten zu lassen. Die gemeinen Soldaten wurden in das
Heer eingereiht, gegen die Leute besseren Standes Geldbuſsen
oder Vermögensconfiscationen erkannt; die gefangenen Sena-
toren und namhaften Ritter erlitten mit wenigen Ausnahmen den
Tod. Die Zeiten unbedingter Gnade waren vorbei; je länger er
währte, desto rücksichtsloser und unversöhnlicher waltete der
Bürgerkrieg.

Es dauerte einige Zeit, bevor die Folgen des neunten August
706 vollständig sich übersehen lieſsen. Was am wenigsten Zwei-
fel litt, war der Uebertritt aller derer, die nur aus Klugheitsrück-
sichten oder widerwillig sich zu der bei Pharsalos überwundenen
Partei geschlagen hatten, auf die Seite des Siegers; die Nieder-
lage war eine so völlig entscheidende, daſs dem Sieger alles zufiel,
was nicht für eine verlorene Sache streiten wollte oder muſste.
Alle die Könige, Völker und Städte, die bisher Pompeius Clientel
gebildet hatten, riefen jetzt ihre Flotten- und Heerescontingente
zurück und weigerten den Flüchtlingen der geschlagenen Partei

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[396/0406] FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. mando anerkannt, war doch nur dem Namen nach Oberfeldherr — hoffte hinter den Lagerwällen Schutz zu finden; aber Caesar gestattete ihr keine Rast: rasch war die hartnäckige Gegenwehr der römischen und thrakischen Lagerwachen überwältigt und die Masse genöthigt sich in Unordnung die Anhöhen von Krannon und Skotussa hinaufzuziehen, an deren Fuſse das Lager geschla- gen war. Sie versuchte auf diesen Hügeln sich fortbewegend Larissa wieder zu erreichen; allein Caesars Truppen, weder der Beute noch der Müdigkeit achtend und auf besseren Wegen in der Ebene vorrückend, verlegten den Flüchtigen den Weg; ja als am späten Abend die Pompeianer ihren Marsch einstellten, ver- mochten ihre Verfolger es noch eine Schanzlinie zu ziehen, die den Zugang zu dem einzigen in der Nähe befindlichen Bach den Flüchtigen verschloſs. So endigte der Tag von Pharsalos. Die feindliche Armee war nicht bloſs geschlagen, sondern vernichtet. 15000 der Feinde lagen todt oder verwundet auf dem Schlacht- feld, während die Caesarianer nur 200 Mann vermiſsten; die noch zusammengebliebene Masse, immer noch gegen 20000 Mann, streckten am Morgen nach der Schlacht die Waffen; nur ein- zelne Trupps, darunter freilich die namhaftesten Offiziere, such- ten eine Zuflucht in den Bergen; von den elf feindlichen Adlern wurden Caesar neun überbracht. Caesar, der schon am Tage der Schlacht die Soldaten erinnert hatte im Feinde nicht den Mitbürger zu vergessen, behandelte die Gefangenen nicht wie Bi- bulus und Labienus; indeſs auch er fand es doch nöthig jetzt die Strenge walten zu lassen. Die gemeinen Soldaten wurden in das Heer eingereiht, gegen die Leute besseren Standes Geldbuſsen oder Vermögensconfiscationen erkannt; die gefangenen Sena- toren und namhaften Ritter erlitten mit wenigen Ausnahmen den Tod. Die Zeiten unbedingter Gnade waren vorbei; je länger er währte, desto rücksichtsloser und unversöhnlicher waltete der Bürgerkrieg. Es dauerte einige Zeit, bevor die Folgen des neunten August 706 vollständig sich übersehen lieſsen. Was am wenigsten Zwei- fel litt, war der Uebertritt aller derer, die nur aus Klugheitsrück- sichten oder widerwillig sich zu der bei Pharsalos überwundenen Partei geschlagen hatten, auf die Seite des Siegers; die Nieder- lage war eine so völlig entscheidende, daſs dem Sieger alles zufiel, was nicht für eine verlorene Sache streiten wollte oder muſste. Alle die Könige, Völker und Städte, die bisher Pompeius Clientel gebildet hatten, riefen jetzt ihre Flotten- und Heerescontingente zurück und weigerten den Flüchtlingen der geschlagenen Partei

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/406>, abgerufen am 22.05.2024.