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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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PHARSALOS.
er Caesars jetzt von Allen anerkanntem durchaus überlegenen Ge-
nie nicht gewachsen war, konnte nicht billig ihm vorgeworfen
werden. Allein auch hier entschied allein der Erfolg. Im Ver-
trauen auf den Feldherrn Pompeius hatte die Verfassungspartei
mit Caesar gebrochen; die verderblichen Folgen dieses Bruches
fielen auf den Feldherrn Pompeius zurück, und wenn auch bei
der notorischen militärischen Unfähigkeit aller übrigen Chefs kein
Versuch gemacht ward das Obercommando zu wechseln, so wurde
doch wenigstens das Vertrauen zu dem Oberfeldherrn paralysirt.
Zu diesen Nachwehen der erlittenen Niederlagen kamen die nach-
theiligen Einflüsse der Emigration. Unter den eintreffenden
Flüchtlingen war allerdings eine Anzahl tüchtiger Soldaten und
fähiger Offiziere namentlich der ehemaligen spanischen Armee;
allein die Zahl derer, die kamen um zu dienen und zu fechten,
war ebenso gering wie zum Erschrecken gross die der vornehmen
Generale, die mit ebenso gutem Fug wie Pompeius sich Pro-
consuln und Imperatoren nannten, und der vornehmen Herren,
die nur mehr oder weniger unfreiwillig am activen Kriegsdienst
sich betheiligten. Durch diese ward die hauptstädtische Lebens-
weise in das Feldlager eingebürgert, durchaus nicht zum Vortheil
des Heeres: die Zelte solcher Herren waren anmuthige Lauben,
der Boden mit frischem Rasen zierlich bedeckt, die Wände mit
Epheu bekleidet; auf dem Tisch stand silbernes Tafelgeschirr und
oft kreiste dort schon am hellen Tage der Becher. Diese elegan-
ten Krieger machten einen seltsamen Contrast mit Caesars Gras-
teufeln, vor deren grobem Brot jene erschraken und die in Er-
mangelung dessen auch Wurzeln assen und eher Baumrinde zu
kauen als vom Feinde abzulassen schwuren. Wenn ferner schon
an sich die unvermeidliche Rücksicht auf eine collegialische und
dem Oberfeldherrn persönliche abgeneigte Behörde Pompeius in
seiner Thätigkeit hemmte, so steigerte diese Verlegenheit sich un-
gemein, als der Emigrantensenat beinahe im Hauptquartier selbst
seinen Sitz aufschlug und nun alles Gift der Emigration in diesen
Senatssitzungen sich entleerte. All diese Uebelstände, die Pom-
peius Stellung behinderten, thaten ihre volle Wirkung um so mehr,
als sie in keiner bedeutenden Persönlichkeit ein Gegengewicht fan-
den. Pompeius selbst war dazu geistig viel zu untergeordnet und
viel zu zögernd, schwerfällig und versteckt. Marcus Cato würde
wenigstens die erforderliche moralische Autorität gehabt und auch
des guten Willens, Pompeius damit zu unterstützen, nicht erman-
gelt haben; allein Pompeius, statt ihn zum Beistand aufzufordern,
setzte ihn mit misstrauischer Eifersucht zurück und übertrug zum

PHARSALOS.
er Caesars jetzt von Allen anerkanntem durchaus überlegenen Ge-
nie nicht gewachsen war, konnte nicht billig ihm vorgeworfen
werden. Allein auch hier entschied allein der Erfolg. Im Ver-
trauen auf den Feldherrn Pompeius hatte die Verfassungspartei
mit Caesar gebrochen; die verderblichen Folgen dieses Bruches
fielen auf den Feldherrn Pompeius zurück, und wenn auch bei
der notorischen militärischen Unfähigkeit aller übrigen Chefs kein
Versuch gemacht ward das Obercommando zu wechseln, so wurde
doch wenigstens das Vertrauen zu dem Oberfeldherrn paralysirt.
Zu diesen Nachwehen der erlittenen Niederlagen kamen die nach-
theiligen Einflüsse der Emigration. Unter den eintreffenden
Flüchtlingen war allerdings eine Anzahl tüchtiger Soldaten und
fähiger Offiziere namentlich der ehemaligen spanischen Armee;
allein die Zahl derer, die kamen um zu dienen und zu fechten,
war ebenso gering wie zum Erschrecken groſs die der vornehmen
Generale, die mit ebenso gutem Fug wie Pompeius sich Pro-
consuln und Imperatoren nannten, und der vornehmen Herren,
die nur mehr oder weniger unfreiwillig am activen Kriegsdienst
sich betheiligten. Durch diese ward die hauptstädtische Lebens-
weise in das Feldlager eingebürgert, durchaus nicht zum Vortheil
des Heeres: die Zelte solcher Herren waren anmuthige Lauben,
der Boden mit frischem Rasen zierlich bedeckt, die Wände mit
Epheu bekleidet; auf dem Tisch stand silbernes Tafelgeschirr und
oft kreiste dort schon am hellen Tage der Becher. Diese elegan-
ten Krieger machten einen seltsamen Contrast mit Caesars Gras-
teufeln, vor deren grobem Brot jene erschraken und die in Er-
mangelung dessen auch Wurzeln aſsen und eher Baumrinde zu
kauen als vom Feinde abzulassen schwuren. Wenn ferner schon
an sich die unvermeidliche Rücksicht auf eine collegialische und
dem Oberfeldherrn persönliche abgeneigte Behörde Pompeius in
seiner Thätigkeit hemmte, so steigerte diese Verlegenheit sich un-
gemein, als der Emigrantensenat beinahe im Hauptquartier selbst
seinen Sitz aufschlug und nun alles Gift der Emigration in diesen
Senatssitzungen sich entleerte. All diese Uebelstände, die Pom-
peius Stellung behinderten, thaten ihre volle Wirkung um so mehr,
als sie in keiner bedeutenden Persönlichkeit ein Gegengewicht fan-
den. Pompeius selbst war dazu geistig viel zu untergeordnet und
viel zu zögernd, schwerfällig und versteckt. Marcus Cato würde
wenigstens die erforderliche moralische Autorität gehabt und auch
des guten Willens, Pompeius damit zu unterstützen, nicht erman-
gelt haben; allein Pompeius, statt ihn zum Beistand aufzufordern,
setzte ihn mit miſstrauischer Eifersucht zurück und übertrug zum

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[379/0389] PHARSALOS. er Caesars jetzt von Allen anerkanntem durchaus überlegenen Ge- nie nicht gewachsen war, konnte nicht billig ihm vorgeworfen werden. Allein auch hier entschied allein der Erfolg. Im Ver- trauen auf den Feldherrn Pompeius hatte die Verfassungspartei mit Caesar gebrochen; die verderblichen Folgen dieses Bruches fielen auf den Feldherrn Pompeius zurück, und wenn auch bei der notorischen militärischen Unfähigkeit aller übrigen Chefs kein Versuch gemacht ward das Obercommando zu wechseln, so wurde doch wenigstens das Vertrauen zu dem Oberfeldherrn paralysirt. Zu diesen Nachwehen der erlittenen Niederlagen kamen die nach- theiligen Einflüsse der Emigration. Unter den eintreffenden Flüchtlingen war allerdings eine Anzahl tüchtiger Soldaten und fähiger Offiziere namentlich der ehemaligen spanischen Armee; allein die Zahl derer, die kamen um zu dienen und zu fechten, war ebenso gering wie zum Erschrecken groſs die der vornehmen Generale, die mit ebenso gutem Fug wie Pompeius sich Pro- consuln und Imperatoren nannten, und der vornehmen Herren, die nur mehr oder weniger unfreiwillig am activen Kriegsdienst sich betheiligten. Durch diese ward die hauptstädtische Lebens- weise in das Feldlager eingebürgert, durchaus nicht zum Vortheil des Heeres: die Zelte solcher Herren waren anmuthige Lauben, der Boden mit frischem Rasen zierlich bedeckt, die Wände mit Epheu bekleidet; auf dem Tisch stand silbernes Tafelgeschirr und oft kreiste dort schon am hellen Tage der Becher. Diese elegan- ten Krieger machten einen seltsamen Contrast mit Caesars Gras- teufeln, vor deren grobem Brot jene erschraken und die in Er- mangelung dessen auch Wurzeln aſsen und eher Baumrinde zu kauen als vom Feinde abzulassen schwuren. Wenn ferner schon an sich die unvermeidliche Rücksicht auf eine collegialische und dem Oberfeldherrn persönliche abgeneigte Behörde Pompeius in seiner Thätigkeit hemmte, so steigerte diese Verlegenheit sich un- gemein, als der Emigrantensenat beinahe im Hauptquartier selbst seinen Sitz aufschlug und nun alles Gift der Emigration in diesen Senatssitzungen sich entleerte. All diese Uebelstände, die Pom- peius Stellung behinderten, thaten ihre volle Wirkung um so mehr, als sie in keiner bedeutenden Persönlichkeit ein Gegengewicht fan- den. Pompeius selbst war dazu geistig viel zu untergeordnet und viel zu zögernd, schwerfällig und versteckt. Marcus Cato würde wenigstens die erforderliche moralische Autorität gehabt und auch des guten Willens, Pompeius damit zu unterstützen, nicht erman- gelt haben; allein Pompeius, statt ihn zum Beistand aufzufordern, setzte ihn mit miſstrauischer Eifersucht zurück und übertrug zum

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/389>, abgerufen am 16.07.2024.