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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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das eigentliche Italien zurückzuerobern. Ueber diesen weitschich-
tigen Anstalten geschah denn vorläufig gar nichts. Nicht einmal ein
ernstlicher Versuch auf Italien fand statt, wo Caesar sich darauf
gefasst gemacht hatte einem Angriff zu begegnen. Einer der tüch-
tigsten seiner Offiziere, der Volkstribun Marcus Antonius war hier
zum Oberbefehlshaber mit proprätorischer Gewalt ernannt wor-
den. Die südöstlichen Häfen Sipus, Brundisium, Tarent, wo am
ersten ein Landungsversuch zu erwarten war, hatten eine Be-
satzung von drei Legionen erhalten. Ausserdem bekam Quintus
Hortensius, des bekannten Redners ungerathener Sohn, den Auf-
trag eine Flotte im tyrrhenischen, Publius Dolabella den eine
zweite im adriatischen Meere zu bilden, welche theils die Verthei-
digung unterstützen, theils für die bevorstehende Ueberfahrt nach
Griechenland mit verwandt werden sollten. Falls Pompeius ver-
suchen würde zu Lande in Italien einzudringen, so hatten Mar-
cus Licinius Crassus, der älteste Sohn des alten Collegen Caesars,
als Commandant des diesseitigen Galliens, und des Marcus An-
tonius jüngerer Bruder Gaius als Commandant von Illyricum hier
die Vertheidigung zu leiten. Indess der vermuthete Angriff liess
lange auf sich warten. Erst im Hochsommer des Jahres ward
man wenigstens in Illyrien handgemein. Hier stand Caesars Statt-
halter Gaius Antonius mit seinen zwei Legionen auf der Insel Cu-
ricta (Veglia im Golf von Quarnero), Caesars Admiral Publius
Dolabella mit 40 Schiffen in dem schmalen Meerarm zwischen
dieser Insel und dem Festland. Das letztere Geschwader griffen
Pompeius Flottenführer im adriatischen Meer, Marcus Octavius
mit der griechischen, Lucius Scribonius Libo mit der illyrischen
Flottenabtheilung an und vernichteten sämmtliche Schiffe Dolabel-
las. Antonius, hiedurch auf seiner Insel abgeschnitten, schwebte
in der grössten Gefahr. Ihn zu retten kamen aus Italien ein Corps
unter Basilus und Sallustius und das Geschwader des Hortensius
aus dem tyrrhenischen Meer; allein weder jenes noch dieses ver-
mochten der weitüberlegenen feindlichen Flotte etwas anzuhaben;
sie mussten die Legionen des Antonius ihrem Schicksal überlas-
sen. Die Vorräthe gingen zu Ende, die Truppen wurden schwie-
rig und meuterisch; mit Ausnahme weniger Abtheilungen, denen
es gelang auf Flössen das Festland zu erreichen, musste das Corps,
immer noch funfzehn Cohorten stark, die Waffen strecken. Es
ward auf den Schiffen Libos nach Makedonien geführt um dort in
die pompeianische Armee eingereiht zu werden, während Octavius
zurückblieb um die Unterwerfung der jetzt von Truppen entblöss-
ten illyrischen Küste zu vollenden. Die Delmater, die noch von

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das eigentliche Italien zurückzuerobern. Ueber diesen weitschich-
tigen Anstalten geschah denn vorläufig gar nichts. Nicht einmal ein
ernstlicher Versuch auf Italien fand statt, wo Caesar sich darauf
gefaſst gemacht hatte einem Angriff zu begegnen. Einer der tüch-
tigsten seiner Offiziere, der Volkstribun Marcus Antonius war hier
zum Oberbefehlshaber mit proprätorischer Gewalt ernannt wor-
den. Die südöstlichen Häfen Sipus, Brundisium, Tarent, wo am
ersten ein Landungsversuch zu erwarten war, hatten eine Be-
satzung von drei Legionen erhalten. Auſserdem bekam Quintus
Hortensius, des bekannten Redners ungerathener Sohn, den Auf-
trag eine Flotte im tyrrhenischen, Publius Dolabella den eine
zweite im adriatischen Meere zu bilden, welche theils die Verthei-
digung unterstützen, theils für die bevorstehende Ueberfahrt nach
Griechenland mit verwandt werden sollten. Falls Pompeius ver-
suchen würde zu Lande in Italien einzudringen, so hatten Mar-
cus Licinius Crassus, der älteste Sohn des alten Collegen Caesars,
als Commandant des diesseitigen Galliens, und des Marcus An-
tonius jüngerer Bruder Gaius als Commandant von Illyricum hier
die Vertheidigung zu leiten. Indeſs der vermuthete Angriff lieſs
lange auf sich warten. Erst im Hochsommer des Jahres ward
man wenigstens in Illyrien handgemein. Hier stand Caesars Statt-
halter Gaius Antonius mit seinen zwei Legionen auf der Insel Cu-
ricta (Veglia im Golf von Quarnero), Caesars Admiral Publius
Dolabella mit 40 Schiffen in dem schmalen Meerarm zwischen
dieser Insel und dem Festland. Das letztere Geschwader griffen
Pompeius Flottenführer im adriatischen Meer, Marcus Octavius
mit der griechischen, Lucius Scribonius Libo mit der illyrischen
Flottenabtheilung an und vernichteten sämmtliche Schiffe Dolabel-
las. Antonius, hiedurch auf seiner Insel abgeschnitten, schwebte
in der gröſsten Gefahr. Ihn zu retten kamen aus Italien ein Corps
unter Basilus und Sallustius und das Geschwader des Hortensius
aus dem tyrrhenischen Meer; allein weder jenes noch dieses ver-
mochten der weitüberlegenen feindlichen Flotte etwas anzuhaben;
sie muſsten die Legionen des Antonius ihrem Schicksal überlas-
sen. Die Vorräthe gingen zu Ende, die Truppen wurden schwie-
rig und meuterisch; mit Ausnahme weniger Abtheilungen, denen
es gelang auf Flöſsen das Festland zu erreichen, muſste das Corps,
immer noch funfzehn Cohorten stark, die Waffen strecken. Es
ward auf den Schiffen Libos nach Makedonien geführt um dort in
die pompeianische Armee eingereiht zu werden, während Octavius
zurückblieb um die Unterwerfung der jetzt von Truppen entblöſs-
ten illyrischen Küste zu vollenden. Die Delmater, die noch von

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[374/0384] FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. das eigentliche Italien zurückzuerobern. Ueber diesen weitschich- tigen Anstalten geschah denn vorläufig gar nichts. Nicht einmal ein ernstlicher Versuch auf Italien fand statt, wo Caesar sich darauf gefaſst gemacht hatte einem Angriff zu begegnen. Einer der tüch- tigsten seiner Offiziere, der Volkstribun Marcus Antonius war hier zum Oberbefehlshaber mit proprätorischer Gewalt ernannt wor- den. Die südöstlichen Häfen Sipus, Brundisium, Tarent, wo am ersten ein Landungsversuch zu erwarten war, hatten eine Be- satzung von drei Legionen erhalten. Auſserdem bekam Quintus Hortensius, des bekannten Redners ungerathener Sohn, den Auf- trag eine Flotte im tyrrhenischen, Publius Dolabella den eine zweite im adriatischen Meere zu bilden, welche theils die Verthei- digung unterstützen, theils für die bevorstehende Ueberfahrt nach Griechenland mit verwandt werden sollten. Falls Pompeius ver- suchen würde zu Lande in Italien einzudringen, so hatten Mar- cus Licinius Crassus, der älteste Sohn des alten Collegen Caesars, als Commandant des diesseitigen Galliens, und des Marcus An- tonius jüngerer Bruder Gaius als Commandant von Illyricum hier die Vertheidigung zu leiten. Indeſs der vermuthete Angriff lieſs lange auf sich warten. Erst im Hochsommer des Jahres ward man wenigstens in Illyrien handgemein. Hier stand Caesars Statt- halter Gaius Antonius mit seinen zwei Legionen auf der Insel Cu- ricta (Veglia im Golf von Quarnero), Caesars Admiral Publius Dolabella mit 40 Schiffen in dem schmalen Meerarm zwischen dieser Insel und dem Festland. Das letztere Geschwader griffen Pompeius Flottenführer im adriatischen Meer, Marcus Octavius mit der griechischen, Lucius Scribonius Libo mit der illyrischen Flottenabtheilung an und vernichteten sämmtliche Schiffe Dolabel- las. Antonius, hiedurch auf seiner Insel abgeschnitten, schwebte in der gröſsten Gefahr. Ihn zu retten kamen aus Italien ein Corps unter Basilus und Sallustius und das Geschwader des Hortensius aus dem tyrrhenischen Meer; allein weder jenes noch dieses ver- mochten der weitüberlegenen feindlichen Flotte etwas anzuhaben; sie muſsten die Legionen des Antonius ihrem Schicksal überlas- sen. Die Vorräthe gingen zu Ende, die Truppen wurden schwie- rig und meuterisch; mit Ausnahme weniger Abtheilungen, denen es gelang auf Flöſsen das Festland zu erreichen, muſste das Corps, immer noch funfzehn Cohorten stark, die Waffen strecken. Es ward auf den Schiffen Libos nach Makedonien geführt um dort in die pompeianische Armee eingereiht zu werden, während Octavius zurückblieb um die Unterwerfung der jetzt von Truppen entblöſs- ten illyrischen Küste zu vollenden. Die Delmater, die noch von

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/384>, abgerufen am 15.05.2024.