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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
Caesars Gunsten entschied und Spanien und Massalia unterwor-
fen, die feindliche Hauptarmee bis auf den letzten Mann gefangen
genommen wurde, hatten auch auf dem zweiten Kriegsschau-
platze, auf welchem Caesar es nothwendig gefunden hatte sofort
nach der Eroberung Italiens die Offensive zu ergreifen, die Waf-
fen entschieden. -- Es ward schon gesagt, dass die Pompeianer
die Absicht hatten Italien auszuhungern. Die Mittel dazu hatten
sie in Händen. Sie beherrschten die See durchaus und arbeite-
ten allerorts, in Gades, Utica, Messana, vor allem im Osten mit
grossem Eifer an der Vermehrung ihrer Flotte; sie hatten ferner
die sämmtlichen Provinzen inne, aus denen die Hauptstadt ihre
Subsistenzmittel zog: Sardinien und Corsica durch Marcus Cotta,
Sicilien durch Marcus Cato. Africa durch den selbsternannten
Oberfeldherrn Titus Attius Varus und den ihnen eng verbündeten
König Juba von Numidien. Es war für Caesar unumgänglich nö-
thig diese Pläne des Feindes zu durchkreuzen und demselben die
Getreideprovinzen zu entreissen. Quintus Valerius ward mit einer
Legion nach Sardinien gesandt und zwang den pompeianischen
Statthalter die Insel zu räumen. Die wichtigere Unternehmung
Sicilien und Africa dem Feinde zu entreissen wurde unter Bei-
stand des tüchtigen und kriegserfahrenen Gaius Caninius Rebilus
dem jungen Gaius Curio anvertraut. Sicilien ward ohne Schwert-
streich besetzt; Cato, ohne rechte Armee und kein Mann des
Degens, räumte die Insel, nachdem er die Sikelioten vorher auf-
gefordert hatte sich nicht durch unzulänglichen Widerstand nutz-
los zu compromittiren. Curio liess zur Deckung dieser für die
Hauptstadt so wichtigen Insel die Hälfte seiner Truppen zurück
und schiffte sich mit der andern, zwei Legionen und 500 Rei-
tern, nach Africa ein. Hier durfte er erwarten ernsten Wider-
stand zu finden. Ausser der ansehnlichen und in ihrer Art tüch-
tigen Armee Jubas hatte der Statthalter Varus aus den in Africa
ansässigen Römern zwei Legionen gebildet und ferner eine kleine
Flotte von zehn Segeln aufgestellt. Mit Hülfe seiner überlegenen
Flotte bewerkstelligte indess Curio ohne Schwierigkeit die Lan-
dung zwischen Hadrumetum, wo die eine Legion der Feinde
nebst ihren Kriegsschiffen, und Utica, vor welcher Stadt ihre
zweite Legion unter Varus selbst stand. Curio wandte sich gegen
Varus und schlug sein Lager unweit Utica, eben da wo an-
derthalb Jahrhunderte zuvor der ältere Scipio sein erstes Win-
terlager in Africa genommen hatte (I, 474). Seine Stellung
war besonders deshalb schwierig, weil Caesar, genöthigt seine
Kerntruppen für den spanischen Krieg zusammenzuhalten, die

FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
Caesars Gunsten entschied und Spanien und Massalia unterwor-
fen, die feindliche Hauptarmee bis auf den letzten Mann gefangen
genommen wurde, hatten auch auf dem zweiten Kriegsschau-
platze, auf welchem Caesar es nothwendig gefunden hatte sofort
nach der Eroberung Italiens die Offensive zu ergreifen, die Waf-
fen entschieden. — Es ward schon gesagt, daſs die Pompeianer
die Absicht hatten Italien auszuhungern. Die Mittel dazu hatten
sie in Händen. Sie beherrschten die See durchaus und arbeite-
ten allerorts, in Gades, Utica, Messana, vor allem im Osten mit
groſsem Eifer an der Vermehrung ihrer Flotte; sie hatten ferner
die sämmtlichen Provinzen inne, aus denen die Hauptstadt ihre
Subsistenzmittel zog: Sardinien und Corsica durch Marcus Cotta,
Sicilien durch Marcus Cato. Africa durch den selbsternannten
Oberfeldherrn Titus Attius Varus und den ihnen eng verbündeten
König Juba von Numidien. Es war für Caesar unumgänglich nö-
thig diese Pläne des Feindes zu durchkreuzen und demselben die
Getreideprovinzen zu entreiſsen. Quintus Valerius ward mit einer
Legion nach Sardinien gesandt und zwang den pompeianischen
Statthalter die Insel zu räumen. Die wichtigere Unternehmung
Sicilien und Africa dem Feinde zu entreiſsen wurde unter Bei-
stand des tüchtigen und kriegserfahrenen Gaius Caninius Rebilus
dem jungen Gaius Curio anvertraut. Sicilien ward ohne Schwert-
streich besetzt; Cato, ohne rechte Armee und kein Mann des
Degens, räumte die Insel, nachdem er die Sikelioten vorher auf-
gefordert hatte sich nicht durch unzulänglichen Widerstand nutz-
los zu compromittiren. Curio lieſs zur Deckung dieser für die
Hauptstadt so wichtigen Insel die Hälfte seiner Truppen zurück
und schiffte sich mit der andern, zwei Legionen und 500 Rei-
tern, nach Africa ein. Hier durfte er erwarten ernsten Wider-
stand zu finden. Auſser der ansehnlichen und in ihrer Art tüch-
tigen Armee Jubas hatte der Statthalter Varus aus den in Africa
ansässigen Römern zwei Legionen gebildet und ferner eine kleine
Flotte von zehn Segeln aufgestellt. Mit Hülfe seiner überlegenen
Flotte bewerkstelligte indeſs Curio ohne Schwierigkeit die Lan-
dung zwischen Hadrumetum, wo die eine Legion der Feinde
nebst ihren Kriegsschiffen, und Utica, vor welcher Stadt ihre
zweite Legion unter Varus selbst stand. Curio wandte sich gegen
Varus und schlug sein Lager unweit Utica, eben da wo an-
derthalb Jahrhunderte zuvor der ältere Scipio sein erstes Win-
terlager in Africa genommen hatte (I, 474). Seine Stellung
war besonders deshalb schwierig, weil Caesar, genöthigt seine
Kerntruppen für den spanischen Krieg zusammenzuhalten, die

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[370/0380] FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. Caesars Gunsten entschied und Spanien und Massalia unterwor- fen, die feindliche Hauptarmee bis auf den letzten Mann gefangen genommen wurde, hatten auch auf dem zweiten Kriegsschau- platze, auf welchem Caesar es nothwendig gefunden hatte sofort nach der Eroberung Italiens die Offensive zu ergreifen, die Waf- fen entschieden. — Es ward schon gesagt, daſs die Pompeianer die Absicht hatten Italien auszuhungern. Die Mittel dazu hatten sie in Händen. Sie beherrschten die See durchaus und arbeite- ten allerorts, in Gades, Utica, Messana, vor allem im Osten mit groſsem Eifer an der Vermehrung ihrer Flotte; sie hatten ferner die sämmtlichen Provinzen inne, aus denen die Hauptstadt ihre Subsistenzmittel zog: Sardinien und Corsica durch Marcus Cotta, Sicilien durch Marcus Cato. Africa durch den selbsternannten Oberfeldherrn Titus Attius Varus und den ihnen eng verbündeten König Juba von Numidien. Es war für Caesar unumgänglich nö- thig diese Pläne des Feindes zu durchkreuzen und demselben die Getreideprovinzen zu entreiſsen. Quintus Valerius ward mit einer Legion nach Sardinien gesandt und zwang den pompeianischen Statthalter die Insel zu räumen. Die wichtigere Unternehmung Sicilien und Africa dem Feinde zu entreiſsen wurde unter Bei- stand des tüchtigen und kriegserfahrenen Gaius Caninius Rebilus dem jungen Gaius Curio anvertraut. Sicilien ward ohne Schwert- streich besetzt; Cato, ohne rechte Armee und kein Mann des Degens, räumte die Insel, nachdem er die Sikelioten vorher auf- gefordert hatte sich nicht durch unzulänglichen Widerstand nutz- los zu compromittiren. Curio lieſs zur Deckung dieser für die Hauptstadt so wichtigen Insel die Hälfte seiner Truppen zurück und schiffte sich mit der andern, zwei Legionen und 500 Rei- tern, nach Africa ein. Hier durfte er erwarten ernsten Wider- stand zu finden. Auſser der ansehnlichen und in ihrer Art tüch- tigen Armee Jubas hatte der Statthalter Varus aus den in Africa ansässigen Römern zwei Legionen gebildet und ferner eine kleine Flotte von zehn Segeln aufgestellt. Mit Hülfe seiner überlegenen Flotte bewerkstelligte indeſs Curio ohne Schwierigkeit die Lan- dung zwischen Hadrumetum, wo die eine Legion der Feinde nebst ihren Kriegsschiffen, und Utica, vor welcher Stadt ihre zweite Legion unter Varus selbst stand. Curio wandte sich gegen Varus und schlug sein Lager unweit Utica, eben da wo an- derthalb Jahrhunderte zuvor der ältere Scipio sein erstes Win- terlager in Africa genommen hatte (I, 474). Seine Stellung war besonders deshalb schwierig, weil Caesar, genöthigt seine Kerntruppen für den spanischen Krieg zusammenzuhalten, die

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/380>, abgerufen am 15.05.2024.