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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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ILERDA.
nach dem Abschneiden der Ebropassage hatten die Soldaten der
beiden Heere mit einander angefangen zu fraternisiren und wegen
der Uebergabe zu unterhandeln, ja es waren bereits die von den
Pompeianern geforderten Bedingungen, namentlich Schonung
der Offiziere, von Caesar zugestanden worden, als Petreius mit
seiner aus Sclaven und Spaniern bestehenden Escorte über die
Unterhändler zukam und die Caesarianer, deren er habhaft ward,
niedermachen liess. Caesar dagegen sandte die in sein Lager ge-
kommenen Pompeianer ungeschädigt zurück und beharrte dabei
eine friedliche Lösung zu suchen. Ilerda, wo die Pompeianer noch
Besatzung und ansehnliche Magazine hatten, ward jetzt das Ziel
ihres Marsches; allein sie hatten vor sich das feindliche Heer und
zwischen sich und der Festung den Sicoris. Die pompeianische
Armee marschirte in der Gegend herum ohne ihrem Ziele näher
zu kommen; ihre Reiterei ward allmählich so eingeschüchtert, dass
das Fussvolk sie in die Mitte nehmen und Legionen in die Nachhut
gestellt werden mussten; die Beschaffung von Wasser und Fourage
ward immer schwieriger; schon musste man die Lastthiere nieder-
stossen, da man sie nicht ernähren konnte. Endlich fand die um-
herirrende Armee sich förmlich eingeschlossen, den Sicoris im
Rücken, vor sich das feindliche Heer, das Wall und Graben um
sie herumzog. Sie versuchte den Fluss zu überschreiten, aber
Caesars deutsche Reiter und leichte Infanterie besetzten ihr zu-
vorkommend das entgegenstehende Ufer. Alle Tapferkeit und alle
Treue konnten die unvermeidliche Capitulation nicht länger ab-
wenden (2. Aug. 705). Caesar gewährte nicht bloss Offizieren
und Soldaten Leben, Freiheit und den Besitz der ihnen noch ge-
bliebenen so wie die Zurückgabe der bereits ihnen abgenomme-
nen Habe, deren vollen Werth er selber seinen Soldaten zu er-
statten übernahm, sondern, während er die in Italien gefangenen
Rekruten zwangsweise in seine Armee eingereiht hatte, ehrte er
diese alten Legionare des Pompeius durch die Zusage, dass kei-
ner wider seinen Willen genöthigt werden solle in sein Heer ein-
zutreten. Er forderte nur, dass ein jeder die Waffen abgebe und
sich in seine Heimath verfüge. Demgemäss wurden die aus Spa-
nien gebürtigen Soldaten, etwa der dritte Theil der Armee, so-
gleich, die italischen an der Grenze des jen- und diesseitigen Gal-
liens verabschiedet. -- Das diesseitige Spanien fiel mit der Auflö-
sung dieser Armee von selbst in die Gewalt des Siegers. Im jensei-
tigen führte Marcus Varro für Pompeius den Oberbefehl. Als dieser
die Katastrophe von Ilerda erfuhr, schien es ihm das Räthlichste
sich in die Inselstadt Gades zu werfen und die beträchtlichen

ILERDA.
nach dem Abschneiden der Ebropassage hatten die Soldaten der
beiden Heere mit einander angefangen zu fraternisiren und wegen
der Uebergabe zu unterhandeln, ja es waren bereits die von den
Pompeianern geforderten Bedingungen, namentlich Schonung
der Offiziere, von Caesar zugestanden worden, als Petreius mit
seiner aus Sclaven und Spaniern bestehenden Escorte über die
Unterhändler zukam und die Caesarianer, deren er habhaft ward,
niedermachen lieſs. Caesar dagegen sandte die in sein Lager ge-
kommenen Pompeianer ungeschädigt zurück und beharrte dabei
eine friedliche Lösung zu suchen. Ilerda, wo die Pompeianer noch
Besatzung und ansehnliche Magazine hatten, ward jetzt das Ziel
ihres Marsches; allein sie hatten vor sich das feindliche Heer und
zwischen sich und der Festung den Sicoris. Die pompeianische
Armee marschirte in der Gegend herum ohne ihrem Ziele näher
zu kommen; ihre Reiterei ward allmählich so eingeschüchtert, daſs
das Fuſsvolk sie in die Mitte nehmen und Legionen in die Nachhut
gestellt werden muſsten; die Beschaffung von Wasser und Fourage
ward immer schwieriger; schon muſste man die Lastthiere nieder-
stoſsen, da man sie nicht ernähren konnte. Endlich fand die um-
herirrende Armee sich förmlich eingeschlossen, den Sicoris im
Rücken, vor sich das feindliche Heer, das Wall und Graben um
sie herumzog. Sie versuchte den Fluſs zu überschreiten, aber
Caesars deutsche Reiter und leichte Infanterie besetzten ihr zu-
vorkommend das entgegenstehende Ufer. Alle Tapferkeit und alle
Treue konnten die unvermeidliche Capitulation nicht länger ab-
wenden (2. Aug. 705). Caesar gewährte nicht bloſs Offizieren
und Soldaten Leben, Freiheit und den Besitz der ihnen noch ge-
bliebenen so wie die Zurückgabe der bereits ihnen abgenomme-
nen Habe, deren vollen Werth er selber seinen Soldaten zu er-
statten übernahm, sondern, während er die in Italien gefangenen
Rekruten zwangsweise in seine Armee eingereiht hatte, ehrte er
diese alten Legionare des Pompeius durch die Zusage, daſs kei-
ner wider seinen Willen genöthigt werden solle in sein Heer ein-
zutreten. Er forderte nur, daſs ein jeder die Waffen abgebe und
sich in seine Heimath verfüge. Demgemäſs wurden die aus Spa-
nien gebürtigen Soldaten, etwa der dritte Theil der Armee, so-
gleich, die italischen an der Grenze des jen- und diesseitigen Gal-
liens verabschiedet. — Das diesseitige Spanien fiel mit der Auflö-
sung dieser Armee von selbst in die Gewalt des Siegers. Im jensei-
tigen führte Marcus Varro für Pompeius den Oberbefehl. Als dieser
die Katastrophe von Ilerda erfuhr, schien es ihm das Räthlichste
sich in die Inselstadt Gades zu werfen und die beträchtlichen

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[367/0377] ILERDA. nach dem Abschneiden der Ebropassage hatten die Soldaten der beiden Heere mit einander angefangen zu fraternisiren und wegen der Uebergabe zu unterhandeln, ja es waren bereits die von den Pompeianern geforderten Bedingungen, namentlich Schonung der Offiziere, von Caesar zugestanden worden, als Petreius mit seiner aus Sclaven und Spaniern bestehenden Escorte über die Unterhändler zukam und die Caesarianer, deren er habhaft ward, niedermachen lieſs. Caesar dagegen sandte die in sein Lager ge- kommenen Pompeianer ungeschädigt zurück und beharrte dabei eine friedliche Lösung zu suchen. Ilerda, wo die Pompeianer noch Besatzung und ansehnliche Magazine hatten, ward jetzt das Ziel ihres Marsches; allein sie hatten vor sich das feindliche Heer und zwischen sich und der Festung den Sicoris. Die pompeianische Armee marschirte in der Gegend herum ohne ihrem Ziele näher zu kommen; ihre Reiterei ward allmählich so eingeschüchtert, daſs das Fuſsvolk sie in die Mitte nehmen und Legionen in die Nachhut gestellt werden muſsten; die Beschaffung von Wasser und Fourage ward immer schwieriger; schon muſste man die Lastthiere nieder- stoſsen, da man sie nicht ernähren konnte. Endlich fand die um- herirrende Armee sich förmlich eingeschlossen, den Sicoris im Rücken, vor sich das feindliche Heer, das Wall und Graben um sie herumzog. Sie versuchte den Fluſs zu überschreiten, aber Caesars deutsche Reiter und leichte Infanterie besetzten ihr zu- vorkommend das entgegenstehende Ufer. Alle Tapferkeit und alle Treue konnten die unvermeidliche Capitulation nicht länger ab- wenden (2. Aug. 705). Caesar gewährte nicht bloſs Offizieren und Soldaten Leben, Freiheit und den Besitz der ihnen noch ge- bliebenen so wie die Zurückgabe der bereits ihnen abgenomme- nen Habe, deren vollen Werth er selber seinen Soldaten zu er- statten übernahm, sondern, während er die in Italien gefangenen Rekruten zwangsweise in seine Armee eingereiht hatte, ehrte er diese alten Legionare des Pompeius durch die Zusage, daſs kei- ner wider seinen Willen genöthigt werden solle in sein Heer ein- zutreten. Er forderte nur, daſs ein jeder die Waffen abgebe und sich in seine Heimath verfüge. Demgemäſs wurden die aus Spa- nien gebürtigen Soldaten, etwa der dritte Theil der Armee, so- gleich, die italischen an der Grenze des jen- und diesseitigen Gal- liens verabschiedet. — Das diesseitige Spanien fiel mit der Auflö- sung dieser Armee von selbst in die Gewalt des Siegers. Im jensei- tigen führte Marcus Varro für Pompeius den Oberbefehl. Als dieser die Katastrophe von Ilerda erfuhr, schien es ihm das Räthlichste sich in die Inselstadt Gades zu werfen und die beträchtlichen

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/377>, abgerufen am 22.05.2024.