Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.BRUNDISIUM. seits aber wurde es jetzt nicht bloss nöthig in Italien eine an-sehnliche Besatzung zurückzulassen, sondern auch Massregeln zu treffen gegen die von den seemächtigen Gegnern beabsichtigte Sperrung des überseeischen Verkehrs und gegen die in Folge dessen namentlich der Hauptstadt drohende Hungersnoth, wo- durch Caesars bereits hinreichend verwickelte militärische Auf- gabe noch weiter sich complicirte. Finanziell war es allerdings von Belang, dass es geglückt war der hauptstädtischen Kassen- bestände von 4135 Pfunden Gold und 900000 Pfunden Silber (gegen 23 Mill. Thlr.) sich zu bemächtigen; aber die hauptsäch- lichsten Einnahmequellen, namentlich die Abgaben aus dem Orient waren doch in den Händen des Feindes und den so sehr vermehr- ten Bedürfnissen für das Heer sowie der neuen Verpflichtung gegen- über für die darbende hauptstädtische Bevölkerung zu sorgen wa- ren selbst diese ungeheuren Summen so wenig zureichend, dass Caesar sich bald genöthigt sah den Privatcredit anzusprechen und, da es unmöglich schien, dass er damit lange sich friste, all- gemein als die einzig übrig bleibende Aushülfe umfassende Confis- cationen erwartet wurden. -- Ernstere Schwierigkeiten noch be- reiteten die politischen Verhältnisse, in welche Caesar mit der Er- oberung Italiens eintrat. Die Besorgniss der besitzenden Klassen vor einer anarchischen Umwälzung war allgemein. Feinde und Freunde sahen in Caesar einen zweiten Catilina; Pompeius glaubte oder behauptete zu glauben, dass Caesar nur durch die Unmög- lichkeit seine Schulden zu bezahlen zum Bürgerkrieg getrieben worden sei. Das war allerdings absurd; aber in der That waren Caesars Antecedentien nichts weniger als beruhigend und noch weniger beruhigend der Hinblick auf das Gefolge, das jetzt ihn umgab. Individuen des anbrüchigsten Rufes, stadtkundige Ge- sellen wie Quintus Hortensius, Gaius Curio, Marcus Antonius -- dieser der Stiefsohn des auf Ciceros Befehl hingerichteten Catili- nariers Lentulus -- spielten darin die ersten Rollen; die höch- sten Vertrauensposten wurden an Männer vergeben, die es längst aufgegeben hatten ihre Schulden auch nur zu summiren; man sah caesarische Beamte Tänzerinnen nicht bloss unterhalten -- das thaten Andere auch --, sondern öffentlich in Begleitung sol- cher Dirnen erscheinen. War es ein Wunder, dass auch ernst- hafte und politisch parteilose Männer Amnestie für alle landflüch- tigen Verbrecher, Vernichtung der Schuldbücher, umfassende Confiscations-, Acht- und Mordbefehle erwarteten, ja eine Plün- derung Roms durch die gallische Soldatesca? -- Indess hierin täuschte das ,Ungeheuer' die Erwartungen seiner Feinde wie BRUNDISIUM. seits aber wurde es jetzt nicht bloſs nöthig in Italien eine an-sehnliche Besatzung zurückzulassen, sondern auch Maſsregeln zu treffen gegen die von den seemächtigen Gegnern beabsichtigte Sperrung des überseeischen Verkehrs und gegen die in Folge dessen namentlich der Hauptstadt drohende Hungersnoth, wo- durch Caesars bereits hinreichend verwickelte militärische Auf- gabe noch weiter sich complicirte. Finanziell war es allerdings von Belang, daſs es geglückt war der hauptstädtischen Kassen- bestände von 4135 Pfunden Gold und 900000 Pfunden Silber (gegen 23 Mill. Thlr.) sich zu bemächtigen; aber die hauptsäch- lichsten Einnahmequellen, namentlich die Abgaben aus dem Orient waren doch in den Händen des Feindes und den so sehr vermehr- ten Bedürfnissen für das Heer sowie der neuen Verpflichtung gegen- über für die darbende hauptstädtische Bevölkerung zu sorgen wa- ren selbst diese ungeheuren Summen so wenig zureichend, daſs Caesar sich bald genöthigt sah den Privatcredit anzusprechen und, da es unmöglich schien, daſs er damit lange sich friste, all- gemein als die einzig übrig bleibende Aushülfe umfassende Confis- cationen erwartet wurden. — Ernstere Schwierigkeiten noch be- reiteten die politischen Verhältnisse, in welche Caesar mit der Er- oberung Italiens eintrat. Die Besorgniſs der besitzenden Klassen vor einer anarchischen Umwälzung war allgemein. Feinde und Freunde sahen in Caesar einen zweiten Catilina; Pompeius glaubte oder behauptete zu glauben, daſs Caesar nur durch die Unmög- lichkeit seine Schulden zu bezahlen zum Bürgerkrieg getrieben worden sei. Das war allerdings absurd; aber in der That waren Caesars Antecedentien nichts weniger als beruhigend und noch weniger beruhigend der Hinblick auf das Gefolge, das jetzt ihn umgab. Individuen des anbrüchigsten Rufes, stadtkundige Ge- sellen wie Quintus Hortensius, Gaius Curio, Marcus Antonius — dieser der Stiefsohn des auf Ciceros Befehl hingerichteten Catili- nariers Lentulus — spielten darin die ersten Rollen; die höch- sten Vertrauensposten wurden an Männer vergeben, die es längst aufgegeben hatten ihre Schulden auch nur zu summiren; man sah caesarische Beamte Tänzerinnen nicht bloſs unterhalten — das thaten Andere auch —, sondern öffentlich in Begleitung sol- cher Dirnen erscheinen. War es ein Wunder, daſs auch ernst- hafte und politisch parteilose Männer Amnestie für alle landflüch- tigen Verbrecher, Vernichtung der Schuldbücher, umfassende Confiscations-, Acht- und Mordbefehle erwarteten, ja eine Plün- derung Roms durch die gallische Soldatesca? — Indeſs hierin täuschte das ‚Ungeheuer‘ die Erwartungen seiner Feinde wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0367" n="357"/><fw place="top" type="header">BRUNDISIUM.</fw><lb/> seits aber wurde es jetzt nicht bloſs nöthig in Italien eine an-<lb/> sehnliche Besatzung zurückzulassen, sondern auch Maſsregeln zu<lb/> treffen gegen die von den seemächtigen Gegnern beabsichtigte<lb/> Sperrung des überseeischen Verkehrs und gegen die in Folge<lb/> dessen namentlich der Hauptstadt drohende Hungersnoth, wo-<lb/> durch Caesars bereits hinreichend verwickelte militärische Auf-<lb/> gabe noch weiter sich complicirte. Finanziell war es allerdings<lb/> von Belang, daſs es geglückt war der hauptstädtischen Kassen-<lb/> bestände von 4135 Pfunden Gold und 900000 Pfunden Silber<lb/> (gegen 23 Mill. Thlr.) sich zu bemächtigen; aber die hauptsäch-<lb/> lichsten Einnahmequellen, namentlich die Abgaben aus dem Orient<lb/> waren doch in den Händen des Feindes und den so sehr vermehr-<lb/> ten Bedürfnissen für das Heer sowie der neuen Verpflichtung gegen-<lb/> über für die darbende hauptstädtische Bevölkerung zu sorgen wa-<lb/> ren selbst diese ungeheuren Summen so wenig zureichend, daſs<lb/> Caesar sich bald genöthigt sah den Privatcredit anzusprechen<lb/> und, da es unmöglich schien, daſs er damit lange sich friste, all-<lb/> gemein als die einzig übrig bleibende Aushülfe umfassende Confis-<lb/> cationen erwartet wurden. — Ernstere Schwierigkeiten noch be-<lb/> reiteten die politischen Verhältnisse, in welche Caesar mit der Er-<lb/> oberung Italiens eintrat. Die Besorgniſs der besitzenden Klassen<lb/> vor einer anarchischen Umwälzung war allgemein. Feinde und<lb/> Freunde sahen in Caesar einen zweiten Catilina; Pompeius glaubte<lb/> oder behauptete zu glauben, daſs Caesar nur durch die Unmög-<lb/> lichkeit seine Schulden zu bezahlen zum Bürgerkrieg getrieben<lb/> worden sei. Das war allerdings absurd; aber in der That waren<lb/> Caesars Antecedentien nichts weniger als beruhigend und noch<lb/> weniger beruhigend der Hinblick auf das Gefolge, das jetzt ihn<lb/> umgab. Individuen des anbrüchigsten Rufes, stadtkundige Ge-<lb/> sellen wie Quintus Hortensius, Gaius Curio, Marcus Antonius —<lb/> dieser der Stiefsohn des auf Ciceros Befehl hingerichteten Catili-<lb/> nariers Lentulus — spielten darin die ersten Rollen; die höch-<lb/> sten Vertrauensposten wurden an Männer vergeben, die es längst<lb/> aufgegeben hatten ihre Schulden auch nur zu summiren; man<lb/> sah caesarische Beamte Tänzerinnen nicht bloſs unterhalten —<lb/> das thaten Andere auch —, sondern öffentlich in Begleitung sol-<lb/> cher Dirnen erscheinen. War es ein Wunder, daſs auch ernst-<lb/> hafte und politisch parteilose Männer Amnestie für alle landflüch-<lb/> tigen Verbrecher, Vernichtung der Schuldbücher, umfassende<lb/> Confiscations-, Acht- und Mordbefehle erwarteten, ja eine Plün-<lb/> derung Roms durch die gallische Soldatesca? — Indeſs hierin<lb/> täuschte das ‚Ungeheuer‘ die Erwartungen seiner Feinde wie<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [357/0367]
BRUNDISIUM.
seits aber wurde es jetzt nicht bloſs nöthig in Italien eine an-
sehnliche Besatzung zurückzulassen, sondern auch Maſsregeln zu
treffen gegen die von den seemächtigen Gegnern beabsichtigte
Sperrung des überseeischen Verkehrs und gegen die in Folge
dessen namentlich der Hauptstadt drohende Hungersnoth, wo-
durch Caesars bereits hinreichend verwickelte militärische Auf-
gabe noch weiter sich complicirte. Finanziell war es allerdings
von Belang, daſs es geglückt war der hauptstädtischen Kassen-
bestände von 4135 Pfunden Gold und 900000 Pfunden Silber
(gegen 23 Mill. Thlr.) sich zu bemächtigen; aber die hauptsäch-
lichsten Einnahmequellen, namentlich die Abgaben aus dem Orient
waren doch in den Händen des Feindes und den so sehr vermehr-
ten Bedürfnissen für das Heer sowie der neuen Verpflichtung gegen-
über für die darbende hauptstädtische Bevölkerung zu sorgen wa-
ren selbst diese ungeheuren Summen so wenig zureichend, daſs
Caesar sich bald genöthigt sah den Privatcredit anzusprechen
und, da es unmöglich schien, daſs er damit lange sich friste, all-
gemein als die einzig übrig bleibende Aushülfe umfassende Confis-
cationen erwartet wurden. — Ernstere Schwierigkeiten noch be-
reiteten die politischen Verhältnisse, in welche Caesar mit der Er-
oberung Italiens eintrat. Die Besorgniſs der besitzenden Klassen
vor einer anarchischen Umwälzung war allgemein. Feinde und
Freunde sahen in Caesar einen zweiten Catilina; Pompeius glaubte
oder behauptete zu glauben, daſs Caesar nur durch die Unmög-
lichkeit seine Schulden zu bezahlen zum Bürgerkrieg getrieben
worden sei. Das war allerdings absurd; aber in der That waren
Caesars Antecedentien nichts weniger als beruhigend und noch
weniger beruhigend der Hinblick auf das Gefolge, das jetzt ihn
umgab. Individuen des anbrüchigsten Rufes, stadtkundige Ge-
sellen wie Quintus Hortensius, Gaius Curio, Marcus Antonius —
dieser der Stiefsohn des auf Ciceros Befehl hingerichteten Catili-
nariers Lentulus — spielten darin die ersten Rollen; die höch-
sten Vertrauensposten wurden an Männer vergeben, die es längst
aufgegeben hatten ihre Schulden auch nur zu summiren; man
sah caesarische Beamte Tänzerinnen nicht bloſs unterhalten —
das thaten Andere auch —, sondern öffentlich in Begleitung sol-
cher Dirnen erscheinen. War es ein Wunder, daſs auch ernst-
hafte und politisch parteilose Männer Amnestie für alle landflüch-
tigen Verbrecher, Vernichtung der Schuldbücher, umfassende
Confiscations-, Acht- und Mordbefehle erwarteten, ja eine Plün-
derung Roms durch die gallische Soldatesca? — Indeſs hierin
täuschte das ‚Ungeheuer‘ die Erwartungen seiner Feinde wie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |