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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.
fall gelang; der Feind gab es auf den Kreis zu schliessen und
wich zurück, hitzig verfolgt von dem ungestümen Führer der
Römer. Aber als das Corps des Publius die Hauptarmee ganz aus
dem Gesicht verloren hatte, hielten die schweren Reiter ihm gegen-
über Stand und die von allen Seiten herbeieilenden parthischen
Haufen zogen wie ein Netz sich um dasselbe zusammen. Pu-
blius, der unter den Pfeilen der berittenen Schützen die Seinigen
dicht und nutzlos um sich fallen sah, stürzte verzweifelt mit sei-
ner unbepanzerten keltischen Reiterei sich auf die eisenstarrenden
Lanzenreiter der Feinde; allein die todesverachtende Tapferkeit
seiner Kelten, die die Lanzen mit den Händen packten oder von
den Pferden sprangen um die der Feinde niederzustechen, that
ihre Wunder umsonst. Die Trümmer des Corps, unter ihnen der
am Schwertarm verwundete Führer, wurden auf eine kleine An-
höhe gedrängt, wo sie den feindlichen Schützen erst recht zur
bequemen Zielscheibe dienten. Mesopotamische Griechen, die der
Gegend genau kundig waren, beschworen den Crassus mit ihnen
abzureiten und einen Versuch zu machen sich zu retten; aber er
weigerte sich sein Schicksal von dem der tapferen Männer zu
trennen, die sein verwegener Muth in den Tod geführt hatte und
liess von der Hand seines Schildträgers sich durchbohren. Gleich
ihm gaben die meisten noch übrigen Offiziere sich selber den Tod.
Von der ganzen gegen 6000 Mann starken Abtheilung wurden
nicht mehr als etwa 500 gefangen; zu retten vermochte sich keiner.
Gegen das Hauptheer hatte inzwischen der Angriff nachgelassen
und man rastete nur zu gern, bis das Ausbleiben jeder Meldung
von dem entsandten Corps aus der trügerischen Ruhe aufschreckte
und man sich in Bewegung setzte um dasselbe aufzusuchen.
Allein als der Vater der Wahlstatt sich näherte, ward ihm bereits
das Haupt des Sohnes auf einer Stange entgegengetragen; und
abermals begann gegen das Hauptheer die schreckliche Schlacht
mit demselben Ungestüm und derselben hoffnungslosen Gleich-
förmigkeit. Man vermochte weder die Lanzenreiter zu sprengen
noch die Schützen zu erreichen; erst die Nacht machte dem Mor-
den ein Ende. Hätten die Parther auf dem Schlachtfeld bivouakirt,
es wäre schwerlich vom römischen Heer ein Mann entkommen.
Allein unfähig wie sie waren ein Handgemenge zu bestehen und
darum besorgt vor einem Ueberfall hatten sie die Gewohnheit
niemals hart am Feinde zu lagern; höhnisch riefen sie den Rö-
mern zu, dass sie dem Feldherrn eine Nacht schenkten um sei-
nen Sohn zu beweinen und jagten davon, um am andern Morgen
wiederzukehren und das blutend am Boden liegende Wild abzu-

FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.
fall gelang; der Feind gab es auf den Kreis zu schlieſsen und
wich zurück, hitzig verfolgt von dem ungestümen Führer der
Römer. Aber als das Corps des Publius die Hauptarmee ganz aus
dem Gesicht verloren hatte, hielten die schweren Reiter ihm gegen-
über Stand und die von allen Seiten herbeieilenden parthischen
Haufen zogen wie ein Netz sich um dasselbe zusammen. Pu-
blius, der unter den Pfeilen der berittenen Schützen die Seinigen
dicht und nutzlos um sich fallen sah, stürzte verzweifelt mit sei-
ner unbepanzerten keltischen Reiterei sich auf die eisenstarrenden
Lanzenreiter der Feinde; allein die todesverachtende Tapferkeit
seiner Kelten, die die Lanzen mit den Händen packten oder von
den Pferden sprangen um die der Feinde niederzustechen, that
ihre Wunder umsonst. Die Trümmer des Corps, unter ihnen der
am Schwertarm verwundete Führer, wurden auf eine kleine An-
höhe gedrängt, wo sie den feindlichen Schützen erst recht zur
bequemen Zielscheibe dienten. Mesopotamische Griechen, die der
Gegend genau kundig waren, beschworen den Crassus mit ihnen
abzureiten und einen Versuch zu machen sich zu retten; aber er
weigerte sich sein Schicksal von dem der tapferen Männer zu
trennen, die sein verwegener Muth in den Tod geführt hatte und
lieſs von der Hand seines Schildträgers sich durchbohren. Gleich
ihm gaben die meisten noch übrigen Offiziere sich selber den Tod.
Von der ganzen gegen 6000 Mann starken Abtheilung wurden
nicht mehr als etwa 500 gefangen; zu retten vermochte sich keiner.
Gegen das Hauptheer hatte inzwischen der Angriff nachgelassen
und man rastete nur zu gern, bis das Ausbleiben jeder Meldung
von dem entsandten Corps aus der trügerischen Ruhe aufschreckte
und man sich in Bewegung setzte um dasselbe aufzusuchen.
Allein als der Vater der Wahlstatt sich näherte, ward ihm bereits
das Haupt des Sohnes auf einer Stange entgegengetragen; und
abermals begann gegen das Hauptheer die schreckliche Schlacht
mit demselben Ungestüm und derselben hoffnungslosen Gleich-
förmigkeit. Man vermochte weder die Lanzenreiter zu sprengen
noch die Schützen zu erreichen; erst die Nacht machte dem Mor-
den ein Ende. Hätten die Parther auf dem Schlachtfeld bivouakirt,
es wäre schwerlich vom römischen Heer ein Mann entkommen.
Allein unfähig wie sie waren ein Handgemenge zu bestehen und
darum besorgt vor einem Ueberfall hatten sie die Gewohnheit
niemals hart am Feinde zu lagern; höhnisch riefen sie den Rö-
mern zu, daſs sie dem Feldherrn eine Nacht schenkten um sei-
nen Sohn zu beweinen und jagten davon, um am andern Morgen
wiederzukehren und das blutend am Boden liegende Wild abzu-

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[318/0328] FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX. fall gelang; der Feind gab es auf den Kreis zu schlieſsen und wich zurück, hitzig verfolgt von dem ungestümen Führer der Römer. Aber als das Corps des Publius die Hauptarmee ganz aus dem Gesicht verloren hatte, hielten die schweren Reiter ihm gegen- über Stand und die von allen Seiten herbeieilenden parthischen Haufen zogen wie ein Netz sich um dasselbe zusammen. Pu- blius, der unter den Pfeilen der berittenen Schützen die Seinigen dicht und nutzlos um sich fallen sah, stürzte verzweifelt mit sei- ner unbepanzerten keltischen Reiterei sich auf die eisenstarrenden Lanzenreiter der Feinde; allein die todesverachtende Tapferkeit seiner Kelten, die die Lanzen mit den Händen packten oder von den Pferden sprangen um die der Feinde niederzustechen, that ihre Wunder umsonst. Die Trümmer des Corps, unter ihnen der am Schwertarm verwundete Führer, wurden auf eine kleine An- höhe gedrängt, wo sie den feindlichen Schützen erst recht zur bequemen Zielscheibe dienten. Mesopotamische Griechen, die der Gegend genau kundig waren, beschworen den Crassus mit ihnen abzureiten und einen Versuch zu machen sich zu retten; aber er weigerte sich sein Schicksal von dem der tapferen Männer zu trennen, die sein verwegener Muth in den Tod geführt hatte und lieſs von der Hand seines Schildträgers sich durchbohren. Gleich ihm gaben die meisten noch übrigen Offiziere sich selber den Tod. Von der ganzen gegen 6000 Mann starken Abtheilung wurden nicht mehr als etwa 500 gefangen; zu retten vermochte sich keiner. Gegen das Hauptheer hatte inzwischen der Angriff nachgelassen und man rastete nur zu gern, bis das Ausbleiben jeder Meldung von dem entsandten Corps aus der trügerischen Ruhe aufschreckte und man sich in Bewegung setzte um dasselbe aufzusuchen. Allein als der Vater der Wahlstatt sich näherte, ward ihm bereits das Haupt des Sohnes auf einer Stange entgegengetragen; und abermals begann gegen das Hauptheer die schreckliche Schlacht mit demselben Ungestüm und derselben hoffnungslosen Gleich- förmigkeit. Man vermochte weder die Lanzenreiter zu sprengen noch die Schützen zu erreichen; erst die Nacht machte dem Mor- den ein Ende. Hätten die Parther auf dem Schlachtfeld bivouakirt, es wäre schwerlich vom römischen Heer ein Mann entkommen. Allein unfähig wie sie waren ein Handgemenge zu bestehen und darum besorgt vor einem Ueberfall hatten sie die Gewohnheit niemals hart am Feinde zu lagern; höhnisch riefen sie den Rö- mern zu, daſs sie dem Feldherrn eine Nacht schenkten um sei- nen Sohn zu beweinen und jagten davon, um am andern Morgen wiederzukehren und das blutend am Boden liegende Wild abzu-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/328>, abgerufen am 15.05.2024.