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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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CRASSUS TOD.
an der Spitze einer keltischen Reiterschaar zur Unterstützung
des Vaters im parthischen Kriege entsandt worden war, brannte
vor stürmischer Kampflust. Das Zeichen zum Aufbruch ward
gegeben, der Balissos überschritten, das Heer nach kurzer un-
genügender Mittagrast ohne Aufenthalt im Sturmschritt vorwärts
gegen den Feind geführt. Da erschollen plötzlich rings umher
die Kesselpauken der Parther; auf allen Seiten sah man ihre sei-
denen goldgestickten Fahnen flattern, ihre Eisenhelme und Pan-
zer im Strahl der heissen Mittagssonne glänzen; und neben ihnen
hielt Fürst Abgaros mit seinen Beduinen.

Man begriff zu spät, in welches Netz man sich hatte ver-
stricken lassen. Mit sicherem Blick hatte Surenas sowohl die Ge-
fahr durchschaut wie die Mittel ihr zu begegnen. Mit orientali-
schem Fussvolk war gegen die römische Linieninfanterie nichts
anzufangen: Surenas hatte sich ihrer entledigt und diese auf dem
Hauptschlachtfeld unbrauchbare Masse unter König Orodes eige-
ner Führung gegen Armenien gesandt, wodurch König Artavasdes
verhindert ward die versprochenen 10000 schweren Reiter zu
Crassus Heer stossen zu lassen, die dieser jetzt schmerzlich ver-
misste. Surenas selbst trat der römischen in ihrer Art unüber-
trefflichen Taktik mit einer vollkommen verschiedenen gegen-
über. Sein Heer bestand ausschliesslich aus Reiterei; die Linie
bildeten die schweren Reiter, mit langen Stosslanzen bewaffnet
und Mann und Ross durch metallene Schuppenpanzer oder Leder-
koller und durch ähnliche Schienen geschirmt; die Masse der
Truppen bestand aus berittenen Bogenschützen. Diesen gegen-
über waren die Römer in den gleichen Waffen sowohl der Zahl
wie der Tüchtigkeit nach durchaus im Nachtheil. Ihre Linienin-
fanterie, wie vorzüglich sie auch im Nahkampf, sowohl auf kurze
Distanz mit dem schweren Wurfspeer* als im Handgemenge mit
dem Schwert war, konnte doch eine bloss aus Reiterei bestehende
Armee nicht nach Gefallen zum Nahkampf zwingen und fand, wenn
es dazu kam, in den eisenstarrenden Schaaren der Lanzenreiter
einen auch hierin ihr gewachsenen, wo nicht überlegenen Gegner.
Einem Heer gegenüber, wie das des Surenas war, stand das rö-
mische strategisch im Nachtheil, weil die Reiterei die Commu-
nicationen beherrschte; taktisch, weil jede Nahwaffe der Fern-

* Das Pilum, das nur auf eine Distanz von zehn bis höchstens zwanzig
Schritten geworfen wird, gehört zu den Nahwaffen; seiner militärischen
Bedeutung nach hat man das Abwerfen der Pila vor dem Angriff mit dem
Schwert treffend mit unserer Gewehrsalve vor dem Bajonettangriff vergli-
chen.

CRASSUS TOD.
an der Spitze einer keltischen Reiterschaar zur Unterstützung
des Vaters im parthischen Kriege entsandt worden war, brannte
vor stürmischer Kampflust. Das Zeichen zum Aufbruch ward
gegeben, der Balissos überschritten, das Heer nach kurzer un-
genügender Mittagrast ohne Aufenthalt im Sturmschritt vorwärts
gegen den Feind geführt. Da erschollen plötzlich rings umher
die Kesselpauken der Parther; auf allen Seiten sah man ihre sei-
denen goldgestickten Fahnen flattern, ihre Eisenhelme und Pan-
zer im Strahl der heiſsen Mittagssonne glänzen; und neben ihnen
hielt Fürst Abgaros mit seinen Beduinen.

Man begriff zu spät, in welches Netz man sich hatte ver-
stricken lassen. Mit sicherem Blick hatte Surenas sowohl die Ge-
fahr durchschaut wie die Mittel ihr zu begegnen. Mit orientali-
schem Fuſsvolk war gegen die römische Linieninfanterie nichts
anzufangen: Surenas hatte sich ihrer entledigt und diese auf dem
Hauptschlachtfeld unbrauchbare Masse unter König Orodes eige-
ner Führung gegen Armenien gesandt, wodurch König Artavasdes
verhindert ward die versprochenen 10000 schweren Reiter zu
Crassus Heer stoſsen zu lassen, die dieser jetzt schmerzlich ver-
miſste. Surenas selbst trat der römischen in ihrer Art unüber-
trefflichen Taktik mit einer vollkommen verschiedenen gegen-
über. Sein Heer bestand ausschlieſslich aus Reiterei; die Linie
bildeten die schweren Reiter, mit langen Stoſslanzen bewaffnet
und Mann und Roſs durch metallene Schuppenpanzer oder Leder-
koller und durch ähnliche Schienen geschirmt; die Masse der
Truppen bestand aus berittenen Bogenschützen. Diesen gegen-
über waren die Römer in den gleichen Waffen sowohl der Zahl
wie der Tüchtigkeit nach durchaus im Nachtheil. Ihre Linienin-
fanterie, wie vorzüglich sie auch im Nahkampf, sowohl auf kurze
Distanz mit dem schweren Wurfspeer* als im Handgemenge mit
dem Schwert war, konnte doch eine bloſs aus Reiterei bestehende
Armee nicht nach Gefallen zum Nahkampf zwingen und fand, wenn
es dazu kam, in den eisenstarrenden Schaaren der Lanzenreiter
einen auch hierin ihr gewachsenen, wo nicht überlegenen Gegner.
Einem Heer gegenüber, wie das des Surenas war, stand das rö-
mische strategisch im Nachtheil, weil die Reiterei die Commu-
nicationen beherrschte; taktisch, weil jede Nahwaffe der Fern-

* Das Pilum, das nur auf eine Distanz von zehn bis höchstens zwanzig
Schritten geworfen wird, gehört zu den Nahwaffen; seiner militärischen
Bedeutung nach hat man das Abwerfen der Pila vor dem Angriff mit dem
Schwert treffend mit unserer Gewehrsalve vor dem Bajonettangriff vergli-
chen.
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[315/0325] CRASSUS TOD. an der Spitze einer keltischen Reiterschaar zur Unterstützung des Vaters im parthischen Kriege entsandt worden war, brannte vor stürmischer Kampflust. Das Zeichen zum Aufbruch ward gegeben, der Balissos überschritten, das Heer nach kurzer un- genügender Mittagrast ohne Aufenthalt im Sturmschritt vorwärts gegen den Feind geführt. Da erschollen plötzlich rings umher die Kesselpauken der Parther; auf allen Seiten sah man ihre sei- denen goldgestickten Fahnen flattern, ihre Eisenhelme und Pan- zer im Strahl der heiſsen Mittagssonne glänzen; und neben ihnen hielt Fürst Abgaros mit seinen Beduinen. Man begriff zu spät, in welches Netz man sich hatte ver- stricken lassen. Mit sicherem Blick hatte Surenas sowohl die Ge- fahr durchschaut wie die Mittel ihr zu begegnen. Mit orientali- schem Fuſsvolk war gegen die römische Linieninfanterie nichts anzufangen: Surenas hatte sich ihrer entledigt und diese auf dem Hauptschlachtfeld unbrauchbare Masse unter König Orodes eige- ner Führung gegen Armenien gesandt, wodurch König Artavasdes verhindert ward die versprochenen 10000 schweren Reiter zu Crassus Heer stoſsen zu lassen, die dieser jetzt schmerzlich ver- miſste. Surenas selbst trat der römischen in ihrer Art unüber- trefflichen Taktik mit einer vollkommen verschiedenen gegen- über. Sein Heer bestand ausschlieſslich aus Reiterei; die Linie bildeten die schweren Reiter, mit langen Stoſslanzen bewaffnet und Mann und Roſs durch metallene Schuppenpanzer oder Leder- koller und durch ähnliche Schienen geschirmt; die Masse der Truppen bestand aus berittenen Bogenschützen. Diesen gegen- über waren die Römer in den gleichen Waffen sowohl der Zahl wie der Tüchtigkeit nach durchaus im Nachtheil. Ihre Linienin- fanterie, wie vorzüglich sie auch im Nahkampf, sowohl auf kurze Distanz mit dem schweren Wurfspeer * als im Handgemenge mit dem Schwert war, konnte doch eine bloſs aus Reiterei bestehende Armee nicht nach Gefallen zum Nahkampf zwingen und fand, wenn es dazu kam, in den eisenstarrenden Schaaren der Lanzenreiter einen auch hierin ihr gewachsenen, wo nicht überlegenen Gegner. Einem Heer gegenüber, wie das des Surenas war, stand das rö- mische strategisch im Nachtheil, weil die Reiterei die Commu- nicationen beherrschte; taktisch, weil jede Nahwaffe der Fern- * Das Pilum, das nur auf eine Distanz von zehn bis höchstens zwanzig Schritten geworfen wird, gehört zu den Nahwaffen; seiner militärischen Bedeutung nach hat man das Abwerfen der Pila vor dem Angriff mit dem Schwert treffend mit unserer Gewehrsalve vor dem Bajonettangriff vergli- chen.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/325>, abgerufen am 22.12.2024.