die immer noch günstige Gelegenheit zu nutzen und den unter- brochenen parthischen Krieg wieder aufzunehmen, als Crassus in Syrien eintraf und mit dem Commando zugleich die Pläne seines Vorgängers übernahm. Voll hochfliegender Hoffnungen schlug er die Schwierigkeiten des Marsches gering, die Wider- standskraft der feindlichen Heere noch geringer an; zuversicht- lich sprach er nicht bloss von der Unterwerfung der Parther, sondern eroberte schon in Gedanken die Reiche von Baktrien und Indien.
Eile indess hatte der neue Alexander nicht. Er fand, bevor er so grosse Pläne ins Werk setzte, noch Musse zu sehr weitläuf- tigen und sehr einträglichen Nebengeschäften. Die Tempel der Derketo in Hierapolis Bambyke, des Jehovah in Jerusalem und andere reiche Heiligthümer der syrischen Provinz wurden auf Crassus Befehl ihrer Schätze beraubt und von allen Untertha- nen Zuzug oder lieber noch statt desselben Geldsummen beige- trieben. Die militärischen Operationen des ersten Sommers be- schränkten sich auf eine umfassende Recognoscirung in Mesopo- tamien; der Euphrat ward überschritten, bei Ichnae (am Belik nördlich von Rakkah) der parthische Satrap geschlagen und die nächstliegenden Städte, darunter das ansehnliche Nikephorion (Rakkah) besetzt, worauf man mit Zurücklassung von Besatzun- gen in denselben wieder nach Syrien zurückging. Man hatte bis- her geschwankt, ob es rathsamer sei auf dem Umweg über Arme- nien oder auf der geraden Strasse durch die mesopotamische Wüste die Parther anzugreifen. Der erste Weg durch gebirgige und von zuverlässigen Verbündeten beherrschte Landschaften empfahl sich durch grössere Sicherheit; König Artavasdes kam selbst in das römische Hauptquartier um diesen Feldzugsplan zu befürwor- ten. Allein jene Recognoscirung entschied für den Marsch durch Mesopotamien. Die zahlreichen und blühenden griechischen und halbgriechischen Städte in den Landschaften am Euphrat und Tigris, vor allen die Weltstadt Seleukeia, waren der parthischen Herrschaft durchaus abgeneigt; wie früher die Bürger von Karrhae (S. 130), so hatten jetzt alle von den Römern berührten grie- chischen Ortschaften es mit der That bewiesen, dass sie bereit waren die unerträgliche Fremdherrschaft abzuschütteln und die Römer als Befreier, beinahe als Landsleute zu empfangen. Der Araberfürst Abgaros, der die Wüste um Edessa und Karrhae und damit die gewöhnliche Strasse vom Euphrat an den Tigris be- herrschte, hatte im Lager der Römer sich eingefunden um die- selben seiner Ergebenheit persönlich zu versichern. Durchaus
CRASSUS TOD.
die immer noch günstige Gelegenheit zu nutzen und den unter- brochenen parthischen Krieg wieder aufzunehmen, als Crassus in Syrien eintraf und mit dem Commando zugleich die Pläne seines Vorgängers übernahm. Voll hochfliegender Hoffnungen schlug er die Schwierigkeiten des Marsches gering, die Wider- standskraft der feindlichen Heere noch geringer an; zuversicht- lich sprach er nicht bloſs von der Unterwerfung der Parther, sondern eroberte schon in Gedanken die Reiche von Baktrien und Indien.
Eile indeſs hatte der neue Alexander nicht. Er fand, bevor er so groſse Pläne ins Werk setzte, noch Muſse zu sehr weitläuf- tigen und sehr einträglichen Nebengeschäften. Die Tempel der Derketo in Hierapolis Bambyke, des Jehovah in Jerusalem und andere reiche Heiligthümer der syrischen Provinz wurden auf Crassus Befehl ihrer Schätze beraubt und von allen Untertha- nen Zuzug oder lieber noch statt desselben Geldsummen beige- trieben. Die militärischen Operationen des ersten Sommers be- schränkten sich auf eine umfassende Recognoscirung in Mesopo- tamien; der Euphrat ward überschritten, bei Ichnae (am Belik nördlich von Rakkah) der parthische Satrap geschlagen und die nächstliegenden Städte, darunter das ansehnliche Nikephorion (Rakkah) besetzt, worauf man mit Zurücklassung von Besatzun- gen in denselben wieder nach Syrien zurückging. Man hatte bis- her geschwankt, ob es rathsamer sei auf dem Umweg über Arme- nien oder auf der geraden Straſse durch die mesopotamische Wüste die Parther anzugreifen. Der erste Weg durch gebirgige und von zuverlässigen Verbündeten beherrschte Landschaften empfahl sich durch gröſsere Sicherheit; König Artavasdes kam selbst in das römische Hauptquartier um diesen Feldzugsplan zu befürwor- ten. Allein jene Recognoscirung entschied für den Marsch durch Mesopotamien. Die zahlreichen und blühenden griechischen und halbgriechischen Städte in den Landschaften am Euphrat und Tigris, vor allen die Weltstadt Seleukeia, waren der parthischen Herrschaft durchaus abgeneigt; wie früher die Bürger von Karrhae (S. 130), so hatten jetzt alle von den Römern berührten grie- chischen Ortschaften es mit der That bewiesen, daſs sie bereit waren die unerträgliche Fremdherrschaft abzuschütteln und die Römer als Befreier, beinahe als Landsleute zu empfangen. Der Araberfürst Abgaros, der die Wüste um Edessa und Karrhae und damit die gewöhnliche Straſse vom Euphrat an den Tigris be- herrschte, hatte im Lager der Römer sich eingefunden um die- selben seiner Ergebenheit persönlich zu versichern. Durchaus
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0323"n="313"/><fwplace="top"type="header">CRASSUS TOD.</fw><lb/>
die immer noch günstige Gelegenheit zu nutzen und den unter-<lb/>
brochenen parthischen Krieg wieder aufzunehmen, als Crassus<lb/>
in Syrien eintraf und mit dem Commando zugleich die Pläne<lb/>
seines Vorgängers übernahm. Voll hochfliegender Hoffnungen<lb/>
schlug er die Schwierigkeiten des Marsches gering, die Wider-<lb/>
standskraft der feindlichen Heere noch geringer an; zuversicht-<lb/>
lich sprach er nicht bloſs von der Unterwerfung der Parther,<lb/>
sondern eroberte schon in Gedanken die Reiche von Baktrien<lb/>
und Indien.</p><lb/><p>Eile indeſs hatte der neue Alexander nicht. Er fand, bevor<lb/>
er so groſse Pläne ins Werk setzte, noch Muſse zu sehr weitläuf-<lb/>
tigen und sehr einträglichen Nebengeschäften. Die Tempel der<lb/>
Derketo in Hierapolis Bambyke, des Jehovah in Jerusalem und<lb/>
andere reiche Heiligthümer der syrischen Provinz wurden auf<lb/>
Crassus Befehl ihrer Schätze beraubt und von allen Untertha-<lb/>
nen Zuzug oder lieber noch statt desselben Geldsummen beige-<lb/>
trieben. Die militärischen Operationen des ersten Sommers be-<lb/>
schränkten sich auf eine umfassende Recognoscirung in Mesopo-<lb/>
tamien; der Euphrat ward überschritten, bei Ichnae (am Belik<lb/>
nördlich von Rakkah) der parthische Satrap geschlagen und die<lb/>
nächstliegenden Städte, darunter das ansehnliche Nikephorion<lb/>
(Rakkah) besetzt, worauf man mit Zurücklassung von Besatzun-<lb/>
gen in denselben wieder nach Syrien zurückging. Man hatte bis-<lb/>
her geschwankt, ob es rathsamer sei auf dem Umweg über Arme-<lb/>
nien oder auf der geraden Straſse durch die mesopotamische Wüste<lb/>
die Parther anzugreifen. Der erste Weg durch gebirgige und von<lb/>
zuverlässigen Verbündeten beherrschte Landschaften empfahl<lb/>
sich durch gröſsere Sicherheit; König Artavasdes kam selbst in<lb/>
das römische Hauptquartier um diesen Feldzugsplan zu befürwor-<lb/>
ten. Allein jene Recognoscirung entschied für den Marsch durch<lb/>
Mesopotamien. Die zahlreichen und blühenden griechischen und<lb/>
halbgriechischen Städte in den Landschaften am Euphrat und<lb/>
Tigris, vor allen die Weltstadt Seleukeia, waren der parthischen<lb/>
Herrschaft durchaus abgeneigt; wie früher die Bürger von Karrhae<lb/>
(S. 130), so hatten jetzt alle von den Römern berührten grie-<lb/>
chischen Ortschaften es mit der That bewiesen, daſs sie bereit<lb/>
waren die unerträgliche Fremdherrschaft abzuschütteln und die<lb/>
Römer als Befreier, beinahe als Landsleute zu empfangen. Der<lb/>
Araberfürst Abgaros, der die Wüste um Edessa und Karrhae und<lb/>
damit die gewöhnliche Straſse vom Euphrat an den Tigris be-<lb/>
herrschte, hatte im Lager der Römer sich eingefunden um die-<lb/>
selben seiner Ergebenheit persönlich zu versichern. Durchaus<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[313/0323]
CRASSUS TOD.
die immer noch günstige Gelegenheit zu nutzen und den unter-
brochenen parthischen Krieg wieder aufzunehmen, als Crassus
in Syrien eintraf und mit dem Commando zugleich die Pläne
seines Vorgängers übernahm. Voll hochfliegender Hoffnungen
schlug er die Schwierigkeiten des Marsches gering, die Wider-
standskraft der feindlichen Heere noch geringer an; zuversicht-
lich sprach er nicht bloſs von der Unterwerfung der Parther,
sondern eroberte schon in Gedanken die Reiche von Baktrien
und Indien.
Eile indeſs hatte der neue Alexander nicht. Er fand, bevor
er so groſse Pläne ins Werk setzte, noch Muſse zu sehr weitläuf-
tigen und sehr einträglichen Nebengeschäften. Die Tempel der
Derketo in Hierapolis Bambyke, des Jehovah in Jerusalem und
andere reiche Heiligthümer der syrischen Provinz wurden auf
Crassus Befehl ihrer Schätze beraubt und von allen Untertha-
nen Zuzug oder lieber noch statt desselben Geldsummen beige-
trieben. Die militärischen Operationen des ersten Sommers be-
schränkten sich auf eine umfassende Recognoscirung in Mesopo-
tamien; der Euphrat ward überschritten, bei Ichnae (am Belik
nördlich von Rakkah) der parthische Satrap geschlagen und die
nächstliegenden Städte, darunter das ansehnliche Nikephorion
(Rakkah) besetzt, worauf man mit Zurücklassung von Besatzun-
gen in denselben wieder nach Syrien zurückging. Man hatte bis-
her geschwankt, ob es rathsamer sei auf dem Umweg über Arme-
nien oder auf der geraden Straſse durch die mesopotamische Wüste
die Parther anzugreifen. Der erste Weg durch gebirgige und von
zuverlässigen Verbündeten beherrschte Landschaften empfahl
sich durch gröſsere Sicherheit; König Artavasdes kam selbst in
das römische Hauptquartier um diesen Feldzugsplan zu befürwor-
ten. Allein jene Recognoscirung entschied für den Marsch durch
Mesopotamien. Die zahlreichen und blühenden griechischen und
halbgriechischen Städte in den Landschaften am Euphrat und
Tigris, vor allen die Weltstadt Seleukeia, waren der parthischen
Herrschaft durchaus abgeneigt; wie früher die Bürger von Karrhae
(S. 130), so hatten jetzt alle von den Römern berührten grie-
chischen Ortschaften es mit der That bewiesen, daſs sie bereit
waren die unerträgliche Fremdherrschaft abzuschütteln und die
Römer als Befreier, beinahe als Landsleute zu empfangen. Der
Araberfürst Abgaros, der die Wüste um Edessa und Karrhae und
damit die gewöhnliche Straſse vom Euphrat an den Tigris be-
herrschte, hatte im Lager der Römer sich eingefunden um die-
selben seiner Ergebenheit persönlich zu versichern. Durchaus
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/323>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.